Eine Demonstration gegen die Partei Pro NRW ist in Solingen eskaliert. Rechtspopulisten zeigten in Sichtweite einer salafistischen Moschee Mohammed-Karikaturen. Die Salafisten warfen daraufhin mit Steinen auf Polizisten. Insgesamt seien 30 Personen festgenommen worden.
Solingen.
Es herrscht ohrenbetäubender Lärm. Ein Polizeihubschrauber steht am Dienstag mit
knatternden Rotoren über dem Zentrum von Solingen in der Luft. Etwa ein Dutzend
mit traditionellen Gewändern bekleidete Salafisten werfen mit Steinen auf
Polizisten, einige von ihnen schlagen wie von Sinnen mit Fahnenstangen auf die
Beamten ein. „Scharia für Deutschland“, schreien sie und fordern damit die
Einführung des islamistischen Rechts in der Bundesrepublik.
Der Zorn der Fundamentalisten richtet sich gegen rund 30 Anhänger der
rechtspopulistischen Partei Pro NRW, die nur 50 Meter entfernt in Sichtweite der
salafistischen Moschee stehen. „Freiheit statt Islam“ skandieren sie und
entrollen Mohammend-Karikaturen des norwegischen Zeichners Kurt Westergaard.
Zwei extreme Gesinnungen stehen sich in der bergischen Stadt gegenüber,
unversöhnlich, hasserfüllt. Ausgerechnet in Solingen.
Der Ort des Brandanschlages von 1993 ist nicht weit
entfernt
Nur anderthalb Kilometer entfernt, auf der Unteren Wernerstraße, ist
zur selben Zeit ein vielstimmiges, fröhliches Vogelgezwitscher zu hören. Es ist
ein Ort des Grauens, hier starben am 29. Mai 1993 bei einem rassistischen
Brandanschlag auf das Haus der Familie Genc zwei türkische Frauen und drei
Mädchen, das jüngste Opfer war vier Jahre alt.
Die Bilder gingen um die Welt, der rechte Terror schlug eine tiefe
Wunde in die Seele der Solinger. Das Zweifamilienhaus ist längst abgerissen,
Moos wächst auf den verbliebenen Kellerstufen. In dem verwilderten Garten wurden
auf Wunsch der Familie Genc fünf Kastanien gepflanzt, je eine für jedes der
Opfer. Ein Zeichen der Hoffnung, ein symbolischer Protest gegen das Böse.
Im Zentrum, auf dem Graf-Wilhelm-Platz, wehen zeitgleich knallrote
Gewerkschaftsfahnen, Trillerpfeifen und die Trommler der Gruppe Sambadeira aus
Wuppertal strapazieren die Ohren. Ein sogenanntes buntes Bündnis gegen Rechts
versammelt sich am Tag der Arbeit, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.
Menschen, die sonst nicht viele Gemeinsamkeiten in ihren Überzeugungen finden,
stehen am Dienstag zusammen: Unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft, die DKP, die örtliche Sparkasse und die alevitische
Kulturgemeinde. Cevapcici mit Ajvar werden verkauft, es gibt türkischen Tee und
Düsseldorfer Alt-Bier.
Sylvia Löhrmann als Rednerin auf der Maikundgebung
„Ich habe Frau Genc besucht. Wir können ihr nicht dankbar genug sein
für ihre Großzügigkeit und Friedensliebe, sie ist bewundernswert“, sagt die
stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann
(Grüne) auf der Bühne der Mai-Kundgebung. Rund 250 Menschen applaudieren. Nicht
Mindestlohn und Gehaltserhöhung sind die Themen, sondern der friedliche Kampf
gegen Rechts, der Protest gegen Extremismus und Terror über alle
gesellschaftlichen Grenzen hinweg.
Solingen ist im Ausnahmezustand. Vor der salafistischen Moschee auf
der Konrad-Adenauer-Straße wird noch geprügelt und gepöbelt. Pfefferspray liegt
in der Luft, die Polizei zählt vier Verletzte, drei Beamte und einen Passanten.
Insgesamt 30 Salafisten sind festgenommen worden. Einer von ihnen liegt noch auf
dem Asphalt, zwei Polizisten knien auf seinem Rücken. Sein Kopf ist
kahlgeschoren, der rote Bart ist lang und während der Mann weiter extremistische
Parolen brüllt, treten die Adern auf seiner Stirn hervor. „Wir wollen euch hier
nicht!“ rufen die Gegendemonstranten hinter der Absperrung und in diesem Moment
wird nicht deutlich, wer eigentlich gemeint ist: Die Rechtspopulisten von Pro NRW oder die
gewalttätigen Steinewerfer aus dem Lager der Salafisten.
Die Rechten packen ein, die Mohammed-Karikaturen liegen wieder im
Kofferraum eines Leihwagens mit Wiesbadener Kennzeichen. Die Mitglieder und
Sympathisanten von Pro NRW haben es eilig, denn ihre nächste Kundgebung beginnt
gleich, nur 13 Kilometer entfernt, vor der Diyanet-Moschee in Remscheid. Der
Polizeihubschrauber dreht ab, in Solingen kehrt langsam wieder Ruhe ein. In Remscheid, so berichtet später die Polizei, bleibt alles friedlich. (dapd)
Nazi-Gegner protestieren bundesweit gegen Demos von Rechtsextremen
Bundesweit haben Nazi-Gegner am 1. Mai gegen Aufmärsche von Rechtsextremen demonstriert. In Bonn gab es nach Polizeiangaben vom Dienstag mehrere Demonstrationen gegen einen Aufmarsch der Rechtsextremen. Die Nazi-Gegner versuchten demnach durch Sitzblockaden und eine Gleisbesetzung, eine rechte Versammlung zu verhindern. Beide Blockaden wurde allerdings von der Polizei aufgelöst. Die Situation sei „insgesamt ruhig“, sagte ein Polizeisprecher.
Im nordbayerischen Hof beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 2500 Menschen an einem Protestmarsch unter dem Motto „Hof ist bunt“. Er richtete sich gegen einen zeitgleich stattfindenden Aufmarsch von Rechtsextremen mit rund 400 Teilnehmern. Zu Zwischenfällen kam es zunächst nicht. Im brandenburgischen Wittstock stoppte die Polizei einen Aufmarsch der Rechten, nachdem sich linke Gegendemonstranten ihnen mit einer spontanen Versammlung in den Weg gestellt hatten. Die Rechtsextremen gingen schließlich zum örtlichen Bahnhof zurück, damit war die Veranstaltung beendet. (afp)