Passender könnte sein Buch fast nicht erscheinen: Wolfgang Ainetter, der Ex-Sprecher von Andreas Scheuer während seiner Zeit als Bundesverkehrsminister, packt über das politische Berlin aus. Allerdings satirisch und fiktiv. Im März erschien Ainetters Roman, einen knappen Monat später, ausgerechnet am 1. April, verkündete Scheuer sein Politik-Aus. Aus Sicht vieler ein längst überfälliger Schritt nach dem Desaster um die Pkw-Maut!
Wie viel Wahrheit in Ainetters Roman „Geheimnisse Lügen und andere Währungen: Ein Ministeriums-Krimi“ (Haymon Verlag, 320 Seiten, 13,95 Euro) steckt und wieso er nie mehr als Sprecher eines Bundesministers arbeiten würde, verrät uns der Autor im Interview.
Interview mit Scheuers Ex-Sprecher: „Typus Machtmensch aufzuzeigen“
Herr Ainetter, Sie wollten ein Buch schreiben, das Krimi-Fans und Politik-Interessierte fesselt. Was erfahre ich denn vom politischen Berlin in Ihrem Buch, was ich vielleicht als „Tagesschau“-Zuschauer nicht mitbekomme?
Zunächst mal möchte ich die Menschen gut unterhalten und zum Lachen bringen. Mir geht es in dem Buch darum, den Typus Machtmensch aufzuzeigen. Den Inner Circle. Das ist so eine Art Wettbewerb, wer dem Minister am nächsten steht. Es ist ein Buch über die Eitelkeit und das Sich-wichtig-nehmen im politischen Betrieb. Mit meinem Hintergrundwissen, aber alles satirisch überspitzt. Wie es in einem Dienstwagen aussieht, wie hektisch und getrieben Spitzenpolitiker sind – und wie einsam manchmal auch. Man bekommt durch die Leichtigkeit dieses Buches eine Grundahnung von der Politik, ohne den moralischen Zeigefinger. Das macht es gut erträglich.
Ein Schwerpunkt in ihrem Buch ist das Spitzenbeamtentum in einem Bundesministerium. Diese Top-Beamten werden dort alles andere als positiv dargestellt: von Angst getrieben, nach unten tretend, nach oben buckelnd, Sexismus… Braucht es hier mehr Transparenz und Einblick der Öffentlichkeit?
Als ich in das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kam, war das nach 25 Jahren als Journalist eine völlig fremde Welt für mich. Da war ich mit Begriffen wie „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ konfrontiert. Was mir aufgefallen ist: Es gibt teilweise eine Allmacht von Abteilungsleitern im Ministerium, die wirklich im Alleingang entscheiden können, ob ein Beamter befördert wird und Karriere macht oder nicht. Im Gesetzgebungsverfahren ist die Transparenz aber durchaus gegeben. Es muss alles durch den Bundestag und Bundesrat. Das sieht man auch in Untersuchungsausschüssen, wo wirklich alles auf den Tisch kommt.
Darum geht es im Roman „Geheimnisse, Lügen und andere Währungen“:
Hans-Joachim Lörr, der wichtigste Beamte eines Ministers ist kurz vor seiner Pensionierung bei einem Abendessen mit Lobbyisten entführt worden. Der Polizeibeamte André Heidergott, ein Wiener mit reichlich Schmäh, übernimmt die Ermittlungen in Berlin-Mitte. Er stößt auf Intrigen und Machenschaften im Ministerium. Der Spitzenbeamte hat unzählige Feinde…
Wie war denn die Reaktion aus der Politik und von Ihren Ex-Kollegen auf Ihren Roman. Gelten Sie nun als „Nestbeschmutzer“?
Ich bin total positiv überrascht, dass ich sehr viel mehr positive Reaktionen bekommen habe als negative. Teilweise sogar von Protagonisten der aktuellen Bundesregierung. Das Buch spielt zu Zeiten der GroKo und teilweise kam auch Feedback von Unionsleuten, die mir gratuliert haben und gesagt haben: „Endlich spricht‘s mal einer aus!“ Natürlich ist es Satire, was ich geschrieben habe. Aber manchmal ist nichts wahrer als die Fiktion.
