In NRW kamen die Piraten bei der letzten Wahl gerade mal auf 1,5 Prozent, in Berlin gelangen den Freibeutern gleich deutlich über acht Prozent. Mit aktiver Wahlkampfhilfe aus NRW übrigens. Hier hofft man nun auf einen ordentlichen Motivations- und Bekanntheitsschub. In Berlin wurde derweil ausgiebig gefeiert. Das Programm der Berliner Piraten ist ein bunter Mix
Essen.
Bereits vor der ersten Hochrechnung bricht in der Kreuzberger Diskothek Jubel aus. Die Piraten feiern eine Premiere in eigener Sache: Die erste Live-Schaltung im Fernsehen zu ihrer Wahlparty. Viele junge Männer sind da, aber auch Frauen, sogar ein paar Kinder. Viele tragen T-Shirts mit dem Piraten-Logo, einige auch Augenklappen und Piratenkopftücher. Es ist warm, stickig und eng. Alle starren auf die Leinwand. Dann der Countdown: Gemeinsam zählen sie die letzten zehn Sekunden „10, 9, 8…“. Die ersten Zahlen: Buh-Rufe für die CDU. Jubelnde Schadenfreude über die FDP.
Dann geht es erst richtig los: 8,5 Prozent für die Piraten, die sich schnell in den Armen liegen. 14 Sitze stehen ihnen demnach zu. Wenig später sind es schon 15. Mehr Listenplätze haben die Piraten gar nicht besetzt. Mit so einem Ergebnis hatten sie selber kaum gerechnet. Philipp Magalski, 37 Jahre alt, Platz 2 der Landesliste ist zufrieden „Das Gefühl ist sehr gut. Wir werden jetzt erst einmal unseren Erfolg genießen“.
Stark in den Städten
Schon bei der Bundestagswahl erzielte die Partei in Berlin mit 3,4 Prozent ihr bestes Ergebnis. Bei allen Wahlen der letzten drei Jahre waren die Piraten stark in den Städten, eher schwach auf dem Land. Die Piraten werden von Jung- und Erstwählern bevorzugt, eher von Männern als von Frauen. Und über 30 Jahre, so die Wahlforscher, haben sie fast keine Wähler.
Sie profitieren vermutlich von der Enttäuschung über die Regierungsparteien, und in Berlin reden wir da über SPD und Linke auf Landesebene und CDU und FDP im Bund. Nach ihrem Erfolg wollen sie für mehr Transparenz sorgen. Die Bürger sehnten sich „nach einer anderen Art Politik“, sagte der Spitzenkandidat der Piraten, Andreas Baum, in der ARD. Der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz sagte einer Agentur, die Partei habe Chancen, 2013 in den Bundestag zu kommen.
Mit dem Rechts-Links-Schema können und wollen die Piraten nichts anfangen. Über ihr Programm durften die Mitglieder im Internet beraten und abstimmen. Heraus kam ein bunter Mix. Neben Themen wie Netzfreiheit, Datenschutz und Bürgerrechte finden sich Forderungen wie freie Fahrt im öffentlichen Nahverkehr, Verstaatlichung der Energie- und Wasserversorgung und „Rauschunterricht“ an den Schulen. Berauschen ist an diesem Abend – ihr Erfolg.
„Toller, cooler Wahlkampf“
Eine zentrale Party gab es am Sonntagabend bei den nordrhein-westfälischen Piraten dagegen nicht. Einen derartigen Triumph hatte man wohl auch nicht erwartet. Immerhin wurde in Düsseldorf, Herne, Soest und Münster und manch anderen Piraten-Zentren im kleineren Kreis bejubelt, was den Berliner Freibeutern gelungen ist. Über acht Prozent: Bei der letzten Wahl in NRW kam man gerade auf 1,5 Prozent.
Was haben die Berliner, was die NRW-Piraten nicht haben? „Die haben einfach einen tollen, coolen Wahlkampf gemacht. Mit coolen Plakaten prägnanten Sprüchen. Sie waren sehr präsent auf den Straßen, einfach anders als die anderen,“ freut sich Birgit Rydlewski (41), ehemalige Landesvorsitzende der Piraten in NRW, mit den Hauptstädtern. „Allerdings ist es im dichten Berlin auch etwas leichter, so konzentriert aufzutreten als bei uns im weitläufigen NRW“. Auf jeden Fall erhofft sie sich von dem sensationellen Erfolg auch für die Partei in NRW einen Schub. „Wir waren hier bisher noch nicht so präsent in den Medien. Wenn wir jetzt mehr wahrgenommen werden, kann das zur self-fullfilling prophecy werden.“
Mit offenen Armen von Bürgern empfangen
Das hofft auch der aktuelle zweite Landesvorsitzende der NRW-Piraten, Kai Schmalenbach (41), der die drei letzten Tage in Berlin verbracht hat und dort auch den Sieg mitfeiert: „In NRW war es bisher richtig schwer, wahrgenommen zu werden. Der Sieg in Berlin bringt uns viel Motivation. Wir haben viel geackert, sind lange auf dem Zahnfleisch gelaufen. Um dann bei 1,5 Prozent zu landen. Das wird jetzt sicher besser.“
Zahlreiche Piraten aus NRW haben beim Wahlkampf in Berlin geholfen, sich eigens Urlaub genommen dafür. „Das war richtig euphorisierend. Wir sind mit offenen Armen von den Bürgern empfangen worden.“, erklärt Schmalenbach gegenüber dem Westen.
1917 Mitglieder in NRW bisher
In NRW hatten die Piraten bislan 1917 Mitglieder, die meisten zwischen 20 und 30 Jahren, aber durchaus Ältere. Auch bei der Mitgliederzahl hofft man jetzt freilich auf Zuwachs. Konkrete Ideen für künftige Parteiarbeit und das Programm wollen die Piraten in Kürze bei einem „Open-minds“-Treffen mit Diskussionen über philosophische Fragestellungen in Kassel entwickeln.