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Der Kampf um Mayas sichere Zukunft

Der Kampf um Mayas sichere Zukunft

Arnsberg. 

Ein Tag der Trauer und des unermesslichen Schmerzes. Vor zwei Jahren stürzte auf einer Wiese zwischen Wickede (Ruhr) und Fröndenberg ein Kleinflugzeug auf dem Weg zum Flugplatz Echthausen ab. Der Pilot, zwei Frauen und zwei Kinder starben. Drei Kinder überlebten den Unfall, der bis heute noch nicht abschließend durch die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung aufgeklärt wurde. Das juristische Nachspiel aber hat begonnen. Hinterbliebene der verstorbenen Passagiere gehen jetzt vor Gericht.

„Niemand will die Verantwortung übernehmen“, sagt der Arnsberger Steinbruch-Unternehmer Thomas Ebel. Er verlor bei dem Absturz seine Frau Tanja (34), seinen fünfjährigen Sohn Justus, seine Mutter Liesel (72) und den 15-jährigen Neffen Moritz. Sein heute sechsjähriger Sohn Conrad, Tochter Maya und seine Nichte Samy überlebten. „Dass Maya noch lebt, ist ein Wunder“, sagt Thomas Ebel. Das heute dreijährige Mädchen erlitt massive Hirnschädigungen. Ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades machte mehrere Operationen nötig. Eine künstliche Schädelplatte wurde eingesetzt. „Maya ist ein fröhliches Mädchen“, erzählt der Vater. Doch es trägt die Folgen der Tragödie. Lähmungserscheinungen sind geblieben. „Sie kann laufen, aber nicht perfekt“, so der Vater. Das Kind besucht mithilfe einer Integrationskraft einen Regelkindergarten. Die sprachliche Entwicklung sei gut. Es bleiben aber Einschränkungen, die ein auf 80 Prozent ausgestellter Schwerbehindertenausweis nur schwerlich ausdrücken kann.

Maya ist es, für die Thomas Ebel in erster Linie vor Gericht streiten will. „Wir wissen doch nicht, was kommt“, sagt er. Mediziner meinen, dass erst nach der Pubertät absehbar sei, welche körperlichen Folgen bleiben. Es bestünde das Risiko posttraumatischer Epilepsie. Die Familie wünscht sich ein Grundsatzurteil, das einen Verantwortlichen ausmacht, der im Fall dauerhafter Pflege- und Behandlungskosten aufkommt. Und für die Kosten des Lebens als behinderter Mensch.

„Das Schönste wäre natürlich, wenn wir erst gar kein Geld benötigen würden“, sagt Ebel, „ich brauche keine einmalige Abfindung, sondern ein grundsätzliches Urteil.“ Es geht ihm um eine Versicherung: Die Versorgung der Tochter soll zeitlebens gesichert sein, falls sich dramatische Unfallfolgen einstellen sollten. Auf einen Vergleich will sich Thomas Ebel daher nicht einlassen. Der brächte möglicherweise jetzt Geld, aber keine Sicherheit für eine heute nicht absehbare Zukunft seines Kindes. Für das juristische Vorgehen sehen Thomas Ebel und sein Anwalt derzeit nur einen greifbaren Ansprechpartner: den Sohn und Erben des beim Unglück ebenfalls verstorbenen Piloten. Der Neheimer selbst verlor seinen Vater, er selbst ist also ein Hinterbliebener – und er selbst ist ein junger Mann, der jetzt als Vollwaise mit seiner Trauer umzugehen lernen muss.

Bestattungskosten fürdie verunglückte Mutter

Das Problem und das Verzwickte an der Situation: „Ich weiß, dass ihn moralisch keine Schuld trifft“, betont Thomas Ebel. Darum aber geht es nicht: Thema ist die juristische Haftung und Verantwortung. In einem ersten Prozess war es bereits um die Bestattungskosten der bei dem spontan vereinbarten Rückflug aus dem Sommerurlaub auf Langeoog mitverunglückten 72-jährigen Mutter gegangen. Das Landgericht Arnsberg gab dem Kläger recht. Die Gegenpartei legte Berufung ein, die nun vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden muss.

Nun wird weiter geklagt. Am Freitag wird erneut vor dem Landgericht Arnsberg verhandelt. Weitere Klagen sind in Vorbereitung. Dann geht es um die schon anstehende Bezahlung von Therapien, um weitere Nebenkosten, aber auch um die Beerdigung von Thomas Ebels Frau, seines Sohnes und des damals 15-jährigen Neffen. Anhänglich klagt zudem die Rentenversicherung auf Erstattung und Übernahme der Halbwaisenrenten. Und immer wieder dreht es sich um eines: um den Grundsatz. „Wir wollen erzwingen, dass sich endlich jemand meldet, der die Verantwortung übernimmt“, sagt Rechtsanwalt Wolfgang Lürbke, der die Klägerseite vertritt.

Eine Versicherung sei bislang, so Lürbke, nur im Hintergrund eingesprungen. Behandlungskosten seien der Krankenkasse erstattet worden. „Die Opferfamilien wurden bislang nicht entschädigt“, erklärt Thomas Ebel. Eine dauerhafte Übernahme der Verantwortung lehne die Versicherung ab.

Heikel auch: Obwohl nun schon juristische Klärungen angestrebt werden, liegt der abschließende Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung noch nicht vor. Lediglich ein Zwischenbericht – im Oktober 2013 – wurde veröffentlicht. In dem wird davon gesprochen, dass der 59-jährige Pilot dem Flugleiter des Flugplatzes Arnsberg/Menden vor dem Absturz Triebwerksprobleme gemeldet habe. Auch die mögliche Tankfülle wird diskutiert. Der Schlussbericht lässt auf sich warten.

Das juristische Nachspiel eines schrecklichen Tages lässt alle Beteiligten nicht kalt. „Jeder Prozess wühlt immer wieder auf“, sagt Thomas Ebel tapfer, „so etwas reißt immer wieder die Wunden auf.“ Den Weg durch die Instanzen will er weiter gehen – vor allem für Maya und ihre abgesicherte Zukunft.