Guido Westerwelle (FDP) will wieder mehr Schlagzeilen machen. Der Außenminister will eine große Rede zur Innenpolitik halten. Das verspricht Zündstoff, redete er doch schon mal gern über die „spätrömische Dekadenz“ des Sozialstaats. Plant er sein Comeback oder baut er sein Denkmal? Eine Analyse.
Berlin.
Plötzlich ist er wieder da: Guido Westerwelle wird am Sonntag eine Rede halten. Nicht in New York, nicht in Peking, nicht in Brüssel, sondern in Düsseldorf. Dort begeht die nordrhein-westfälische FDP ihren Neujahrsempfang. An für sich sind solche Auftritte des Bonner Liberalen nicht spektakulär. Doch Westerwelle, das wurde vorab bekannt, will eine innenpolitische Rede halten. Erstmals seit seinem Rücktritt als Parteichef, inmitten der Existenzkrise der FDP. Und schon unken Parteifreunde: Da scharrt einer mit den Hufen.
Tatsächlich hat der Außenminister lange nichts zur Lage Deutschlands oder zum Zustand seiner Partei öffentlich gesagt. Er hat auch nicht nachgetreten, seitdem ihn Philipp Rösler vom liberalen Thron stürzte. Stattdessen ging Westerwelle ins Exil und konzentrierte sich auf das, was ihm zu Händen gegeben wurde: Die Außenpolitik. Er schüttelte zahllose Hände, reiste viel und gab hier und da salbungsvolle Worte von sich. Zwar blieben sich Westerwelle und das Amt bis heute eher fremd. Doch sagt man dem Minister nach, sich das nötige Rüstzeug wenigstens beim Thema Nordafrika zugelegt zu haben.
Beim letzten FDP-Wahlsieg war Westerwelle der Chef
Ende Dezember ist Westerwelle 50 geworden. Der Spaßpolitiker ist längst vergessen, Westerwelle wirkt ernst und gereift. In der kommenden Woche will die FDP dem Jubilar einen Empfang bereiten – im Veranstaltungszelt Tipi, ganz in der Nähe des Kanzleramts. Eine große Bühne für den FDP-Spitzenpolitiker, der seine Partei zu zahlreichen Wahlsiegen führte, 2009 gar zu historischen 14,6 Prozent im Bund. Fast vergessen ist der überraschende Wiedereinzug der Freidemokraten in die Hamburgische Bürgerschaft im Februar 2011. Der vorerst letzte Wahlsieg der FDP. Damals war Westerwelle noch Parteichef.
Danach jedoch kam sein tiefer Fall. Die Parteifreunde liefen ihm in Scharen weg – sie machten ihn verantwortlich für das miserable Erscheinungsbild der FDP. Und sie wählten Rösler im Mai 2011 zum Vorsitzenden. Der verschmähte Westerwelle verblieb im Auswärtigen Amt.
Westerwelle sorgte für Staunen
Die Politik vergisst bekanntlich schnell: Urplötzlich, inmitten der tiefen Krise der FDP, scheinen sich Partei und Westerwelle wieder anzunähern. Dafür spricht nicht nur die geplante Jubelfeier in Berlin: Schon auf dem Frankfurter Parteitag im November erhielt Westerwelle großen Applaus für einen nur siebenminütigen Redebeitrag. Sein treuer Weggefährte, Entwicklungsminister Dirk Niebel, nahm gerade das traditionelle Dreikönigstreffen in Stuttgart zum Anlass, Westerwelle öffentlich zu rehabilitieren: „Wir Deutschen sind laut BBC zurzeit das beliebteste Volk der Erde – doch nicht trotz FDP und Guido Westerwelle als Außenminister, sondern weil es die FDP mit Westerwelle in dieser Regierung gibt!“ Das sorgte für Staunen.
Die Liberalen sind zu Jahresbeginn tief verunsichert: Rösler wollte liefern, hat aber nichts bewegt. Generalsekretär Christian Lindner sollte lenken, verließ aber vorzeitig das sinkende Schiff. Sein Nachfolger, Patrick Döring, blamierte den amtierenden Parteivorsitzenden mit denkbar ungeschickten Einlassungen („Wegmoderierer“). Und nicht zuletzt vermasselte das Ende der saarländischen Jamaika-Koalition die erhoffte Wende. Was der FDP bleibt, sind zwei Prozent in den Umfragen.
Angriff oder Denkmal-Bau?
In dieser prekären Situation also will Westerwelle einen innenpolitischen Aufschlag wagen. Geplant sind 20 Minuten Redezeit. Stehen die Zeichen auf Angriff? Die Partei rätselt über Westerwelles Motive. Ausgerechnet zur selben Stunde hält Rösler eine Rede im hessischen Gießen. Auch ein Neujahrsempfang. Kommt es zum Wettstreit zweier begabter Redner? „Westerwelle darf ja nicht überziehen“, sagt ein stiller Beobachter der Partei. „Tut er es doch, handelt er unklug!“ So mancher Liberaler sagt Westerwelle nach, er baue gerade an seinem eigenen Denkmal: dem FDP-Ehrenvorsitz.