Köln.
Mit den Worten: „Wie heißt es so schön? Bis dass der Tod uns scheidet. Und das mache ich jetzt“ soll ein 43 Jahre alter Mann aus Brühl seine Frau (41) mit Spiritus bespritzt und mit einem Feuerzeug angesteckt haben, führt die Staatsanwältin aus. Bei der Tat am Nachmittag des 27. Oktober 2013, einem Sonntag, fingen beide Partner im Obergeschoss des gemeinsamen Hauses Feuer und überlebten nur knapp. Gestern begann vor dem Landgericht Köln der Prozess gegen den gelernten Dachdecker, der nicht wollte, dass seine Frau ihn verlässt. Die Anklage lautet auf versuchten Mord aus Heimtücke, doch im Zentrum der Verhandlung steht ein jahrelanges Beziehungsdrama, in dem beide Parteien sich das Leben zur Qual machten.
Sowohl der Angeklagte Gerd K. als auch seine (Noch)-Ehefrau werden aussagen an diesem ersten von fünf Verhandlungstagen. Die Versionen jenes Sonntags, aber auch die der unglücklichen Ehe decken sich nur an Schnittstellen, ansonsten gehen sie grundlegend auseinander.
Der Angeklagte, so wie er den Saal betritt, ist ein Bild des Jammers. Seine graue Gesichtsfarbe verschwimmt mit dem Grau seines T-Shirts, seine Arme stecken bis zu den Fingerspitzen in Stützbandagen, am Hals, auf dem Kopf, im Gesicht sind schwere Brandnarben zu sehen. Gerd K. schwebte nach der Tat in Lebensgefahr, und genau das wollte er auch, sagte er gestern, nämlich sich das Leben nehmen: „Um meiner Frau und ihrem Freund nicht im Wege zu stehen“.
Deshalb, so seine Version, habe er nach einer erneuten schlaflosen Nacht unten auf dem Sofa und vielen Grübeleien seine Frau in ihrem Zimmer aufgesucht, ihr einen Lappen in den Mund gesteckt, damit sie „keine Hilfe ruft“, sie aufs Bett geworfen, sich aber mit dem Reinigungsbenzin übersprüht und selbst angesteckt: „Sie sollte schon zusehen.“ Vom Schmerz sei er ohnmächtig geworden. Von den Verletzungen seiner Frau habe er nichts mitbekommen. Töten wollte er sie nicht!
Eine unendliche Kette an Streitigkeiten sei dem vorausgegangen, das gibt er zu. 20 Jahre war das Paar zusammen, 1994 wird die Tochter geboren, danach, 1998, wird geheiratet. Doch stets habe es Auseinandersetzungen gegeben. So sei seine Frau eifersüchtig gewesen, auch auf die Tochter, im Haushalt habe sie wenig getan und sich auch noch beschwert. Er habe unentwegt gearbeitet, bis hin zu zwei Bandscheibenvorfällen, die ihn schließlich in eine Umschulung gezwungen haben. Ein ganzes Haus hat er abbezahlt, was ihm jetzt nicht mal gehöre. Ja, gibt er auf Nachfrage der Richterin zu, es habe auch Stress wegen des Geldes gegeben, ja, auch hätte er in der Spielhalle ein „paar Hundert Euro“ verzockt. Und ja, im Zorn habe er auch mal „zugelangt“, ja, dabei sei auch seiner Frau das Trommelfell geplatzt, aber sie habe ihn schließlich vorher mit dem Messer bedroht…
Hasserfüllt, unerbittlichund handgreiflich
Sie hätten sich anfangs sehr geliebt, sagt Edith K. unter Tränen. Sie ist eine hübsche Frau mit dunkler Ponyfrisur, die Brandnarben an Arm, Rücken und Brust sind unter ihrer Kleidung verborgen. Sie mag ihn vor Gericht nicht ansehen, und wenn sie ihm doch einen Blick zuwirft, so weinen gleich beide. Wo sie denn die Ursache der dauernden Streitigkeiten sehen würde, fragt die Richterin: „Geld“, sagt sie. „Geld und nochmal Geld, wegen seiner Spielsucht. Das ist schlimmer als Alkohol.“
Manchmal hätten sie nicht genug Geld gehabt, um am Monatsende noch was zu essen zu kaufen. Darüber, so schildert sie, sei man im Laufe der zermürbenden Jahre schließlich auch bei Kleinigkeiten in Streit geraten, hasserfüllt, unerbittlich, handgreiflich. „Er hatte Feuer in den Augen, wenn er mit mir stritt“, schildert sie. „Und danach haben wir alles unter den Teppich gekehrt und geschwiegen.“
Bereits 2005 habe sie eine Anwältin aufgesucht, dann die Trennung wieder verworfen. Später macht Gerd K. eine Therapie gegen Spielsucht: „Er wurde viel netter, es half, aber da war ich schon fertig mit der Sache.“ Trotzdem bleibt sie, pocht auf räumliche Trennung, lernt andere Männer kennen und stellt fest, er hat wieder gespielt, 3000 Euro verloren. Sie will, dass er geht, endgültig: „Wir sind nicht gut füreinander, wir schaffen es zusammen nicht“, habe sie gesagt.
Die letzten Tage vor der Tat sind wohl die Hölle, einmal ruft sie aus Angst die Polizei, er droht mit Selbstmord, schluckt vor ihren Augen Nadeln der giftigen Eibe aus dem Garten, sie – angeblich – sagt: „Mach doch, du Feigling“. Nichts und niemand kann sie halten. Er klammert.
Gerd K. ist mit acht Geschwistern groß geworden, ruppig ging es zu, wenn der Vater zu viel trank und irgendwo hinlangte. Gerd K.s eigene Ehe, auch zerrüttet, ist das Gerüst seines Lebens. Eine Trennung, gibt die Richterin zu bedenken, hätte doch eine Alternative sein können, endlich in Frieden sein eigenes Ding machen zu können… „Aber was wäre ich ohne meine Familie?“ antwortet Gerd K.: „Nichts!“