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Auf den Spuren von Mallorcas flüssigem Gold

Auf den Spuren von Mallorcas flüssigem Gold

Restaurants El Olivo
Auf der Terrasse des Restaurants El Olivo speist man unter Jahrhunderte alten Olivenbäumen und mit romantischen Blicken aufs Bergdorf Deià. Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn
Olivenöl-Tourismus auf Mallorca: mehr als nur eine gastronomische Erfahrung. Es ist eine Reise in die Kultur und Geschichte der Mittelmeerinsel.

Sóller. 

Behutsam gießt Aina Mora das Olivenöl in die kleinen blauen Gläser und deckt sie schnell mit Glasplättchen ab. Das Aroma soll nicht verfliegen. Der Geruch spiele eine wichtige Rolle, um ein Olivenöl richtig kennenzulernen, sagt die Mallorquinerin.

«So, wärmt die Gläser ein wenig mit Euren Händen an, bewegt sie, damit sich das Aroma richtig entfalten kann, nehmt die Plättchen ab und sagt mir, was Ihr riecht», fordert Aina in perfektem Deutsch die Teilnehmer der Ölverkostung in der Oliven-Genossenschaft Sant Bartomeu bei Sóller auf Mallorca auf.

Duft nach Gras, Kräutern, Feigen und Blüten

Ein intensiver, fruchtiger Duft liegt in der Nase. Das Olivenöl riecht nach frischem Gras, Kräutern, hat Nuancen von Tomaten, Feigen und Blüten. Aina bittet, das Olivenöl zu kosten. «Lasst es aber ein wenig auf dem Gaumen zergehen».

Zunächst sind die Geschmacksnoten eher bitter. «Wenn Ihr einige Male Luft holt, werdet Ihr bemerken, wie sich die Aromastoffe noch ein wenig ändern», verspricht Aina. Tatsächlich kommen jetzt immer schärfe Geschmacksnoten auf. «Das ist natives Olivenöl der einheimischen Mallorquina», erklärt Aina und zeigt die spindelförmigen Oliven.

Es kostet ein wenig Überwindung, das dickflüssige Öl herunterzuschlucken. Alejandra López verzieht ihr Gesicht. «Wow, das ist intensiv», sagt die Ärztin aus Andalusien, die auf Mallorca Urlaub macht. «Meistens nimmt man den puren Geschmack von Olivenöl in Salaten oder bei der Zubereitung anderer Speisen gar nicht so wahr. Wirklich interessant.»

Vor dem nächsten Olivenöl gibt es Brot und Wasser, um die Unterschiede zu den anderen einheimischen Olivenölsorten besser herausschmecken zu können. Die «Arbequina» und «Empeltre» sind süßer und fruchtiger. Ihr Geschmack erinnert an Mandeln, Artischocken und Äpfel. Das «Picual»-Öl, dessen Oliven vor allem im Tramuntana-Gebirge wachsen, schmeckt hingegen deutlich schärfer und bitterer. Mallorcas Oliven haben allgemein einen Hauch von Feigen, Zitronen, Salbei oder sogar grünen Bananen. Einige Öle sind goldgelb, andere tiefgrün.

Eine lange Oliven-Tradition

Aina bietet die Olivenöl-Workshops mit ihrem Unternehmen «Méscultura» an. In der Oliven-Genossenschaft Sant Bartomeu kann man auch direkt frische Oliven und Olivenöle von den Bauern kaufen.

In Ihren Workshops geht es aber nicht nur um die Verkostung. Vor allem lernt man viel über die Bedeutung der Olivenbäume für die Insel und wie hier Olivenöl hergestellt wird. Mallorca hat seit 2002 die geschützte Herkunftsbezeichnung Oli de Mallorca.

«Olivenbäume prägen unsere Landschaft, das Olivenöl ist tief in unserer Kultur, Geschichte und natürlich in unserer Küche verankert», erklärt Aina. Schon während des ersten Jahrtausends v. Chr. brachten Phönizier die Olive auf die Insel.

Aber erst, als die Römer 123 v. Chr. Mallorca eroberten, blühte der Anbau auf. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert exportierte Mallorca Olivenöl in den gesamten Mittelmeerraum. Der Olivenölhandel war damals so wichtig für die Insel wie heute der Tourismus.

Tal des Goldes

Port de Sóller war einer der bedeutendsten Handelshäfen, und in seinem windgeschützten Tal gedeihen bis heute neben Zitrusfrüchten auch Oliven. Die Mauren, die Jahrhunderte über Mallorca herrschten, nannten den Ort «suliar», Tal des Goldes, womit sie sich auf das hier produzierte Olivenöl, Mallorcas «flüssiges Gold», bezogen.

Aina führt ihre Gruppen auf kurzen Wanderungen im Tal von Sóller durch Olivenhaine, besucht Olivenbauern. Sie zeigt, wie man Oliven einlegt und man gutes von schlechtem Olivenöl unterscheiden kann. Wer zwischen Oktober und Mitte Dezember auf Mallorca ist, hat die Gelegenheit, bei der Olivenernte zu helfen.

Im Tal von Sóller und den umliegenden Bergen werden die Oliven noch heute per Hand gepflügt. «Für Maschinen gibt es auf den schmalen Terrassenanlagen an den steilen Hängen gar keinen Platz», erklärt Olivenöl-Produzent Bartolomé Deyà.

