Die Stadt Bad Salzuflen soll Cannabis anbauen, verarbeiten und verkaufen. Zumindest hat ein Gymnasiast einen entsprechenden Antrag bei der Verwaltung des lippischen Kurorts eingereicht. Die Überraschung: Der Hauptausschuss lehnt die Idee nicht grundsätzlich ab.
Bad Salzuflen, ein gemütlicher Kurort im Kreis Lippe. Historische Innenstadt, 50.000 Einwohner, viele Senioren auf den Straßen. Das Durchschnittsalter liegt deutlich über dem NRW-Schnitt.
Aber das beschauliche Städtchen könnte zum Vorbild einer neuen Jugendkultur werden: Piraten-Aktivist Daniel Rau (16) hat bei der Stadt einen Bürgerantrag auf kontrollierte Cannabis-Vergabe gestellt — und der Hauptausschuss hat am Mittwoch zugestimmt, sich mit der Idee zu befassen. Ein klares Nein sieht anders aus.
Die Idee des Gymnasiasten: Ein „Cannabis Social Club“ soll legal Marihuana an Erwachsene ausgeben. Anbau, Ernte und Verarbeitung soll durch die Club-Mitglieder geschehen, heißt es im Antrag. Es soll auch nicht gesundheitsschädlich geraucht werden: Daniel Rau schlägt stattdessen Vaporizer vor, also Zerstäuber auf Basis von Wasserdampf.
„Kurkliniken könnten Therapien mit THC durchführen“
Er selbst habe übrigens noch nie Cannabis probiert, gestand der 16-Jährige der Lippischen Landes-Zeitung.
Auf Facebook begründet Rau seine Petition damit, dass ein Cannabis-Verbot die Qualitätskontrolle verhindere — zudem sei das Ziel gescheitert, dadurch die Nachfrage einzudämmen. Klingt alles wie beim Projekt „Coffee Shop“ in Berlin. „Für die Gesellschaft bedeutet das Verbot mehr Kriminalität und hohe Kosten bei Polizei und Justiz.“ Auch medizinisch sei das Verbot nicht zu rechtfertigen. Hier kommt wieder der Kurort ins Spiel: „In Bad Salzuflen könnten die Kliniken Therapien mit THC durchführen, was die Attraktivität der Stadt erhöhen würde.“
Als der Hauptausschuss schließlich am Mittwoch tagte, waren die Zuschauerbänken voll. Vor allem junge Bad Salzufleraner wollten wissen, wie die Politiker entscheiden. Mit dem Hauch von Hoffnung, der am Ende der Sitzung stand, hatten die meisten nicht gerechnet. Selbst Antragsteller Daniel Rau war skeptisch gewesen: „Wird zu 99 Prozent abgelehnt“, schrieb er.
Stadt kann Betäubungsmittel-Gesetz nicht aushebeln
Aber der „Hoffnungshauch“ ist in der Tat winzig. Der Ausschuss hat den Antrag zwar nicht glattweg abgelehnt, aber an den Sozialausschuss weitergereicht. Der tagt am 30. April. Womöglich ein Spiel auf Zeit — kurz vor der Kommunalwahl im Mai.
Die Chancen auf eine lokale Legalisierung stehen schlecht: Es fehlt die rechtliche Grundlage. Der Handel mit Drogen ist in Deutschland verboten. Auch eine Stadtverwaltung kann das Gesetz nicht aushebeln, ganz egal wie man es nennt — „Coffee Shop“ wie in Berlin oder „Cannabis Social Club“ wie in Bad Salzuflen.
Antrag bezieht sich Ausnahmeklausel im Gesetz
Es gibt allerdings eine Ausnahmeklausel, auf die sich Berliner wie Bad Salzufleraner beziehen: „Eine Erlaubnis für […] Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen“, heißt es in §3 des BtMG. Ob die Stadt aber eine Ausnahme beantragt ist mehr als fraglich.
Stadtsprecherin Peggy Gajewi: „Für die Verwaltung ist das nicht diskutabel.“ Es werde wohl auf eine Informationsveranstaltung hinauslaufen. Denn das ist ja auch Teil des Antrags: „Die Stadt möge gemeinsam mit Bürgern einen Runden Tisch zum Thema verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis auf kommunaler Ebene einberufen.“