Aktuell ist der Preis für einen Liter Milch im Keller. Die Landwirte verlangen aber keine Subventionen – sie wollen gleiche Bedingungen in der EU.
Kleve.
Der Rhein, eine Brücke und gegenüber Kleve. Wiesen soweit das Auge reicht. Wildgänse landen. Die Kühe von Milchbauer Arnold Hoegen beäugen die gelandeten Nachbarn misstrauisch, wenden sich dann aber wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung zu: Gras fressen. Lange können sie nicht mehr auf der Weide stehen. Der Winter kommt. Um 16 Uhr geht es wieder in den Stall. Melken. Doch die Idylle hat einen Haken: Von den Einnahmen durch die Milch allein, können die Bauern schon lange nicht mehr über die Runden kommen. Der Preis ist im Keller. Derzeit erhalten die Landwirte gerade einmal 30,91 Cent netto pro Kilogramm Rohmilch. Um kostendeckend zu arbeiten, wären aber rund 40 Cent pro Kilogramm nötig.
Es sind vor allem die unterschiedlichen Produktionsbedingungen innerhalb der Europäischen Union, die den Landwirten zu schaffen machen. Der Hof Bauer Hoegen liegt nur vier Kilometer von der niederländischen Grenze entfernt. Hoegen darf nur 170 Kilogramm eigenen Stickstoff, also Gülle aus seinem Stall, auf seinem Land ausschütten. Er muss teuren chemischen Stickstoff hinzukaufen, um die Futtermittelerträge zu erzielen, die er benötigt. Vier Kilometer westlich dagegen dürfen die Landwirte gleich 230 Kilogramm nutzen und haben so deutlich niedrigere Produktionskosten und verdienen so an jedem verkauften Kilogramm Rohmilch proportional deutlich mehr als die Konkurrenten diesseits der Grenze. „Ich erwarte von der Politik, dass wir mindestens gleiche Bedingungen in der EU haben“ sagt Hoegen.
Milchproduktion ist längst Hightech
Auch, damit sich die Investition in den Betrieb amortisieren. Und die sind gewaltig. In seinem Betrieb hat Hoegen eine moderne Melkanlage, die erfasst, welche Kuh wann und wie viel Liter Milch gegeben hat. Mittels eines Transponders, der mit dem Computer vernetzt ist, hat der Landwirt „alles im Blick“. Unterstützt wird er zusätzlich durch weitere technische Hilfsmittel: Kameras, tragbare Computer. Hoegen hat zu jeder Zeit die volle Kontrolle über seine Kühe. Milchproduktion ist längst Hightech. Effizienz und Nachhaltigkeit sind überlebenswichtig. 150 Kühe müssen pro Tag zweimal gemolken werden, hinzu kommt die Aufzucht von Kälbern und – natürlich – die akribische Buchführung.
Anders könnten sich Hoegen und seine deutschen Kollegen am Weltmarkt auch gar nicht mehr behaupten. Diverse Handelshemmnisse – wie das von Russland verhängte Handelsembargo gegen den Westen und die geringe Nachfrage nach Milchpulver aus China – setzen die Landwirte zusätzlich unter Druck. Auch gibt es momentan zuviel Milch auf dem Markt, weil unter anderem Neuseeland extrem viel Milch produziert. Das führt dazu, dass auch der Preis für Milch aus Deutschland – die für den Export gedacht ist – sinkt. Das würden große Discounter ausnutzen, sagt Hoegen. Sie würden den Preis dann noch einmal drücken.
Schwere Zeiten für die Bauern. Dann heißt es, den Gürtel enger zu schnallen. „Man lebt von seinen finanziellen Rücklagen, investiert weniger“, erklärt Hoegen. Außerdem setzt er wie viele seiner Kollegen inzwischen zu Teilen auch auf Photovoltaik. Auf den großen Dachflächen der Stallungen ist genügend Platz für die moderne Stromerzeugung. Mit Hightech kennen sich die Landwirte ja schon aus.
Ehefrau arbeitet halbtags in der Chemiebranche
Hoegen stemmt die Arbeit mit einem Lehrling und zwei Aushilfskräften. Seine Frau arbeitet nicht hauptberuflich auf dem Hof. Sie hat einen guten Job in der Chemiebranche, dem sie halbtags nachgeht. Wenn sie nach Hause kommt, kümmert sie sich um die gemeinsame Tochter und den Haushalt. „Es stand nicht zur Debatte, dass meine Frau mit ihrer Qualifikation die Hilfsarbeiten auf dem Hof macht“, sagt Hoegen. In der so schwierigen Lage für die Landwirte in Deutschland ist das ein Glück für die Hoegens. „Meine Frau spricht vier Fremdsprachen und bekommt ihr Können woanders besser bezahlt.“