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Streumunition für die Ukraine: Steinmeier führt Eiertanz auf – „Bin befangen“

Darf man von einem Bundespräsidenten nicht eine klarere Haltung erwarten? Beim Streitthema Streumunition duckt sich Steinmeier weg.

Streitthema Streumunition für die Ukraine.
u00a9 IMAGO / Marc John, IMAGO / ZUMA Wire

USA liefern der Ukraine umstrittene Streumunition

Die USA liefern der Ukraine im Krieg gegen Russland trotz Bedenken der westlichen Verbündeten umstrittene Streumunition. Die von vielen Ländern geächtete Munition ist Teil eines neuen Rüstungspakets für die Ukraine.

Wofür steht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier? In der Frage des Ukraine-Kriegs gerät der frühere SPD-Außenminister immer mehr ins Schwimmen. Heftig kritisiert für den zu russlandfreundlichen Kurs in GroKo-Zeiten, scheint er nun wie auf Eiern zu gehen, um nicht erneut eine Angriffsfläche zu bieten. Bei der strittigen Frage der Streumunition für die Ukraine hat er eine schwammige Haltung.

Obwohl er selbst als Außenminister 2008 das internationale Abkommen zur Ächtung der Streumunition unterschrieben hat, wagt er im ZDF-Sommerinterview kein klares Bekenntnis in dieser Frage.

Steinmeier ohne klare Haltung: „Ich bin da befangen“

Er könne „in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen“, so der Bundespräsident im ZDF-Interview. Offene Kritik an der Lieferung von Streumunition durch den wichtigsten NATO-Partner kommt von ihm also nicht. „Ich bin da befangen“, räumt er mit Verweis auf seine Rolle beim Abkommen von Oslo 2008 ein. Von den USA, Russland, aber auch der Ukraine, Polen und weiteren Staaten wurde dieser Vertrag nie unterzeichnet, insofern handeln sie legal.

So funktioniert Streumunition.
So funktioniert Streumunition. Foto: dpa/ I. Kugel; Grafik: F. Bökelmann

Streumunition: Ein „Schlamassel“ für den Westen

Ein moralisches Dilemma sieht der bekannte Politikwissenschaftler Frank Sauer (Podcast „Sicherheitshalber“). Er bekennt, selbst einen inneren Zwiespalt in der Frage zu haben. Militärisch sei Streumunition für die Ukraine auf jeden Fall sehr nützlich, zumal das Land gegenüber dem russischen Aggressor eine Unterlegenheit bei Artilleriesystemen und Munition habe. Das Land kämpfe weiter ums Überleben, erinnert Sauer.

Insgesamt stellt der Experte der Bundeswehr-Uni München via Twitter ernüchtert fest: „Putins sinnloser Angriffskrieg beschwört erneut ein Dilemma herauf – und die Völkerrechtsordnung nimmt erneut Schaden. Ich würde mir innigst wünschen, die Ukraine bräuchte diese Waffen nicht. Am besten wäre, sie müsste sich gar nicht verteidigen. Aber die Ukraine braucht diese Waffen und bekommt sie jetzt. Und meine Empörung in diesem Zusammenhang richtet sich nicht gegen Kiew oder Washington – sondern gegen Moskau und Putin, der uns diesen Schlamassel – und alles dazugehörigen – einbrockt.“

Auch der CDU-nahe Politikwissenschaftler Nico Lange (Podcast „Zeitenwende“) stellt die Frage der Redlichkeit bei Kritikern der Lieferung an die Ukraine: „Viele wachen plötzlich auf, die zu russischer Streumunition, Phosphormunition, thermobarischen Waffen keinen Ton gesagt haben – aber wäre es nicht glaubwürdiger zu sagen: Wir liefern viel, viel mehr Artilleriemunition, damit die Ukraine nicht auf Streumunition angewiesen ist?“

Streumunition-Streit: „Moralische Überlegenheit ist zum Teufel“

Im Podcast „Apokalypse & Filterkaffee“ von Micky Beisenherz setzt Gast Hajo Schumacher in der Streitfrage um die Streumunition-Lieferung andere Akzente. Der Journalist bewertet die Haltung von Steinmeier als „gruselig“, da sich dieser nun einfach hinter die USA stellt. Die Streubomben-„Biester“ seien zu Recht in 100 Ländern verboten, auch weil die Blindgänger ähnlich wie Minen über Jahre eine Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen können. „Natürlich ist das ein Tabubruch. Vor einem Jahr hätte es da einen riesigen Aufschrei gegeben“, stellt Schumacher im Podcast fest.


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Doch Schumacher ist auch der militärische Hintergrund klar: Die konventionellen Waffen, die vom Westen geliefert wurden, gehen zur Neige. Die Ukraine steht angesichts von Putins Kriegszielen weiter mit dem Rücken zur Wand. „Das ist eine Verzweiflungstat“, glaubt er. Dennoch befürchtet der meinungsstarke Kolumnist: „Die moralische Überlegenheit, die immer ein Trumpf des Westens war, ist zum Teufel.“