Wohncontainer, die als Unterkunft für Saisonarbeiter dienten, dürfen nun nicht für Flüchtlinge eingesetzt werden. Bauamt beanstandet den Rettungsweg.
Sendenhorst / Warendorf.
Es klingt wie eine Posse aus dem Münsterland: Wohncontainer, die im Sommer noch Monate lang als Unterkunft für Saisonarbeiter beim Spargelstechen und Erdbeerpfücken dienten, dürfen im Winter nicht mehr Herberge für Flüchtlinge eingesetzt werden.
Dieser Meinung ist zumindestens das Bauamt des Kreises Warendorf. Es hat der Stadt Sendenhorst jetzt untersagt, weiterhin Asylbewerber in den angemieteten Containern unterzubringen, wenn nicht die vorhandenen Fenster baulich so verändert werden, dass „ein zweiter Rettungsweg zur Verfügung steht“.
Als dauerhaftes Quartier für Flüchtlinge nicht sicher?
Der Kreis beruft sich bei seiner Anweisung auf die Bauordnung NRW, nach der „Rettungswegfenster“ in der Regel 0,90 mal 1.20 Meter groß sein müssen. Die Fenster in den Sendenhorster Wohncontainern, die übrigens seit November 2015 mit Asyl suchenden Männern belegt sind, haben sogar das Maß 1,10 mal 1,60 Meter. Der Haken: Diese Fenster sind durch eine Mittelstrebe geteilt. Und genau diese Strebe ist dem Sachbearbeiter des Kreises Warendorf ein Dorn im Auge.
Nach Auffassung des Kreises reiche diese Fenstergröße zwar als zweiter Rettungsweg aus, wenn in den Wohncontainern Baustellen- oder Saisonarbeiter untergebracht sind, aber nicht, wenn die Container als dauerhaftes Quartier für Flüchtlinge dienen.
„Darum sollen wir jetzt die Mittelstreben beseitigen und aus dem jetzt doppelflügeligen Fenster ein einflügeliges Fenster machen“, erklärt der Sendenhorster Bürgermeister Berthold Streffing. Die Kosten: 10.500 Euro. Doch damit nicht genug. Da die Container nur gemietet sind, müssen sie bei ihrer Rückgabe wieder in den jetzigen Zustand versetzt werden. Wiederum ein zusätzlicher Kostenfaktor von etwa 2.500 Euro.
Brandschutz-Ingenieur: „Total überzogen“
„Das ist total überzogen und weggeschmissenes Geld“, kommentiert Brandschutz-Ingenieur Reinhard Seebröcker die Forderung des Kreises Warendorf. Der Sendenhorster hat fast 14 Jahre bei der Stadt Neuss im vorbeugenden Brandschutz gearbeitet, aber so etwas sei ihm noch nicht passiert.
Gerade bei ebenerdigen Bauten, wie bei den Sendenhorster Flüchtlingscontainern, sei es selbst bei der bestehenden Fenstergröße kein Problem für die Bewohner, im Falle eines Brandes den Raum durch das Fenster zu verlassen. Ebenso könnten Feuerwehrleute im Einsatzfall durch die Fenster in den Container einsteigen.
„Zudem“, so ergänzt sein Feuerwehrmann Michael Jaspert, „ist laut Paragraph 17 Absatz 3 Bauordnung NRW ‚Ein zweiter Rettungsweg nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen sicher erreichbaren Treppenraum möglich ist, in den Feuer und Qualm nicht eindringen können‘.“ Da die Flüchtlinge in jedem Container über die Tür direkt ins Freie gehen können – also geschützt vor Feuer und Qualm wären – sei die Forderung nach einem zweiten Fluchtweg sehr zweifelhaft.
„Warum“, so fragen die Brandschutzexperten und der Sendenhorster Bürgermeister, „entsprechen die Container allen Vorschriften, wenn dort Monate lang Saisonarbeiter untergebracht sind und warum verlieren sie diese Eignung, wenn in ihnen Flüchtlinge wohnen?“
Kreis: „Zuwiderhandeln ist unverantwortlich“
Diese Frage beantwortet der Kreis in seiner Stellungnahme nicht. Der Pressesprecher des Kreises, Daniel Höing, entgegnet vielmehr: „Flüchtlinge haben ein Recht auf Sicherheit. Der indirekte Vorwurf, man habe hier im übertriebenen Maße gehandelt, ist haltlos.“ Denn nach einem Erlass des Landes NRW vom 22. September 2015 müsse ein Fenster als zweiter Rettungsweg ein Mindestmaß von 0,90 mal 1,20 Meter aufweisen: „Der Erlass ist sowohl für den Kreis Warendorf als auch die Stadt Sendenhorst bindend. Diese Brandschutzanforderungen tragen zum Schutz der Flüchtlinge bei. Ein Zuwiderhandeln ist unverantwortlich.“ Die Stadt Sendenhorst habe sich trotz der Mitteilung für die Anschaffung der Container mit den nicht zulässigen Fensterabmessungen entschieden. Daniel Höing: „Daher ist es mehr als unverständlich, den schwarzen Peter jetzt beim Kreisbauamt zu suchen.“