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NSU-Prozess wird mindestens bis Ende 2014 dauern

NSU-Prozess wird mindestens bis Ende 2014 dauern

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NSU-Prozess Foto: dpa
Für den NSU-Prozess hat das Oberlandesgericht München Verhandlungstermine bis Ende 2014 angesetzt. Eine Gerichtssprecherin bestätigte entsprechende Berichte. Bislang hatte das Gericht Termine bis Januar 2014 angesetzt, jetzt soll es rund zu den 85 geplanten zusätzliche 100 Verhandlungstage geben.

München. 

Der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier angebliche Unterstützer wird voraussichtlich mindestens bis Ende des nächsten Jahres andauern. Wie mehrere Verfahrensbeteiligte bestätigten, hat das Oberlandesgericht München die bisherige Planung deutlich verändert. Statt den 85 Verhandlungstagen, die bisher vorgesehen waren, wurden nun zusätzlich etwa 100 anberaumt. Der letzte Termin ist der 19. Dezember 2014.

Der bisherige Zeitplan war schon mit Prozessbeginn Makulatur. Die Hauptverhandlung hatte sich wegen der Eklats um die Vergabe der Presseplätze um mehrere Wochen verzögert und war schon nach einem Tag wieder für etliche Wochen unterbrochen worden. Erst Ende Juni konnte deshalb mit der Beweisaufnahmen begonnen werden, die sich langsamer als erwartet verläuft. Bisher wurde erst ein kleiner Bruchteil der insgesamt rund 600 Zeugen vernommen.

„Wie eine Kröte hochwürgen“: Die Aussagen des NSU-Helfers Holger G.

Am Dienstag stand nun der NSU-Helfer Holger G. im Mittelpunkt. Die Drei kamen seit 2006 jedes Jahr bei ihm in Hannover vorbei, immer im Sommer, auf dem Weg zur oder von der Ostsee: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. „Wenn wir uns getroffen haben“, sagte er, „hat Beate immer einen Kuchen gemacht, den wir dann gegessen haben. Wir haben Karten gespielt und uns einmal auch die Stadt angeschaut. Der Böhnhardt und der Mundlos, das waren Macher, Ideengeber, sie hatten Tatendrang.“

Die Sätze stammen aus dem Protokoll einer Vernehmung von G. am 14. November 2011. Der Mann, 1974 in Jena geboren, war tags zuvor von einem Sondereinsatzkommando verhaftet worden. Vorwurf an den Gabelstaplerfahrer, der seit 1997 in Niedersachsen wohnt: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, deren Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) die Republik erst seit kurzem kannte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Zur Vorführung beim Haftrichter war unter anderem Staatsanwalt Gerwin Moldenhauer dabei – der nun, am Dienstagvormittag, als Zeuge im Schwurgerichtssaal A 101 des Münchner Oberlandesgerichtes auftritt. Es geht darum, die Protokolle offiziell in die Hauptverhandlung gegen den NSU einzubringen, wobei es hier ausdrücklich nur um zwei ermittlungsrichterliche Vernehmungen geht. Insgesamt wurde G. ein Dutzend Mal verhört.

Staatsanwalt zwei Stunden auf der Zeugenbank

Die Situation wirkt für Laien einigermaßen absurd, ist aber formal notwendig – zumal Holger G. im Gericht nur eine Erklärung abgegeben hatte, zu der er keine Nachfragen beantworten wollte. Also versucht sich Moldenhauer daran zu erinnern, was längst aktenkundig ist und allen Verfahrensbeteiligten vorliegt. Nur der Zeuge darf das Protokoll nicht benutzen.

NSU-ProzessUnd so sitzt Staatsanwalt Moldenhauer, ein 39-jähriger Mann mit vollem, blondem Haar, gut zwei Stunden auf der Zeugenbank. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl fragt Absatz für Absatz der Vernehmungsprotokolle ab – und sorgt somit dafür, dass die damaligen Aussagen von G. später in das Urteil einfließen können. Denn Holger G. ist nicht nur Angeklagter, sondern neben dem Mitangeklagten Carsten S. einer der wichtigsten Belastungszeugen.

Er hatte in der Erklärung gestanden, dem Trio – so wie S. – eine Waffe nach Sachsen gebracht zu haben. Wie bei S. habe Ralf Wohlleben den Transport organisiert. Durch G., sagt Moldenhauer am Dienstag vor Gericht, seien „Ermittlungsansätze geliefert“ worden. Der ganze Komplex gegen Wohlleben, „das hatte ja seine Ursprünge in seinen Aussagen“.

Doch auch sich selbst hatte Holger G. belastet. Er gab zu, „den beiden Uwes“ gleich zweimal seinen Reisepass überlassen zu haben, dazu noch seinen Führerschein und eine ADAC-Karte. Für Zschäpe besorgte er eine Krankenkassenkarte. Für den zweiten Pass im Jahre 2011 passte G. sogar sein Aussehen an Böhnhardt an, indem er sich unter anderem die Haare schnitt.

Götzl referiert aus der Vernehmung: „Ich habe es aus einem Gefühl der Verbundenheit getan. Ich habe Ihnen den Führerschein gegeben, weil ich sie nicht enttäuschen wollte.“ Und weiter: „Ich habe den anderen gerne geglaubt, dass nichts Schlimmes passiert. Da habe ich mich selbst betrogen. Ich habe es verdrängt, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Man konnte schon davon ausgehen, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich habe es außen vorgelassen, was sie wohl tun würden.“

Die Sätze, die Götzl so flüssig auf der Richterbank vorträgt, wurden von G. damals nur stockend und oft auf Nachfragen geäußert. „Es war eine Zangengeburt“, erinnert sich Moldenhauer, „wie eine Kröte hochwürgen.“ Auch änderte G. während der Vernehmungen seine Aussage entscheidend an mehreren Stellen. So erzählte er erst, dass die beiden Männer 2011 den Pass zufällig in seinem Auto gefunden hätten. In der zweiten Vernehmung räumte er schließlich ein, dass das Dokument eigens für Böhnhardt angefertigt wurde.