Wladimir Putin hat zumindest eines erreicht mit seinem militärischen Überfall auf die Ukraine: Er bestimmt die Agenda in Europa. In Deutschland ist die Angst groß, dass Putin den Gashahn zudrehen und das Land so in einen Energie-Notstand im Winter stürzen könnte – und die EU und die NATO beschäftigen sich seit Monaten nur noch damit, wie sie auf die kriegerische Expansionspolitik des Kreml reagieren können.
Da liegt die Frage nahe: Was wäre, wenn Wladimir Putin nicht mehr im Amt wäre. Wenn er aus dem Amt scheiden würde, etwa wenn er plötzlich verstirbt. Wäre dann alles besser und eine Annäherung des Westens mit Russland wieder möglich? Eine Analyse von ZDF-Journalist Mirko Drotschmann zeigt deutlich auf: Das Gegenteil könnte sogar der Fall sein!
Wenn Wladimir Putin aus dem Amt scheidet, wird die Lage keineswegs schlagartig besser
Journalist und Historiker Mirko Drotschmann betreibt als MrWissen2Go zwei sehr erfolgreiche YouTube-Kanäle für funk, dem Netzwerk von ARD und ZDF. Er hat auf diesen Kanälen fast drei Millionen Abonnennten. In einem aktuellen Video beschäftigt er sich mit der Fragestellung, was passiert, wenn Putin „weg“ ist.
Seit 2000 bestimmt Putin die Geschicke Russlands. Die meiste Zeit davon als Präsident, von zwischenzeitlich 2008 bis 2012 als Ministerpräsident. Es gibt immer wieder Gerüchte um den Gesundheitszustand des 69-Jährigen und Spekulationen über schwere Erkrankungen an Krebs oder Parkinson. Insbesondere im Frühjahr gab es auch Meldungen über einen möglichen Sturz oder Putsch in Moskau infolge des Ukraine-Krieges.
Wer könnte nach Putin nächster Präsident in Russland werden?
Doch was würde passieren, wenn Putin aufgrund einer unheilbaren Erkrankung, eines Todesfalls oder weil er gestürzt werden würde, aus dem Amt ausscheidet? Drotschmann schlüsselt in seinem Video auf, welche Szenarien dann wahrscheinlicher bzw. unrealistischer wären.
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Das ist Wladimir Putin:
- Wladimir Wladimirowitsch Putin wurde am 7. Oktober 1952 in Leningrad geboren
- Am 7. Mai 2000 wurde er erstmals zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt.
- Vorher war er Agent des KGB.
- Sein autoritäres Herrschaftssystem wird als „Putinismus“ oder „gelenkte Demokratie“ bezeichnet.
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Laut Verfassung würde bei einem plötzlichen Tod oder einer Abdankung von Putin Ministerpräsident Michail Mischustin seine Amtsgeschäfte übernehmen. Der 56-Jährige wäre zunächst für einen Zeitraum von maximal drei Monaten bis zur Neuwahl eines neuen Präsidenten am Ruder. Laut Drotschmann ist es aber unwahrscheinlich, dass er eine Chance auf eine dauerhafte Putin-Nachfolge habe, denn Mischustin gelte „eher als ein Bürokrat, der zwar gut verwalten kann, aber niemand, der das Land zusammenhalten könnte“.
Dmitri Medwedew wurde schon mal zwischen 2008 bis 2012 von Putin auf dem Posten als Präsident „geparkt“, weil dieser laut damaliger Verfassung nicht erneut antreten durfte. Der Vorsitzende der Putin-Partei Einiges Russland gilt aber unter Experten nicht als Favorit für dessen erneute Nachfolge. Medwedew fehle wie Mischustin das Charisma. Außenminister Sergei Lawrow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu bringen viel Erfahrung mit und werden auch immer wieder ins Spiel gebracht. Doch beide seien „um die 70 und nicht so populär im Volk wie Putin“, so Drotschmann.
Feind des Westens: Favorit auf Nachfolge Putins gilt als Hardliner
Dann kommt der Journalist zu einem Szenario, dass von Russland-Experten für weitaus wahrscheinlicher erachtet wird: Zwei Männer könnten in gegenseitiger Absprache die Nachfolge von Putin übernehmen. Zum einen Nikolai Patruschew, der aktuell Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation ist, zum anderen Alexei Djumin, derzeit Gouverneur des Oblast Tula.
Patruschew wäre mit seinen 71 Jahren auch kein Kandidat für eine neue lange Ära, aber er gilt schon heute unter Fachleuten als zweitmächtigster Mann Russlands und Vordenker des Ukraine-Krieges. Ebenso wie Putin hat er eine Geheimdienstvergangenheit und war als dessen Nachfolger bis 2008 Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB. Patruschew gilt als antiwestlicher Hardliner, der noch in den Mustern des Kalten Krieges denke und ein erbitterter Gegner der NATO ist. Er will die russische Vormachtstellung wie zu Zeiten der Sowjetunion wiederbeleben.
Drotschmann befürchtet deshalb: „Die Politik, die Wladimir Putin bisher verfolgt, würde wohl fortgesetzt werden. Vielleicht sogar noch etwas aggressiver.“ Der Präsident könnte Patruschew als Nachfolger empfehlen, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr regieren kann und ihm so ins Amt verhelfen.
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Wird dieser junge Politiker auf lange Sicht als Putin-Nachfolger aufgebaut?
Auf lange Sicht könnte dann Gouverneur Alexei Djumin als künftiger Präsident aufgebaut werden. Auch er gilt als Putin-Vertrauter und ist erst 49 Jahre alt. Djumin spielte eine führende militärische Rolle bei der Annexion der Krim 2014. Dafür erhielt er den höchsten Orden des Landes, die Auszeichnung als „Held Russlands“. Zwischenzeitlich war er stellvertretender Verteidigungsminister, bis er 2016 Gouverneur von Tula in Zentralrussland wurde. Auch Djumin würde wohl die antiwestliche Linie des Kreml weiter verfolgen.
Somit zieht Drotschmann am Ende seines MrWissen2go-Videos ein ernüchterndes Fazit: „Der Gedanke, Wladimir Putin muss weg, dann ändert sich alles, der greift zu kurz.“ Dafür hat Putin mit seinem Zirkel das politische System und die öffentliche Meinung zu stark unter Kontrolle und die eigene Macht etabliert. Liberale Gegenkandidaten, wie der im Haft sitzende Alexei Nawalny, scheinen chancenlos.