Ist das deutsche Rentensystem in Gefahr? Angesichts des demographischen Wandels werden die Menschen in Deutschland immer älter, weniger junge Menschen kommen nach. Für Wirtschaftsweise Martin Werding seien die demographischen Probleme massiv – gerade in Hinblick auf die Rente.
„Wir müssen an allen Stellschrauben des Rentensystems drehen – nur dann gibt es noch einen Ausweg“, sagte Werding im Gespräch mit „t-online“. Werding fordert Änderungen im Rentensystem und bekommt von Politik und Sozialverbänden Gegenwind.
Rente mit 63 war ein „Fehler“
Aktuell wird das Eintrittsalter in Deutschland Schritt für Schritt angehoben. Wer 1964 oder später geboren wurde, kann offiziell erst ab dem 67. Geburtstag in Rente gehen. Will man beispielsweise mit 63 Jahren aufhören zu arbeiten und hat 35 Beitragsjahre angespart, muss man dennoch mit Abzügen rechnen. „Sie können die Altersrente auch ab 63 vorzeitig in Anspruch nehmen, allerdings mit einem Abzug von bis zu 14,4 Prozent. Für jeden Monat, den Sie vorzeitig in Rente gehen, werden Ihnen 0,3 Prozent von Ihrer Rente abgezogen“, so die Deutsche Rentenversicherung (DRV).
Für Martin Werding seien diese Abschläge aber zu niedrig. „Wir sollten sie also erhöhen, um Anreize fürs längere Arbeiten zu setzen“, so der Wirtschaftsweise gegenüber „t-online“. In anderen Ländern gebe es höhere Abschläge, daran sollte sich auch Deutschland orientieren, meint Werding. Auch betonte er: „Die ‚Rente mit 63‘ war ein Fehler und muss abgeschafft werden. Nicht sofort, aber innerhalb eines bestimmten Zeitraums darf es diese Möglichkeit nicht mehr geben.“
Rente: Das Eintrittsalter müsse erhöht werden
Das Renteneintrittsalter müsse an die Lebenserwartung gekoppelt werden. „Ansonsten gerät unser Umlagesystem unter zu großen Druck“, betonte Werding. Aber: „Sollte die Lebenserwartung wider Erwarten nicht steigen, braucht auch die Altersgrenze nicht erhöht zu werden. Die Rentnerinnen und Rentner dürfen nicht über den Tisch gezogen werden.“
Auch Monika Schnitzer bekräftigt die Forderung des Wirtschaftsweisen-Rats, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben. „Für jedes Jahr zusätzlicher Lebenserwartung kann jemand vier Monate länger Rente beziehen, muss aber auch acht Monate länger arbeiten“, schlägt Wirtschaftsweise Schnitzer vor. „Wenn die Lebenserwartung weiter steigt – und das wird sie voraussichtlich –, muss auch das Renteneintrittsalter weiter angehoben werden“, so Werding.
Rente: Kritik an Vorschlägen „Malochen bis zum Tode“
CDU-Abgeordneter Kai Whittaker sieht das anders. Bei der Frage um den Renteneinstieg sei für ihn nicht das Alter, sondern viel mehr die Anzahl der Jahre, für die in die Rentenversicherung eingezahlt wurde, ausschlaggebend. „Auf die Arbeitsjahre kommt es an“, schreibt Whittaker auf Twitter. Ein einheitlicher Rentenbeginn für alle empfindet der CDU-Politiker als falsch.
Für den rentenpolitischen Sprecher der Linken, Matthias Birkwald, ist das Verweigern eines vorzeitigen Renteneintritts nichts anderes als „soziale Kälte“ – für zu viele Menschen bedeute das „Malochen bis zum Tode“, sagte Birkwald „t-online“.
Auch Verena Bentele vom Sozialverband VdK mahnte: „Wer die ‚Rente mit 63‘ abschaffen will, kennt nicht die reale Arbeitswelt und die Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor“. Menschen, die 45 Jahre lang hart gearbeitet hätten, hätten sich die ‚Rente mit 63‘ verdient.
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Auch für FDP-Vizechef Johannes Vogel steht fest: „Niemand muss den Menschen mehr vorschreiben, wann sie in Rente zu gehen haben – auch weil die Lebensläufe immer unterschiedlicher werden“.