Veröffentlicht inRegion

Heimat geht durch den Magen

Heimat geht durch den Magen

116265517-1972.jpg
Foto: Volker Hartmann
Wie is(s)t Nordrhein-Westfalen? Regional, schnörkellos, lecker. Ein kurzer Streifzug durch die Küche des Landes.

An Rhein und Ruhr. 

Ein Bundesland und seine Küche. In diesem Fall: Nordrhein-Westfalen. Was fällt einem da ein? Vieles. Leckeres. Viel Leckeres. Aachener Printen. Rheinischer Sauerbraten. Düsseldorfer Senf. Spargel vom Niederrhein. Flönz. Himmel un Ääd. Pumpernickel. Pfefferpotthast. Die Bergische Kaffeetafel. Und dann noch die Flüssignahrung: Bier aus dem Ruhrpott, aus Düsseldorf, aus Köln. Hochprozentiges aus dem Münsterland oder dem Bergischen.

Wenn man Frank Schwarz auf die nordrhein-westfälische Küche anspricht, dann erzählt er von dicken Bohnen in Mehlschwitze, Frikadellen, Stielmus und dicker Rippe, vom Falschen Hasen und von Mettbrötchen, die im Ofen überbacken werden. Mettbrötchen aus dem Ofen – das schmeckt? „Das ist der Hammer“, schwärmt Schwarz.

Schwarz ist Jahrgang 1965 und Duisburger, und damit genau dort aufgewachsen, wo sich Ruhrgebiet und Niederrhein treffen. Die dicken Bohnen, die Rippchen und das Stielmus sind die Gerichte seiner Kinderzeit. Heimatküche ist eben auch der Geschmack und der Geruch der Kindheit.

Fleisch nur einmal in der Woche

Aus heutiger Sicht klingt da vieles doch sehr fleischhaltig und sehr kalorienreich. Stimmt beides, sagt Schwarz. „Obwohl es bei uns zu Hause nur einmal in der Woche Fleisch gab. Fleisch war damals in vielen Familien schon etwas Besonderes.“ Das Nahrhafte dieser Gerichte ist natürlich auch den traditionell körperlich harten Arbeitsanforderungen früherer Zeit geschuldet – am Niederrhein und im Westfälischen auf den Feldern, im Ruhrgebiet in der Industrie. „Da hat sich in der Zwischenzeit in der Zubereitung doch einiges geändert!“

Bei allen regionalen Unterschieden – gibt es einen gemeinsamen Nenner in der Küche Nordrhein-Westfalens? „Keine Spirenzchen, kein Schnickschnack“, sagt Schwarz: „Was man auf dem Teller sieht, ist auch im Gericht drin.“ Man kann es auch andersherum sagen: Was drin ist, sieht man auch auf dem Teller.

Schwarz selbst verquickt heute übrigens regionale Verbundenheit mit internationaler Ausrichtung. Der 51-Jährige ist Gastronom und Chef eines Cateringunternehmens nebst Kochschule mit mehr als 80 Mitarbeitern.

Schwarz und seine Mitarbeiter haben schon die Gäste des Grimme-Preises in Marl, die Sportler der World Games und der Kanu-WM in Duisburg oder die Gäste einer der weltweit größten Immobilienmessen, der „Mipim“ im südfranzösischen Cannes, kulinarisch versorgt. Mit Canapés, mit Pasta, mit Fisch und einigem mehr. Aber Schwarz hat an der Cote d’Azur auch schon Stielmus und Möhreneintopf mit Frikadellen serviert. Wie die Franzosen das finden? „Sie sind begeistert.“

Für uns bereitet Frank Schwarz an diesem Mittag übrigens einen regionalen Klassiker zu: Endivien untereinander mit gebratener Blutwurst. Endivienblätter klein schneiden, Kartoffeln kochen und stampfen, Speck und Zwiebeln anbraten. Alles im Topf mischen und durchrühren. Frank Schwarz gibt noch die Schnitze eines Apfels dazu und Essig für den Geschmack. Blutwurst in Scheiben schneiden und kurz von beiden Seiten anbraten. Für die Verfeinerung sorgen ein paar Spritzer Rübenkraut. Fertig! „Super einfach, super lecker“, sagt Schwarz. Stimmt!

Mediterraner Einschlag

Wenn Nordrhein-Westfalen jetzt seinen 70. Geburtstag feiere, dann müsse man zugleich auch daran denken, dass unser kulinarisches Spektrum und unser Geschmack seit mehr als 50 Jahren auch durch die Küchen der ehemaligen Gastarbeiter aus der Türkei, aus Griechenland, Italien und Spanien beeinflusst worden sei. Stichwort: mediterraner Einschlag, Sie haben den Speiseplan bereichert, vermischt hätten sich die unterschiedlichen regionalen Küchen allerdings eher nicht – auch wenn Schwarz den Tipp gibt, Frikadellen mal mit Lammhack zuzubereiten: „Köstlich.“

Bei allem gegenwärtigen Kult um Sterneköche, Fernsehköche und Talentwettbewerbe am Herd – eines darf man auch nicht vergessen: Das erste wegweisende und Generationen prägende Kochbuch wurde schon vor 170 Jahren verfasst. Erstauflage: 1000 Exemplare. Schnell ging es aufwärts, in späteren Auflagen wurden bis zu 40 000 Stück gedruckt. Es war ein Renner und wurde zu einem Klassiker. Der Titel: „Praktisches Kochbuch“. Der Autor: Eine ebenso kluge wie resolute Frau aus Westfalen. Sie hieß Henriette Davidis. Wenn man so will: die erste Starköchin Deutschlands. Eine Frau von hier.