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SPD-Mitglieder sollen über Große Koalition entscheiden – Basis in NRW sagt Nein

SPD-Mitglieder sollen über Große Koalition entscheiden

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Workers remove election placards showing SPD top candidate Steinbrueck and German Chancellor Merkel a day after Germany's general election in Berlin Foto: rtr
Viele Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen, vor allem im Revier, finden ein mögliches Bündnis mit Merkel und der Union schrecklich. Der Widerstand formiert sich im Internet und in den Ortsvereinen. Diese Stimmung dürfte den SPD-Parteikonvent am Freitag nicht unberührt lassen.

Essen/Düsseldorf. 

SPD-Chef Sigmar Gabriel will erstmals in der Parteigeschichte alle Mitglieder über den Eintritt in eine große Koalition auf Bundesebene mitentscheiden lassen. Ein entsprechender Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ wurde der Deutschen Presse-Agentur am Freitagmorgen in Parteikreisen bestätigt. Demnach sollen die rund 470 000 Mitglieder am Ende möglicher Verhandlungen mit der Union zu den Ergebnissen befragt werden. Dies soll möglichst vor dem Bundesparteitag am 14. November in Leipzig abgeschlossen sein. Das Ergebnis soll für die Führung politisch verbindlich sein, hieß es.

Dieses Vorgehen könnte Gabriel schon am Abend beim Parteikonvent mit rund 200 Delegierten in Berlin vorschlagen. Es wird zudem erwartet, dass als erster Schritt Sondierungsgespräche mit der Union vorgeschlagen werden. Ob es anschließend zu konkreten Koalitionsverhandlungen kommen wird, soll dann erneut der Konvent beraten. Lehnt die Basis am Ende einen möglichen Koalitionsvertrag ab, dürfte die Führung um Gabriel kaum zu halten sein, und die Partei müsste sich auf dem Parteitag neu aufstellen.

Die SPD-Basis in NRW sagt Nein zur Großen Koalition

Der Widerstand an der SPD-Basis gegen eine Große Koalition auf Bundesebene formiert sich. Bereits 117 SPD-Gliederungen haben bis Donnerstag im Internet („groko-neindanke“) ihre Ablehnung dokumentiert und auf aktuelle Beschlüsse vor dem SPD-Parteikonvent verwiesen. Tenor: „Ist doch Merkels Problem’, ne Regierung zu bilden und nicht unser Problem. Wir haben keine Lust auf eine Große Koalition!“ Die größten Widerstände gibt es im mitgliederstärksten NRW-Landesverband. Juso-, Hochschulgruppen, Unterbezirke und Ortsvereine warnen vor der Koalition mit der Union. Darunter starke Gruppen wie die SPD Dortmund, Gelsenkirchen, Hamm und Mülheim. Auch der Kreisverband Recklinghausen und die SPD im Ennepe-Ruhr-Kreis und Bottrop lehnen eine Große Koalition ab.

Die SPD-Basis will offenbar keine Große Koalition auf Bundesebene. Rund 120 SPD-Gliederungen haben im Internet (groko-neindanke) Nein zu diesem möglichen politischen Bündnis gesagt. Sie senden ein wichtiges Signal in den SPD-Parteikonvent am Freitag in Berlin.

In Nordrhein-Westfalen hat die SPD die meisten Mitglieder, und ausgerechnet hier ist eine Koalition mit der Union besonders unbeliebt. Die Jungsozialisten (Jusos) sind dagegen. Viele Hochschulgruppen, Unterbezirke, Ortsvereine ebenso. Nein zur Großen Koalition sagen Sozialdemokraten in Köln, Dortmund, Gelsenkirchen, Kleve, Düsseldorf, Olpe, Siegen, Soest, Märkischer Kreis, Mülheim, Recklinghausen, Bottrop sowie im Ennepe-Ruhr-Kreis.

Eine spontane, wenn auch nicht repräsentative WAZ-Umfrage bei SPD-Ortsvereinsvorsitzenden im Ruhrgebiet führt zu einem recht einheitlichen Stimmungsbild: Eine Große Koalition erscheint vielen als noch größeres Übel für die SPD als die Oppositionsrolle oder ein Bündnis mit Grünen und Linken. Außerdem würden sich die Genossen über eine Mitgliederbefragung freuen.

Stimmen aus den Ortsvereinen

Susanne Zander (SPD Duisburg-Neudorf) sagte: „Die Große Koalition hat der SPD geschadet. Ich glaube nicht, dass wir in ihr unser Regierungsprogramm durchsetzen könnten. Die SPD ist besser beraten, eine starke Opposition zu sein. Vielleicht hätten wir auch vorher nicht so laut ,Niemals mit der Linken’ schreien sollen.“

Zanders Parteifreund Ulrich Thünken (SPD Duisburg-Duissern) sieht es ähnlich: „Eine Große Koalition können wir uns eigentlich nicht vorstellen. Dazu müsste sich bei der Union sehr viel bewegen. In der Opposition könnte die SPD wichtige Fragen klären: wie sie es mit der Agenda und der Rente mit 67 hält. Ein Bund mit der Linken wäre zu instabil, aber langfristig könnte das eine Option sein.“

Für Theodor Jansen (SPD Altenessen) wäre „die Oppositionsrolle besser.“ Allzu tief sitze in der SPD der Frust über die vergangene Große Koalition. Eine große Angst vor Rot-Rot-Grün beobachtet er innerhalb der Partei vor Ort nicht.

Helmut Börger (SPD Bochum-Dahlhausen) warnt aber vor Rot-Rot-Grün. „Die Linke ist nicht zuverlässig“, sagt er. „Ich glaube, dass man die Große Koalition anvisieren sollte, auch wenn es heißt: Wer mit Merkel regiert, verliert.“ Eine Mitgliederbefragung wäre in Börgers Sinne: „Das wäre ein Signal, dass es in der SPD keine Basta-Politik wie unter Schröder gibt.“ (mit dpa)