Ohne Frauen läuft fast nichts in der rechten Szene
Frauen und rechtsextreme Organisationen: das passt für viele immer noch nicht zusammen. Dabei gibt es Organisationen wie die Frauenfront oder den Skingirl Freundeskreis schon lange. Und schon lange arbeiten Frauen aktiv mit bei verschiedensten rechten Verbänden. Das Problem ist nur: Man sieht es ihnen nicht an.
Essen.
Sie hat zwölf Jahre lang im Untergrund gelebt, mit zwei Männern, die raubten und mordeten – und doch wird Beate Zschäpe nach ihrer Festnahme in vielen Berichten als „Mitläuferin“ bezeichnet. Vielleicht, weil wir das so gerne glauben wollen: dass Frauen nicht politisch denken, dass es ihnen nur um Gefühle geht (mal zu diesem, mal zu jenem der beiden Neonazis eben).
Doch genau dieses Klischee der unpolitischen Frau ist es, gegen das die Sozialwissenschaftlerin Michaela Köttig seit 20 Jahren vehement ankämpft. Die Frankfurter Professorin hat als Vorsitzende des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus einen Offenen Brief geschrieben, in dem sie dazu aufruft, „rechtsextreme Frauen als das zu sehen, was sie sind: mutmaßlich rassistische, menschenverachtende Täterinnen“. Sie meint: „Der moderne Rechtsextremismus ist ohne das Engagement von Frauen nicht denkbar.“
Bereits Mitte der 80er Jahre wurde die „Deutsche Frauenfront“ gegründet, 1991 der „Skingirl Freundeskreis Deutschland“, es folgten zahlreiche lokale Gruppierungen rechter Frauen. Heute sind ein Fünftel der NPD-Mitglieder weiblich, gibt es mit dem „Ring Nationaler Frauen“ bei der NPD und der „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ zwei große Organisationen – und doch werden die „Neonazistinnen“ kaum wahrgenommen.
Erst Vertrauen gewinnen, dann raus mit der Gesinnung
Journalist Andreas Speit hat gemeinsam mit Kollegin Andrea Röpke ebenfalls seit Jahrzehnten die Szene erforscht. Zwei Jahre arbeiteten sie an einem Buch über rechte Frauen („Mädelsache – Frauen in der Neonazi-Szene“, Ch. Links Verlag, 200 S., 16,90 Euro). Speit weiß, dass die Unauffälligkeit Teil der Strategie ist: So würde die „Gemeinschaft deutscher Frauen“ gezielt Mitgliederfamilien in „bevölkerungsschwachen Gebieten“ ansiedeln. Dort engagieren sie sich in Vereinen, „um auf der vorpolitischen Ebene die Gesellschaft mitzuprägen“: „Wenn sie dann in den Elternbeirat gewählt worden sind, rücken sie langsam raus mit ihrer Gesinnung – wenn man sie schon als Menschen kennengelernt hat, die freundlich sind, die gerne helfen.“
Frauen schulen Frauen
Auch die NPD habe erkannt, dass Frauen ihr Image als „Kümmerpartei vor Ort“ stärken. Zwar dächten noch immer viele alte NPD-Kader, so Speit, dass die politische Aufgabe der Frau sich auf den „Schutz des deutschen Erbgutes durch reinrassige Kinder“ beschränken sollte. Doch längst schulen Frauen Frauen gezielt darin, freundlich Propaganda zu verbreiten: „Die Szene spielt da ganz geschickt mit unseren Klischees, die heißen: Rechtsextremismus ist männlich, gewaltbereit und dumm.“ Dass die lässige junge Frau, die neben uns im Biomarkt Babynahrung kauft, Neonazistin sein könnte – wollen wir gar nicht sehen. Kürzlich schreckten die Mütter einer Krabbelgruppe auf, als eine von ihnen als NPD-Funktionärin „enttarnt“ wurde: „Wir können längst nicht mehr sagen, die sind da drüben und wir hier“, so Köttig.
Erst vor einigen Wochen wurden Frauen in der NPD-eigenen Zeitung aufgerufen, in erzieherische Berufe einzusteigen – „um als Lehrerin oder Erzieherin die nachfolgenden Generationen für die Ideologie zu gewinnen“, sagt Michaela Köttig. Andreas Speit kennt einen Fall, in dem eine junge Lehrerin „aus dem knallhart rechten Milieu“ einen Schüler anwarb.
Für Zeugen gehalten
Passt die freundliche Unterwanderungsstrategie ja fast noch ins weibliche Klischee, so stößt die Frage der Gewaltbereitschaft der Neonazi-Frauen auf noch größere Blockaden des Nichtwissenwollens. Vor zehn Jahren besagte die Statistik noch, dass ein Prozent aller rechten Gewalttaten von Frauen begangen wurden, heute gilt zehn Prozent als realistische Größe. Sowohl Michaela Köttig als auch Andreas Speit aber meinen, dass die Quote höher liegt: „Wir befürchten, es wird nicht richtig hingeschaut“, so Speit. Noch immer kämen Rollenstereotype zum Tragen: „Selbst wenn Frauen am Tatort sind, werden sie bei den Ermittlungen oft eher als Zeugen betrachtet, als hätten sie nur zufällig dabeigestanden.“ In den Biografien rechtsradikaler Frauen, die die Sozialwissenschaftlerin Köttig erhoben hat, waren die „allermeisten“ Frauen in kriminelle Aktivitäten verwickelt. Britta Heidemann