Beschäftigte mehrerer Nahverkehrsunternehmen haben in der vergangenen Woche ihre Arbeit niedergelegt, so etwa in Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Düsseldof. Der ÖPNV-Streik in NRW hat insbesondere Pendler und Schüler, aber auch viele andere Fahrgäste wieder einmal hart getroffen (>>> wir berichteten).
Dann passierte jedoch etwas Unerwartetes: Obwohl die Gewerkschaft Verdi von ihren Mitgliedern einen Freibrief für einen unbefristeten ÖPNV-Streik in NRW hatte, willigte sie am 16. April in ein Schlichtungsverfahren ein. Damit sind Streiks vorerst ausgeschlossen. Neben mehr Geld will Verdi zusätzliche Entlastungstage für die Fahrer von Bussen und Bahnen durchsetzen. Dadurch soll der Beruf attraktiver werden.
ÖPNV-Streik in NRW: Verdi fordert mehr Entlastungstage
Mehr Entlastungstage – das heißt aber zugleich, dass noch mehr Mitarbeiter fehlen als ohnehin schon. In der Branche mangelt es längst an allen Ecken und Enden an Personal. Diese Situation wird sich in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen, wie Experten jetzt vorhersagen. Blasen die Gewerkschafter also künftig immer lauter zum ÖPNV-Streik in NRW, um ihrem Frust über die ständige Überlastung Luft zu machen?
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Fakt ist: Vier von zehn Bus- und Straßenbahnfahrern in Deutschland sind älter als 55 und gehen in den nächsten Jahren in Rente. Das geht aus einer aktuellen Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor. „Mehr als 54.500 Bus- und Straßenbahnfahrer verlassen in absehbarer Zeit den Arbeitsmarkt. In keinem anderen Berufsfeld ist der Anteil der Beschäftigten, die kurz vor dem Ruhestand stehen, so groß“, sagt Studienautor Jurek Tiedemann.
Rheinbahn: Jeder dritte Fahrer kurz vor der Rente
Schon jetzt bekommen auch Fahrgäste den Mangel an Personal zu spüren, und zwar nicht nur, wenn gerade ein ÖPNV-Streik in NRW ansteht. Bundesweit hat zuletzt jedes zweite Unternehmen angegeben, „aus personellen Gründen den Fahrplan zumindest zeitweilig eingeschränkt zu haben“, erklärte der Vorsitzende des Verbandsausschusses für Personalwesen, Harald Kraus, der Deutschen Presse-Agentur.
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Die Verkehrsunternehmen zögen bei der Personalsuche schon jetzt „alle Register“, so Kraus. „Etwa damit, dass Quereinsteigern, Geflüchteten oder dem Nachwuchs ein leichterer Einstieg ermöglicht wird.“ Die Branche versuche zudem, mehr Frauen für die Berufe zu gewinnen.
Für Verkehrswende fehlen bundesweit 110.000 Beschäftigte
Verkehrsunternehmen wie die Rheinbahn kennen das Nachwuchsproblem gut. In dem Düsseldorfer Unternehmen (3.500 Beschäftigte) geht in den nächsten Jahren jeder dritte Fahrdienst-Mitarbeiter in Rente. „Gerade für Quereinsteigende ist dies eine attraktive berufliche Perspektive. Durch unsere Fahrausbildung können wir in drei bis sechs Monaten Menschen dazu befähigen, einen gesellschaftlich anerkannten Beruf zu erlernen und eine verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen“, sagte Vorstandssprecherin Annette Grabbe.
Als Anreiz bietet die Rheinbahn einen unbefristeten Arbeitsvertrag, zahlt schon während der Fahrausbildung das volle Gehalt und übernimmt bei der Busausbildung auch die Kosten für den Führerschein. Nach Angaben des Unternehmens gibt es aktuell etwa 100 Menschen, die 67 oder älter sind und als Mini-Jobber Rheinbahn-Busse oder -Bahnen lenken. Auch die Essener Ruhrbahn bemüht sich darum, Mitarbeiter länger im Beruf zu halten.
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Laut einer Umfrage des VDV müssten bis zu 8000 Fahrer eingestellt werden, nur um das altersbedingte Ausscheiden von Mitarbeitern auszugleichen. Für eine echte Verkehrswende müssen bundesweit bis 2030 noch einmal 110.000 Beschäftigte „on top“ eingestellt werden. Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt läuft erst einmal das Schlichtungsverfahren. Scheitert es, droht ein unbefristeter ÖPNV-Streik in NRW. (mit dpa)