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Schwerter gehen für ihr Welttheater auf die Straße

Schwerter gehen für ihr Welttheater auf die Straße

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Foto: Manuela Schwerte/press

Schwerte. 

Für den Erfinder Herbert Hermes ist es „die ­Liebe zu den Künsten“, für den Techniker Jörg Rost „ein Fest, das seine Besucher mal richtig lachen lässt“, und für die ­Helferin Christa van Meegen „ein Stück Kreativität“. Für die Stadt Schwerte ist das Welttheater der Straße, das Ende August zum 18. Mal zu Gast ist, vor allem eines: ein Ausgabenposten. Deshalb ist es so gefährdet wie gefeiert.

„Das Straßentheater erlebte in den Achtzigern eine Renaissance“, erinnert sich Herbert Hermes am Marktplatz an die guten Zeiten. Künstler aus Spanien, Australien, Kanada lockt der frühere Leiter des Kulturamtes seit 1989 in die 50 000-Einwohner-Stadt an der Ruhr – plus Zehntausende, die sich gerne verzaubern ­lassen. Von Ballons in Rot und Grün, aus denen sich Akrobaten entpuppen wie Schmetterlinge aus ihrem Kokon. Von Engeln in Reifröcken, die am Nachthimmel schweben, im Licht der hellen Scheinwerfer.

Hinter diesen Schein­werfern steht einer, der 1989 noch zur staunenden Masse gehörte. „Ich war gleich angefixt“, erzählt Jörg Rost, heute 49 und technischer Leiter. „Es hat mich begeistert, so nah ans Publikum zu kommen.“ Keine Tribüne, kein Eintrittspreis. Rost lächelt. Dann aber werden seine Augen müde. „Ich habe schon lange Angst, dass das Theater in Gefahr ist“, sagt er. 2010 wieder besonders.

Finanzierung als Überlebenskunst

Wie viele Kommunen ist Schwerte in einen Nothaushalt geschlittert. Die Kulturförderung von 38 000 Euro pro Jahr wurde auf Null gefahren. Bis 2012 hat immerhin die Sparkasse jährlich 30 000 Euro zugesagt. Wie es danach weitergeht, ist ungewiss. Welttheater als Überlebenskunst.

Das Kulturamt wurde schon vor Jahren zum Opfer des ­Outsourcing. Herbert Hermes leitet heute ein Kulturbüro, das einem Kultur- und Weiterbildungsbetrieb unterstellt ist. Ende 2011 geht der dann 64-Jährige in Rente. Einen Nachfolger soll es nicht geben. Das hat der Verwaltungsrat im Dezember hinter verschlossenen Türen entschieden, mit Stimmen der CDU und FDP.

„Ich war innerlich richtig wütend“, erzählt Rost, der in und um Schwerte längst zu einem der kreativen Kulturköpfe aufgestiegen ist. Denn in diesem Plan sieht er auch das Ende des Welttheaters, das zu den aufwändigsten Projekten des Kulturbüros zählt.

Straßentheater im Anzug?

Also will er sich wehren, trifft sich mit Politikern, erklärt ihnen, wie wichtig das Welttheater für die Stadt sei. Dass es zugrunde ginge, gäbe man es an irgendeine Agentur von außen ab. Rost glaubt an ein gutes Gespräch. „Aber ein paar Wochen später schlagen genau diese Politiker vor, künftig die Rohrmeisterei mit dem Welttheater zu beauftragen“, sagt Rost. Das Straßentheater in Händen der alten Industriestätte, ­die Bänker im Anzug für ihre Weihnachtsfeier nutzen – er muss nicht extra erklären, dass er das Straßentheater damit am Ende sähe.

Rost selbst ist kein Anzugträger. Eher einer, der mit Drei-Tage-Bart statt glatt rasiert daherkommt. Anfang Mai ruft er die Schwerter dazu auf, für Kulturbüro und Welttheater auf die Straße zu gehen. Immerhin 1500 Unterschriften kommen zusammen.

Für Erfinder ist 2011 Schluss

Eine davon gehört Christa van Meegen. Die Polizistin war vor fünf Jahren Gründungsmitglied eines Fördervereins für das Welttheater. „Das geht doch nicht, dass so eine Veranstaltung einfach den Bach runter geht“, erklärt sie. Als sie 1998 nach Schwerte zog, habe sie erst durch das bunte Theater die Stadt lieben gelernt. Dann jedoch wurde es immer mehr eingedampft. Von vier Tagen auf zwei. Von 30 Künstlergruppen auf zwischenzeitlich nur noch sechs.

160 000 Euro beträgt heute das Budget des Welttheaters. Mindestens 10 000 Euro schießt der Förderverein dazu. „Aber wenn die Stadt das Welttheater abgibt“, sagt van Meegen entschieden, „dann machen wir nicht mehr mit.“

Auf jeden Fall Schluss ist 2011 für Herbert Hermes. Das Welttheater der Straße am 27. und 28. August dieses Jahres ist sein vorletztes. Er hat das Angebot erhalten, es nach seinem Ausscheiden zusammen mit der Rohrmeisterei weiter zu organisieren – und hat abgelehnt. Trotz der „tiefen, emotionalen Bindung“ zu seinem Projekt. Er hofft, dass er sein Welttheater 2012 dennoch auch einmal als staunender Zuschauer verfolgen darf. Er hofft auf Leute wie Jörg Rost und Christa van Meegen.