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„Una Bira“ für Mario – wie ein Italiener zum Schacht Lohberg kam

Was der erste italienische Gastarbeiter in Dinslaken erlebte

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Mario Amadori Foto: Behrendt
Mario Amadori kam aus Südtirol an den Niederrhein, um auf Schacht Lohberg unter Tage zu arbeiten. Damals wurde der Lohn noch dreimal monatlich ausgezahlt, damit die Arbeiter nicht alles sofort vertranken.

Dinslaken. 

In den Jahren, in denen ich auf Schacht Lohberg beschäftigt war, hatte ich die Gelegenheit gehabt, viele traurige und lustige Geschichten zu erleben. Wir bekamen zum Beispiel dreimal im Monat Geld und zwar am zehnten, am zwanzigsten und am dreißigsten, da gab es Restlohn.

Gerade an diesen Tagen konnte man viel Amüsantes erleben, da standen mehrere Frauen in der Lohnhalle herum, die nur darauf warteten, bis das bisschen Geld abgehoben wurde, um es sofort zu kassieren, bevor ihre Männer in das Kasino-Lohberg gingen, um alles zu versaufen. Logisch, dass nicht alle so waren, aber es gab schon einige, ob es sich um einfache Kumpel oder Steiger handelte.

Die Gaststätte war ein beliebter Treffpunkt für Bergleute. Logisch, dass ich manchmal dabei war, denn dort konnte man sich wirklich amüsieren nach dem schweren Untertage-Job. Nebenbei: Ich war kein sehr guter Biertrinker, denn bei uns in Norditalien wurde fast nur Wein getrunken. Zwei, drei Bier (halbe Liter) schaffte ich schon, dabei aber musste ich immer etwas essen.

Die Kellnerin musste lachen

Wenn ich mit meinen miserablen deutschen Sprachkenntnissen bestellte, mussten nicht nur die Kumpel, sondern auch die Kellnerin laut lachen. Es war sogar soweit, dass ein Arbeitskollege sich anbot, für mich zu bestellen und das hörte sich sehr lustig an. „Una Bira e una Kotoleta für Mario!“ Und das während Caterina Valente zum zigsten Mal das Lied sang: „Komm ein bisschen mit nach Italien…“ Die Musikbox wurde ständig mit 50 Pfennig gefüttert.

Im Gegensatz zu heute gab es damals sehr viel zu lachen, aber es lag wohl auch daran, dass man sehr jung war. Und ich frage mich immer noch: „Wie viele von den damaligen Kumpeln werden heute noch leben?“ Ich weiß noch genau, dass ein Lohberger Freund von mir wegen der Feierschichten ins Saarland zog. Aber gerade dort verunglückte er tödlich, und ich musste weinen, weil er mein bester Freund war.

Was damals ärgerlich war: Der Samstag war ein normaler Arbeitstag und es gab nur 12 Tage Urlaub. Die nutzte ich 1956, um zehn Tage heim nach Bozen zu fahren. Das Schlimmste erwartete mich, als ich zurückkam und erfuhr, dass derjenige, der mich ersetzt hatte, ein Südtiroler, nach einem Strebbruch im Revier 6 tödlich verunglückt war. Da fühlte ich mich schuldig.

Die ersten Krankheitstage wurden nicht bezahlt

Sehr ärgerlich waren für uns Kumpel auch die „Karenztage“. Erkrankte man, wurden die ersten drei Tage nicht bezahlt. Um das Geld zu erhalten musste man nach Dinslaken, wo es auf der Friedrich-Ebert-Straße einen extra Raum dafür gab. Das Verhalten mancher Angestellten dort ließ vieles zu wünschen übrig. Als ich das zum ersten Mal erlebte, dachte ich mir: „Die sechs Monate werden sehr schnell vorbei sein!“ Denn so lange ging unser Vertrag.

Aber es kam ganz anders. Ich lernte Ende 56 beim Tango ein Mädchen kennen… Der „Tanz“ dauert nun über 55 Jahre!