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Pendlerhorror im Ruhrgebiet: Warum die Bahn für Tausende Menschen zu einem ernsthaften Problem wird

Pendlerhorror im Ruhrgebiet: Warum die Bahn für Tausende Menschen zu einem ernsthaften Problem wird

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Foto: dpa

Essen. 

Ich bin Nichtraucher. Und schlank. Trotzdem halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass mein Hausarzt bald Bluthochdruck bei mir diagnostiziert.

Denn ich bin Pendler.

Schon wenn ich den Satz „Verzögerungen im Betriebsablauf“ denke, beschleunigt sich mein Puls, meine Pupillen weiten sich und meine Hand ballt sich zur Faust.

Stellwerkstörung bei der Bahn: Manchmal träume ich von ihr

Manchmal träume ich, wie ich am Gleis stehe, über mir eine riesige blinkende Anzeigetafel. Und eine Frauenstimme ertönt aus einem Lautsprecher: „Verspätung auf unbestimmte Zeit. Wir entschuldigen uns für any inconvenience. MUAHAHAHAHA.“ Schweißgebadet wache ich dann auf und rufe panisch: „Stellwerkstörung!“

Bahnfahren ist oft eher Trauma als Fortbewegung. Ich weiß das, denn ich fahre täglich mit der Bahn von Düsseldorf nach Essen. Seit Jahren.

Strecke zwischen Duisburg und Essen gesperrt – mal wieder

Monat für Monat zahle ich der Bahn eine nicht unerhebliche Summe Geld – und die Ticketpreise werden bald wieder erhöht. Um immerhin 1,9 Prozent. Ich zahle dafür, dass mich die Bahn pünktlich von A nach B bringt. Das macht sie nicht so oft. Allein in den letzten Monaten hat mich die Bahn sehr häufig von A nach C und von dort nach D gebracht. Wochenlang war die Strecke zwischen Duisburg und Essen gesperrt. Mal wieder. „Baumaßnahmen“ waren der Grund, wie mir der dämlich grinsende Maulwurf mit seinem dämlichen gelben Bauarbeiterhelm erklärt.

Wie mir dieses blöde Vieh da auch noch hämisch zuwinkt von seinem Plakat aus. Ich möchte es am liebsten … ICH MÖCHTE … ruhigbleiben. Durchatmen. Der Maulwurf kann ja nichts dafür.

RE1 fällt aus, RE6 hat Verspätung

Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich am Bahnhof extra an einem Bahnmitarbeiter vorbeilaufe und „Verdammte Bahn … dammte … Schße“ vor mich hinzischle, weil der RE1 wieder ausfällt, der RE2 25 Minuten später kommt und es am RE6 einen Schaden am Zug gibt. Natürlich ist das unfair, denn der Bahnmitarbeiter kann wirklich nichts dafür, er ist auch nur ein Schwungrad im Getriebe der Bahn – ein Getriebe, das derart quietscht und ächzt, dass man schon beinahe mitleidig auf eine Abwrackprämie für die Bahn hofft.

Ich hab es notiert, weil ich es wissen wollte: Es gab im letzten halben Jahr nicht eine einzige Woche, in der einfach mal alles glatt gelaufen wäre auf meinem Weg nach Essen und zurück. Über Wochen gab es nicht mal einen einzigen Tag.

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Und dann gibt es ja noch dieses Klassenbewusstsein bei der Bahn. Wenn wieder sämtliche Bahnen ausgefallen sind, ist die letzte Hoffnung: Der ICE auf dem Gleis gegenüber. Manchmal wage ich es und frage einen Zugbegleiter: „Mein Zug fällt aus, ist der ICE für den Nahverkehr freigegeben?“

Der Zugbegleiter in seiner schicken Uniform mustert mich und ich bin mir fast sicher, dass er einen Monokel trägt, den er zurechtrückt, bevor er schlicht antwortet: „Nein.“ Dann schließt sich die ICE-Tür mit einem eleganten „Zisch“ langsam vor meiner Nase.

Ein echtes Problem für Pendler

Tatsächlich entwickelt sich das Elend allmählich zu einem echten Problem. Für zehntausende Pendler in unserer Region. 2017 sind 140.000 Züge ausgefallen, 20.000 mehr als im Jahr davor. Stellwerkstörungen haben erst in der vergangenen Woche für Bahnchaos im westlichen NRW gesorgt. Und immer noch gibt es etliche S-Bahnhöfe, die Rollstuhlfahrer einfach nicht nutzen können – denn trotz angekündigter Umbauten gibt es nur wn wenigen Stationen Aufzüge.

Jahrelang hat die Bahn es versäumt, Züge zu erneuern, ihre Strecken vernünftig zu warten, Bahnhöfe zu modernisieren. Der Duisburger Hauptbahnhof etwa sieht so aus, als würde er gerade noch so von ein paar Klebestreifen zusammengehalten.

Der schnelle Gewinn hatte spätestens seit der Teilprivatisierung des Unternehmens offenkundig viel mehr Priorität, als der Auftrag: Menschen zu befördern.

Autobahnen sind eine einzige Baustelle

Zugleich sind gefühlt sämtliche Autobahnen in NRW plötzlich eine einzige riesige Baustelle. Natürlich: Die Straßen müssen erneuert werden, marode Brücken instandgesetzt. Aber alles gleichzeitig? Für viele Strecken müssen Pendler inzwischen beinahe doppelt so viel Zeit einrechnen, wie sie ehemals gewohnt waren.

Der Umstieg vom Auto auf eine alternative Beförderungsmöglichkeit wäre ein guter Schritt. Aber die Bahn bietet diese Alternative nur unzureichend.

In einer Region, die zu großen Teilen ein riesiger städtischer Ballungsraum ist, ist eine funktionierende Verkehrinfrastruktur nicht nur wirtschaftlich elementar, sondern auch für die Lebensqualität der Menschen.

Ich glaube, ich gehe die 40 Kilometer künftig einfach zu Fuß. Ist auch gut für den Blutdruck.

Dieser Text erschien erstmals im November 2018 auf DER WESTEN