Naturschützer warnen vor einem „neuartigen Insektensterben“. Forscher stellen im Verlauf der Jahre an manchen Standorten bis zu 80% Rückgang fest.
An Rhein und Ruhr.
Die Falle ist eine Art Luftreuse. Insektenkundler vom Entomologischen Verein Krefeld bauen sie auf, nach einiger Zeit schauen sie nach, was da so drin ist – Mücken, Schwebfliegen, Bienen, Käfer & Co. Seit vielen Jahren schon sind die Krefelder Fachleute mit der immer gleichen Fangmethode im Rheinland und anderswo unterwegs, teils an den gleichen Standorten. „Zugenommen hat die Menge der gefangenen Fluginsekten nirgendwo“, berichtet einer aus dem Verein. Im Gegenteil: Die Fachleute haben in den letzten 10 bis 15 Jahren mitunter dramatische Rückgänge festgestellt, an manchen Standorten wurden 70 – 80% weniger Insekten gefangen.
ThyssenGut, man muss Mücken nicht mögen. Käfer sind auch nicht für jeden cool. Umweltschützer aber zeigen sich besorgt, sie sprechen von einem „neuartigen Insektensterben“. „Es ist deshalb so dramatisch, weil Insekten vielfach am Beginn der Nahrungskette stehen“, sagt Josef Tumbrick, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu). Für Vögel etwa bildet das Kleingetier eine wichtige, eiweißhaltige Nahrungsquelle, vor allem bei der Jungenaufzucht. Ein Rückgang der Insekten könnte somit möglicherweise den Rückgang von z. B. Feldlerchen (mit-)erklären, er hätte sicher auch Folgen für Schwalben oder Mauersegler.
Nabu fordert landesweites Monitoring
Im Schutzgebiet „Orbroicher Bruch“ im Krefelder Norden etwa haben die Entomologen an ihrem Standort einen Rückgang von mehr als 75% bei den Fluginsekten festgestellt. Sehr deutlich sollen die Rückgänge auch an Standorten im Rhein-Sieg-Kreis und im Bergischen Land sein. Am Niederrhein haben die Insektenforscher auch Punkte z. B. auf der Bislicher Insel bei Xanten oder den „Kaninchenbergen bei Friedrichsfeld untersucht. Nabu-Chef Tumbrinck fordert, dass die Landesregierung kurzfristig ein flächendeckendes Monitoring einrichtet. Die Ursachen des Insektensterbens müssten aufgeklärt werden. In Verdacht hat man beim Nabu die Intensiv- Landwirtschaft, aber auch den Verkehr. Ebenfalls ein Problem: die Zersiedlung der Landschaft und die „Insellage“ vieler Naturschutzgebiete. Die Tiere kommen nicht von einem Gebiet zum nächsten.
InsektensticheAlarmiert sind die Naturschützer, weil sich die unlängst auf der Nabu-Vertreterversammlung im westfälischen Ahlen vorgestellten Untersuchungsergebnisse der Insektenkundler stark mit den Alltags-Erfahrungen der Verbandsleute decken. Beim Nabu gibt es zum Beispiel eine sehr rege Truppe, die Falter kartiert. Auch deren Mitglieder berichten von starken Rückgängen. „Man ist froh, wenn man heutzutage noch ein Tagpfauenauge sieht“, sagt Nabu-Sprecherin Birgit Königs. Dabei galten Tagpfauenaugen in hiesigen Breiten mal als Allerweltsschmetterlinge. . .
Klimawandel begünstigt wärmeliebende Arten
Der Rückgang solch’ vertrauter Arten werde von vielen Bürgern als Verlust wahrgenommen. „Insekten benötigen eine arten- und blütenreiche Kulturlandschaft“, erklärt die Nabusprecherin. Jeder Garten- und Balkonbesitzer könne etwas zum Erhalt der Insektenwelt beitragen – schon allein dadurch, dass er in seinem „kleinen Reich“ auf Pestizide verzichte.
Wespen halten Mücken und Fliegen in Schach
Als Nisthilfen, so Königs weiter, seien auch die in Gartenmärkten erhältlichen Insektenhotels eine gute Sache: „Sie bringen aber nichts, wenn im Garten sonst nur Thuja-Hecken und Einheitsgrün stehen hat. Nabu-Sprecherin Königs empfiehlt eine abwechslungsreiche, naturnahe Gestaltung mit Hecken und Stauden. Thymian etwa, so Königs, mögen Insekten gerne, ebenso Lavendel.
Sorge, dass das Kleingetier die alleinige Herrschaft über den Garten übernimmt, dass man sich als Mensch dort an warmen Sommertagen nicht mehr ungestochen oder unumschwirrt aufhalten kann – diese Sorge müssen man nicht haben, sagt Königs, wenn man denn auch Wespen oder Spinnen zulasse: „Die halten dann Mücken und Fliegen in Schach“, erklärt die Nabus-Sprecherin.