Der Bundesparteitag der Grünen (14.-16. Oktober) in Bonn ist der erste Parteitag in Präsenz seit 2019. Für mehr als Zweidrittel der Delegierten ist es eine Premiere.
Und auch für mich ist es der erste Parteitag, allerdings nicht als Delegierte, sondern als Journalistin. Die ein oder andere Kuriosität konnte ich dabei beobachten.
Grün, Grün, Grün sind alle meine Kleider
Bereits auf dem Weg zum Bundesparteitag begegne ich den ersten Delegierten der Grünen. So sitzen mir im Zug von Hamburg nach Bonn schräg gegenüber ein Mann und eine Frau, beide jung und beide tragen sie grüne Oberteile. Die Frau schreibt in ein grünes Notizbuch und verstaut ihre Dinge in einer grünen Bauchtasche. Direkt vor mir zeichnet sich ein ähnliches Bild ab und auch direkt neben mir nimmt eine Frau Platz, auch sie trägt ein grünes Oberteil.
Die Delegierten auf dem Weg zum Bundesparteitag nach Bonn erinnern mich an Fußballfans auf dem Weg ins Stadion.
Bundesparteitag: Ausgerechnet Klimaaktivisten protestieren gegen Grüne
Den Weg zum World Conference Center, der Ort, an dem die Grünen tagen, kann ich auf jeden Fall nicht verfehlen. Die Strecke zwischen Straßenbahn-Haltestelle und Tagungsgebäude ist mit „Atomkraft? Nein danke“-Plakaten und „Alle Dörfer bleiben“-Symbolen gepflastert.
Die Gründungsgeschichte der Grünen und gewissermaßen die DNA der Partei – die Ablehnung von Atomkraft – begegnet mir so auf der gesamten Heussallee. Als ich am Ende der Allee zum Platz der Vereinten Nationen abbiege, sehe und vor allem höre ich schon die ersten Proteste.
Das Kuriose: Unterschiedliche Gruppen demonstrieren für teilweise gegensätzliche Anliegen. Die meisten sind gegen Kohle und Atomkraft, einige wenige aber auch dafür. Und auch Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Fridays for Future demonstrieren gegen das, was die Grünen drinnen besprechen werden. Sogar ein Grünen-Mitglied steht vor dem Kongresscenter und kritisiert die eigene Partei. Ihr Vorwurf: Das von den Grünen geplante Selbstbestimmungsgesetz sei eine Gefahr für die Rechte, die sich Frauen erkämpft haben.
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Parteitag wie ein emotionales „Familientreffen“
Die Bundesdelegiertenkonferenz verläuft ganz anders als ich mir anfangs vorstellte. Viel friedlicher, versöhnlicher, besser geordneter und weniger kontrovers. Auch diskutierten die Grünen viel schneller, wodurch ich früher als gedacht Feierabend hatte. Die Grünen selbst sprechen von einem „Familientreffen“. Und das wird auch ziemlich schnell an den ersten emotionalen Reden deutlich.
Die Parteivorsitzende Ricarda Lang muss am Ende ihrer Rede unter tosendem Applaus mit den Worten „Ich gehe mal von der Bühne, bevor ich anfange zu heulen“ das Podium verlassen. Und auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck scheint es so, als würde ihm bei seiner Rede leicht die Stimme wegbrechen. „Nie war ich so stolz auf diese Partei“, betont der Vizekanzler sichtlich gerührt.
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Grüne Bundeswehr auf dem Parteitag
Außerhalb des Plenarsaals fällt mir ein Ausstellerstand besonders ins Auge: „BundeswehrGrün“. Doch wie passt die Bundewehr mit der traditionellen Einstellung der Grünen von „Frieden und Abrüstung“ zusammen? Philipp Zeller, Vorsitzender von BundeswehrGrün, meint: „Wunderbar!“ Diesen Gegensatz würde Zeller so auch nicht unterzeichnen. Er habe noch nie miterlebt, dass Soldatinnen oder Soldaten sagen würden: „Yeah, Krieg!“ Wer schon mal im Einsatz in einem Krisen- oder Kriegsgebiet gewesen sei, wisse, was Krieg bedeute.
Seit eineinhalb Jahren gibt es den Verein mit mittlerweile rund 70 Mitgliedern. Die Partei habe zwar schon immer mit der Bundeswehr gefremdelt, aber man habe laut Zeller auch schon damals erkannt, dass „der Einsatz von Militär zum Schutz von Menschenleben vor Massenmördern nicht unbedingt erstrebenswert ist, aber doch in der aktuellen Situation eine Rechtfertigung hat.“ Der grüne Kurswechsel in der Sicherheitspolitik angefangen von Anton Hofreiter über Robert Habeck bis hin zu Annalena Baerbock, bewerte Zeller als positiv.
Aber er betont: „Die Welt ist eine bessere, wenn es keine Schusswaffen, keine Militärs und keine Autokraten gibt, die meinen mit Waffengewalt ihre Ideologie durchsetzen zu wollen.“
Hier stehen alle Schlange
Auch die Grünen finanzieren ihren Parteitag durch Sponsoren. Dabei fällt mir die letzte und fünfte Kuriosität auf. Ein bestimmter Ausstellerstand zieht die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Während ich mir im Snack-Bereich ein 0,5 Liter Sprudelwasser für 3,50 Euro kaufe, bekomme ich gegenüber am Stand von GaLaBau NRW Süßigkeiten umsonst.
Und auch andere – ob Pressevertreter, Gäste oder Delegierte – sieht man immer wieder mit kleinen, weißen Tütchen, gefüllt mit süßen und sauren Leckereien.