Romanautor Ainetter: „Keine billige Abrechnung“
Aber muss man es nicht unweigerlich als Leser auch als Abrechnung verstehen, wenn man Ihren biografischen Hintergrund und die Parallelen zum Buch kennt? Das drängt sich doch auf!
Danke für diese Frage, denn das ist genau der Punkt: Das ist ein literarisches Buch! Abrechnung und Literatur kann nicht zusammen funktionieren. Ich hätte mit einer billigen Abrechnung niemals einen Verlag gefunden. So etwas gehört ins Tagebuch, aber mein Roman ist frei von Bitterkeit.
Es liest sich keineswegs verbittert. Aber ein Beispiel: In einer Szene grabscht der Minister im Suff einer Kellnerin an die Brüste. Der Minister-Sprecher denkt: „Was für ein Ekelpaket“! Ich habe mir als Leser direkt die Frage gestellt, ob das 100 Prozent Fiktion ist – oder ob es einen wahren Hintergrund gibt?
In meinem Vorwort steht: „Diese Geschichte ist ebenso wahr wie die Lebensläufe von Abgeordneten.“ Ich glaube, dass Literatur immer eine gewisse Leichtigkeit braucht und es keine Abrechnung sein darf. Das wäre wirklich billig. Wenn ich tatsächlich abgerechnet hätte, wäre das Buch viel früher erschienen. Ich wollte dagegen etwas Zeitloses über Politik schreiben. Einen Stoff, den man auch noch in zehn Jahren lesen kann.
Hat Ihnen denn Herr Scheuer eine Rückmeldung gegeben?
Nein, ich habe nichts gehört. Ich habe mit ihm drei Jahre zusammengearbeitet und schlussendlich bin ich gegangen, weil wir andere Auffassungen hatten, was die Kommunikationsstrategie zur Pkw-Maut betrifft. Aber deswegen mit ihm abzurechnen, wäre stillos. In dem Buch wird zum Beispiel auch der Minister-Sprecher als Volldödel dargestellt. Ein Chaot, der keine Krawatten binden kann, der ein kleiner Hosenscheißer ist. Er ist alles andere als ein Superstar.
Mehr über Wolfgang Ainetter:
- geboren 1971
- Karriere als Journalist in Österreich („News“, „Heute“) und in Deutschland bei der „Bild“
- von 2018 bis 2021: Sprecher von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
Dieser Minister-Sprecher im Roman beklagt sich an einer Stelle darüber, wie grau und düster es in dem Ministerium aussieht. Der Innenarchitekt müsse „schwer depressiv gewesen sein“. Dann fragt er sich selbst, „wie krank man sein muss“, um sich einen solchen Job anzutun. Können Sie sich denn nochmal vorstellen als Pressesprecher für einen Minister zu arbeiten?
Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass man sein ganzes Leben an dem Terminkalender des Ministers orientiert. Meine Kinder waren die glücklichsten Menschen der Welt, als ich diesen Job aufgegeben habe! Es hat keinen Urlaub gegeben, in dem ich nicht mehrmals täglich angerufen wurde. Meine Kleine war damals 9 und hat einmal das Diensthandy versteckt – damit ich ungestört mit ihr spiele. Ich hatte teilweise 100-Stunden-Wochen und in einem Jahr mal 860 Überstunden – alles unbezahlt. Ehrlich gesagt war das für mich dennoch eine total glückliche Zeit, weil ich den ersten Newsroom in einem Bundesministerium aufbauen durfte und ein tolles Team hatte. Aber ich möchte so etwas nicht noch mal machen.
Fortsetzung schon in Planung: Noch ein Insider-Roman aus dem Regierungsviertel
Was hat Ihnen an diesem Job dann gefallen?
Ich wollte mal sehen, wie Politik wirklich funktioniert. Und bin dankbar, diese Zeit erlebt zu haben, weil sich mein politisches Wissen vielleicht verzehnfacht hat.
Dann haben Sie ja bestimmt noch viel zu erzählen: Wird es einen Fortsetzungsroman geben?
Ja, der Verlag ist total glücklich und hat mir schon einen neuen Vertrag geschickt. Von dem Buch wurde bereits die vierte Auflage gedruckt. Es wird also eine Fortsetzung geben. Tatsächlich ist es die Erfüllung eines Kindheitstraums und mein Vater ist total stolz, dass er die Widmung bekommen hat. Allein das war die ganzen Strapazen wert, dieses Buch zu schreiben.