Das Entsetzen in Attendorn (NRW) nach der Befreiung eines achtjährigen Mädchens ist ungebrochen. Sieben Jahre lang soll es von seiner Mutter und seinen Großeltern in einem Haus festgehalten worden sein. Es soll noch nie mit einem anderen Kind gespielt, nie eine Wiese berührt und noch nie den Wald gesehen haben.
Unsagbar lange ist niemanden aufgefallen, was sich hinter verschlossenen Türen in dem ländlich gelegenen Attendorn abgespielt haben muss. Doch in den vergangenen Jahren gingen immer wieder anonyme Hinweise beim Jugendamt Olpe ein. Doch den NRW-Behörden waren nach eigenen Angaben die Hände gebunden. Das lag auch an einer Lüge der Mutter.
Attendorn: Jugendamt enthüllt neue Details
Den anonymen Hinweisen sei das Jugendamt Olpe sofort nachgegangen, sagte Fachbereichsleiter Michael Färber der Deutschen Presseagentur (dpa): „Aber es gab keine stichhaltigen Hinweise oder konkreten Anhaltspunkte, dass sich das Mädchen dort aufhielt.“ Es sei rechtlich nicht möglich gewesen, das Haus der Großeltern in Attendorn zu betreten.
Die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt nun nicht nur wegen Freiheitsberaubung und Misshandlung von Schutzbefohlenen gegen die Mutter und Großeltern des Mädchens. Auch das Jugendamt geriet in den Fokus der Staatsanwaltschaft. „Wir müssen auch beleuchten, ob das Jugendamt alles Notwendige getan hat, um den Fall aufzudecken“, erläuterte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss.
Kind in Attendorn eingesperrt – Mutter-Lüge aufgeflogen
Die Behörden waren davon ausgegangen, dass sich die Mutter mit ihrem Kind nach Italien abgesetzt hatte. Offenbar habe sie so verhindern wollen, dass der Kindsvater Kontakt zu dem Mädchen aufnimmt. Erst im September fiel der Schwindel auf, nachdem ein Ehepaar aus Olpe sich bei den Behörden gemeldet hatte.
Dieses gab Hinweise von Freunden weiter, die sicher waren, dass das Kind in Attendorn festgehalten werde. Erst dann meldete sich das Jugendamt bei den Behörden in Italien, um die angegebene Meldeadresse der Mutter in Italien zu überprüfen. Die verblüffende Antwort: Die Mutter wohnte nie in Italien. Gleich am nächsten Tag alarmierte das Jugendamt die Polizei, die das Kind am 23. September aus dem Haus befreite.
So geht es weiter für das Kind aus Attendorn
„Für das Kind steht jetzt die Welt Kopf. Es wird sich fühlen wie auf einem anderen Planeten“, sagt Nicole Vergin vom Kinderschutzbund NRW über das Mädchen. Grundlegende Kinderrechte auf Bildung, Spielen oder soziale Kontakte seien missachtet worden – mit Folgen für die mentale, psychische und motorische Entwicklung des Kindes. Das Mädchen müsse nun vor allem seelisch stabilisiert werden, so Sozialpädagogin Sabine Müller-Kolodziej.
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Laut dem WDR könne die Achtjährige lesen und rechnen, habe aber Probleme beim Treppensteigen. Sie wurde vorerst in einer Pflegefamilie untergebracht wird. Über das weitere Vorgehen wird beraten. Dabei kommt auch der Vater des Kindes ins Spiel, der sich 2016 an das Familiengericht gewandt hatte. Damals bekräftigte das Gericht das Sorgerecht für beide Eltern. (mit dpa)