Die älteste Ölmühle und der schönste Olivenbaum

Seine Familie unterhält zwischen Sóller und dem Gebirgsdorf Fornalutx die älteste noch funktionierende Ölmühle Mallorcas namens Ca’n Det. Hier wird seit 1561 auf traditionelle Weise das Öl gepresst. Kegelförmige Steinwalzen zerdrücken die Oliven zu einem Brei, der anschließend auf runden Strohmatten verteilt wird, die übereinandergestapelt wiederum hydraulisch gepresst werden, bis das hochwertige Öl herausläuft.

Der Besuch lohnt sich. Bartolomé führt Gäste auch in seine Jahrhunderte alten Olivenhaine. Sein «Vorzeigebaum» wurde im 9. Jahrhundert noch von den Mauren gepflanzt und hat einen Durchmesser von sechseinhalb Metern. Vor zwei Jahren wurde er von der spanischen Olivenöl-Vereinigung zum schönsten Olivenbaum Spaniens gekürt.

Nicht weit entfernt beginnt gleich hinter dem malerischen Bergdorf Biniaraix ein anspruchsvoller, aber wunderschöner Trockensteinpfad, der vorbei an uralten Olivenhainen und terrassierten Hängen hinauf zum Coll de L’Ofre führt.

Hotel mit Oliven-Tradition

Richtung Meer thront hoch über Port Sóller das Familien-Hotel Muleta de Ca S’Hereu mit acht Zimmern. Auf dem ehemaligen Gutshof aus dem Jahre 1672 wurde bis vor wenigen Jahrzehnten noch Olivenöl produziert. Die Presse mit der Steinwalze, ein wahres Museumsstück, besteht aus schwerem Holz.

Gerne zeigt Besitzerin Francisca Colom ihren Gästen die uralte Olivenölmühle im Erdgeschoss des Steinhauses, die noch ihr Großvater mit Eseln bediente. Bei geröstetem Brot mit Olivenöl, Salz und Tomaten erzählt sie auf der Terrasse des kleinen Hotel-Restaurants über die lange Geschichte der Finca und ihr Olivenöl, mit dem sie für ihre Gäste traditionelle mallorquinische Küche nach Hausmannsart vorbereitet.

Das adelige Landgut und der Pool mit Blick auf den Hafen von Sóller sind umgeben von Jahrhunderte alten, verknorpelten Olivenbäumen, zwischen denen teilweise Hängematten gespannt sind.

Während unten im Hafen von Port Sóller die Urlauber abends in überfüllten Restaurants sitzen, herrscht auf der Finca-Terrasse angenehme Ruhe. Nur die Kieselsteine unter den Füßen und der leichte Wind in den Blättern der Olivenbäume über den Tischen sind zu hören.

Direkt vom Haus aus führt der Olivenbaum-Wanderweg Camí de Muleta zum Bilderbuch-Bergdorf Deià. In den Jahrhunderte alten Bäumen auf der Muleta-Halbinsel kann man Kobolde, Gesichter und verschiedenste Tiere wie Kamele, Drachen oder Schlangen erkennen. Echte Naturkunstwerke.

Oliven-Tourismus als neuer Markt

Touristen verirren sich hier selten her. Es ist eine von vier neuen Wanderrouten, die die Inselregierung markiert hat, um den Olivenöl-Tourismus zu fördern, der noch in den Kinderschuhen steckt. In den 1960er und 1970er Jahren mussten viele Olivenplantagen im Zuge des Tourismus-Booms Hotels Platz machen. Doch auf der jüngste Suche nach «Qualitäts-Tourismus» und den immer beliebteren Gastronomie-Reisen besinnt sich Mallorca auf seine Tradition zurück.

Die Oliven-Routen führen Wanderer durch ursprüngliche Landschaften mit charakteristischen Terrassen, die von alten Trockensteinmauern gebildet werden, auf denen Tausende uralter Olivenbäume wachsen. 90 Prozent von Mallorcas Olivenbäumen sind im Schnitt 500 Jahre alt.

Zurück ins Bergdorf in Deià: Das Hotel La Residencia hat nicht nur einen Kunst-Skulpturengarten, sondern auch einen Olivenhain mit mehr als 1500 Bäumen. Jährlich produziert das Hotel rund 600 Liter Olivenöl, welches Chefkoch Guillermo Méndez im Hotel-Restaurant El Olivo («Der Olivenbaum») für seine Speisen benutzt.

Für seine inselweit bekannte Lammkeule, den Garnelen-Carpaccio und seine Thunfisch-Kreationen verwendet er die süßere Öl-Sorte «Empeltre». Sogar an sein Zitronen-Sorbet mit saurem Apfel kommt Olivenöl. Und Mallorcas wohl typisches Gericht Pa amb oli («Brot mit Öl») serviert er als Nachtischversion – mit Oliven-Salz und einem Oliven-Kaviar.

«Ich glaube, ich könnte gar nicht ohne Olivenöl kochen. Es ist generell die wichtigste Grundlage der mallorquinischen Küche», erklärt Méndez. Das Restaurant ist in einer ehemaligen Olivenölmühle aus dem 16. Jahrhundert untergebracht, die zum damaligen Landsitz gehörte. Die gigantische Holzpresse und der Mahlstein gehören zur Dekoration des Restaurants.

Doch besser genießt man das siebengängige Degustationsmenü auf der Terrasse unter 300 Jahren alten Olivenbäumen und mit Blick auf Deià. Auf der Terrasse bietet Méndez Olivenöl-Verkostungen an und Kochkurse mit Olivenöl. Der Chefkoch sagt: «Die Leute wundern sich immer wieder, wie sehr Olivenöl die Küche prägen kann.» (dpa)