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Der frühe Sturm aufs Rockerheim

Der frühe Sturm aufs Rockerheim

Duisburg. 

Sie schlugen zu, als die Straßen noch menschenleer, die Rollläden der Häuser noch heruntergelassen waren. Punkt sechs Uhr gestern in der Früh stürmten die Polizisten der Spezialeinsatzkommandos 46 Häuser, Wohnungen und Vereinslokale der Satudarah-Rocker. In Duisburg, in Essen, Gelsenkirchen und anderswo. Ein gut geplanter Überraschungscoup. Inszeniert, um ein Fanal zu setzen.

Stunden später tragen die Polizisten eifrig Club-Insignien, Lederjacken, Kutten und Plakate aus dem Eckhaus in Duisburg-Rheinhausen. Zitronengelbes und Schwarzes, die Farben der Satudarah-Rocker. Verpackt in Papp-Kartons, verstaut im Polizei-Transporter. Entspanntes Ausklingen einer Razzia. Kaum ein halbes Jahr sollen die Duisburger Rocker sich hier, in dem früheren Ladenlokal Ecke Günterstraße/Hochemmericher Straße, getroffen haben.

Die Fenster gelb-schwarz mit Folie abgedichtet, drinnen abgerockte Polster- und Ledersessel an Glastischen. Düstere Wände, verziert mit Vereinsinterna. Ein Totenkopf-Aschenbecher prangt auf dem Tresen. Dahinter – da staunen die Polizisten – nicht kistenweise Bier, sondern Cola und Fanta, gestapelt in Dosen. Und inmitten all des Improvisiert-Schmuddeligen stehen Trinkgläser, fein aufgereiht auf Haushaltskrepp zum Abtropfen.

2012 waren sie zum ersten Mal in Duisburg gesichtet worden. Jene Rocker, die sich 1990 in den Niederlanden gegründet hatten und dort anfangs vor allem Mitglieder mit indonesischem Migrationshintergrund um sich sammelten. Satudarah, das heißt in der Sprache der indonesischen Inselgruppe der Molukken „Ein Blut“. In Duisburg-Rheinhausen mutierte später der 20 Mann starke Club Brotherhood Clown-Town zum ersten deutschen Satudarah-Chapter, dem deutschen Ableger.

Und alsbald mischen sie sich in den dort schon lange währenden Rockerkrieg zwischen Hells Angels und Bandidos. PS-stark kämpft man um Mann und Maschine, um Gebiete, um Macht. Man verdient an Geschäften mit Drogen und Waffen, durch Schutzgeld-Erpressung. Mittendrin nun die Satudarah-Rocker, die mit den Bandidos sympathisieren.

Da wird geschossen, da werden Handgranaten gezündet. Und in all diesem von Selbstjustiz geprägten Macho-Motoren-Kult steigt schließlich einer aus: Duisburgs ehemaliger Satudarah-Chef Ali Osman bricht das Schweigegebot der Rocker, legt 2014, in dem Prozess gegen ihn, ein Geständnis ab. Sein Sohn ist lebensgefährlich erkrankt, Ali Osman will mit seiner Vergangenheit abschließen, liefert den Ermittlern als „Kronzeuge“ Details über hochrangige Hintermänner.

Gestern, kurz nachdem die Spezialeinsatzkommandos zugeschlagen haben: Nicht weit entfernt, in der Annastraße, packen die Polizisten ihre Ausrüstung in einen Transporter. Durch die nicht komplett geschlossenen Jalousien des Hauses Nr. 3 sieht man ihre Kollegen durch eine Wohnung im Erdgeschoss hasten. Die Suche nach Besitztümern des Vereins, nach nun verbotenen Symbolen läuft auf Hochtouren. Hier wie an insgesamt sieben Orten der Stadt.

Der Arm des Hells Angel

NRW-Innenminister Ralf Jäger wird einige Stunden später in Berlin neben Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor der Presse erklären, dass man die Satudarah-Rocker in seiner Heimatstadt Duisburg immer sehr genau beobachtet habe, dass man ermittelt und Strafverfahren eingeleitet habe. Alles, um ihnen zu zeigen: „Wir haben euch im Visier!“ Es gehe darum, mit Entschlossenheit und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen diese Szene vorzugehen.

Zurück an jenen Ort, an dem an diesem Morgen die Razzia begann. Im Eingang des Duisburger Polizeipräsidiums hängt wie vergessen ein Plakat, auf dem nicht mehr als ein einzelner, komplett tätowierter Arm zu sehen ist. Es ist der abgetrennte Arm eines Hells Angels, der vor über einem Jahr im Rhein entdeckt wurde. So bestrafen Rocker Abtrünnige, „Verräter“.