Düsseldorf.
Am Schlüsselbund von Franz-Josef Kotcanek baumeln ein Lego-Ninjaturtle und ein silberner Mini-Gullydeckel. Denn der 55-Jährige arbeitet da, wo es stinkt. Kotcanek ist Kanalmeister der Stadt Düsseldorf und sorgt mit seinem Team dafür, dass das Abwasser reibungslos fließt. Seit 25 Jahren arbeitet er in der Kanalisation. Von 1997 bis 1999 in Dorsten, ansonsten immer in Düsseldorf. Heute bestimmt immer mehr Hightech die Arbeit in der Kanalisation.
Etwa fünf Meter unter dem Vinzenzplatz in der Düsseldorfer Innenstadt riecht es nach Urin und Erbrochenem. Kotcanek steht auf einem trockenen Podest, sein Kollege Peter Niesen watet in Gummistiefeln durch den Kanal. Im fettigen Abwasser schwimmen Fäkalien, Wattestäbchen, Damenbinden. Ein Tennisball dümpelt in der braungrünen Brühe. Ganz vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen, denn auf der rechten Seite wird der Kanal tiefer. „Reinfallen wäre jetzt Scheiße“, sagt Niesen. An seiner Hüfte trägt er einen kleinen Abgas-Sensor. Niesen arbeitet seit zehn Jahren in der Düsseldorfer Kanalisation.
Sensor, Tablet-Computer, Düsen und Schachtkameras – die Kanalbauer nutzen immer mehr Hilfen der digitalen Technik. Auf einer Fachmesse in Gelsenkirchen stellen Unternehmen die neuesten Entwicklungen vor. Am Mittwoch und Donnerstag findet dort zum dritten Mal der Deutsche Tag der Kanalreinigung statt. Organisiert wird das Ganze vom Institut für Unterirdische Infrastruktur. Ähnlich wie die Stiftung Warentest prüft das Institut neue Produkte und vergibt Schulnoten. Tagungsleiter Sedar Ulutaş rechnet mit rund 120 Teilnehmern aus ganz Deutschland. Auch Kotcanek ist mit dabei.
„Schlauch ab!“, ruft Kotcanek die Treppe rauf. Von oben lässt Christian Uhr einen Schlauch durch den Gully bis hinab zu Peter Niesen. Durch eine Düse spritzt Wasser von oben in den Kanal. Es dröhnt und blubbert in der Brühe. Eine Abgaswolke schießt Niesen und Kotcanek entgegen. Der kleine Sensor an Niesens Hüfte fängt an zu piepen. „Fiep. Fiep.“ Niesen und Kotcanek gehen zum Ausgang. Der Sensor reagiert auf Schwefelwasserstoff und das kann in hoher Konzentration gefährlich werden. Im schlimmsten Fall könne man umkippen, erklärt Niesen und kommt mit Kotcanek wieder an die Oberfläche.
„Früher mussten die Männer mit Schippe und Besen umgehen, heute auch mit einem Tablet“, sagt Kotcanek. Mit dem Computer steuern die Kanalbauer Schachtkameras, die auch die kleinsten Risse in den Rohren finden. 1550 Kilometer Kanalnetz unter der Landeshauptstadt müssen rund 100 Mitarbeiter überprüfen und reparieren.
Derzeit gibt es zwei Auszubildende: „Einen jungen Mann und auch eine junge Frau“, betont Sandy Helmonts von der Stadtentwässerung. Das duale Bauingenieurstudium verbunden mit der Ausbildung zum Kanalbauer dauert viereinhalb Jahre. Für Kotcanek ist Kanalbauer ein krisensicherer Job. „Geschissen wird immer“, stellt er pragmatisch fest.
Wenn Kindergartengruppen einen Blick in die Kanalisation werfen wollen, führt Kotcanek sie in den stillgelegten Besucherkanal in Düsseldorf-Golzheim. Über eine Wendeltreppe gelangt er in den gemauerten Tunnel von etwa 2,70 Metern Durchmesser. Auf dem Boden hüpfen Erdkröten und von oben wachsen Wurzeln aus einem alten Abfluss. „Irgendwann machen wir dann das ganze Licht aus. Dann ist es ganz dunkel“, erzählt er. Das sei für die Kinder ein richtiges Abenteuer.
Gleich neben dem Besucherkanal sind drei Regenrückhaltebecken mit mehr als vier Meter hohen Betonsäulen. Die unterirdische Säulenhalle ist fast so groß wie ein Fußballfeld. Ihre Becken füllen sich bei starkem Regen nach und nach mit Wasser. Pumpen wirbeln das Wasser anschließend auf und leiten es zur Kläranlage. Früher mussten zehn Männer den Klärschlamm mit Schaufeln abtragen, heute komme einer zum Kontrollieren. Trotz aller technischen Hilfen sagt Kotcanek: „Die Arbeit wird nicht besser, nur die Ausstattung.“