Gibt es Methoden, die verhindern können, dass Autofahrer auf die falsche Spur geraten? Nach dem Horror-Unfall auf A5 stellen sich viele diese Frage. Die Antwort: Ja, Forscher und Automobilhersteller tüfteln an technischen Hilfen, die Geisterfahrer ausbremsen.
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Nach dem furchtbaren Unfall auf der A 5 mit sechs Todesopfern fragen sich viele, wie sich solche Geisterfahrer-Karambolagen künftig vermeiden lassen. Gibt es heute schon Methoden, Signale, technische Lösungen, die effektiv verhindern könnten, dass Autofahrer auf die falsche Spur geraten? Antwort: Ja, es gibt neue Strategien gegen Falschfahrer. Aber fast alle sind sehr teuer, und keine ist in der Lage, das Problem komplett zu lösen.
Neongelbe Warnschilder mit der Aufschrift „Stop – falsch“
In Bayern läuft seit 2011 ein Modellprojekt, das sich am Vorbild Österreich orientiert. An drei Autobahn-Abschnitten der A3, A8 und der A94 wurden im Bereich von Auffahrten neongelbe Warnschilder montiert. Eine schwarze Hand auf gelbem Grund und die Schrift „Stop – falsch“ sollen jedem Autofahrer anzeigen, wo es nicht lang geht. Außerdem hat die Staatsregierung im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen dort auch die Fahrbahnmarkierungen neu gestaltet. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) würde gern mehr dieser Schilder in ganz Deutschland aufstellen lassen.
Das Projekt in Bayern läuft noch bis 2013, für eine Bilanz ist es laut bayerischem Innenministerium noch viel zu früh. Aber schon heute ist klar, dass sich nicht alle Fahrer von den Warnschildern beeindrucken lassen. „Wir beobachten noch immer, dass an diesen Stellen Falschfahrer auf die Autobahnen fahren. An dem Abschnitt an der A8 zwischen der Österreichischen Grenze und der Ausfahrt Übersee waren es im letzten Jahr drei und in diesem Jahr bis Ende September fünf“, so ein Ministeriums-Sprecher. Im Jahr vor dem Modellversuch wurden an dieser Stelle fünf Geisterfahrer gezählt. Auch in Österreich gibt es bisher keine abschließende Bilanz dieser Maßnahme. Erfolgsaussichten: nicht bewiesen.
Metallkrallen, die die Reifen zerstören
Manche Länder setzen auf fest in der Fahrbahn montierte Metallkrallen, die die Reifen zerstören, wenn jemand in falscher Richtung auf die Autobahn fahren will. Die Türkei und einige Regionen in den USA vertrauen dieser Methode, denn sie ist effektiv. Auch manche Polizisten in Deutschland empfehlen die Metallkrallen. Aber Rettungsdienste warnen eindringlich davor. In manchen Unfall-Situationen ist es wichtig, dass die Helfer auch in „falscher“ Richtung auf die Autobahn fahren. „Die Retter müssten dann eine Art Schlüssel haben, um die Krallen zu deaktivieren. Das kostet Zeit, und es ist eine ständige Fehlerquelle“, sagt Heinrich Bergerbusch, Experte für Verkehrssicherheit bei Straßen.NRW. Erfolgsaussichten: gut. Aber hohe Kosten für Bau und Wartung und Probleme bei Rettungseinsätzen.
Eine Alternative zum Aufstellen von neuen Warnschildern oder eine Ergänzung dazu sind Veränderungen der Autobahn-Auffahrten. „Man kann die Verkehrsführung verbessern, neue Linien ziehen, Abbiegespuren verändern. Verkehrsschilder und Linien müssen stets erkennbar sein, da geht es also auch um die Wartung“, erklärt Heinrich Bergerbusch. Eine Projektgruppe bei Straßen.NRW analysiert gerade verschiedene Maßnahmen. Noch in diesem Jahr soll es Ergebnisse geben. Erfolgsaussichten: nicht bewiesen.
Falschfahrer mit Detektoren aufspüren – Feldversuch in Bochum
Wissenschaftler aus Dortmund und Aachen erforschen gerade die Möglichkeit, Falschfahrer mit Detektoren an der Fahrbahn aufzuspüren. Ein Feldversuch läuft an der A43 in Bochum. Zwischen sechs Leitpfosten wird ein Funkfeld aufgebaut, das durchfahrende Fahrzeuge registriert. Das System ist „energieautark“, es wird mit Solarstrom betrieben. Mit dieser Methode kann man Autos einfach nur zählen, aber auch erkennen, ob jemand falsch auf die Autobahn auffährt. „Per Funksignal würde dann die Polizei oder eine Verkehrs-Leitstelle informiert.
Auch Autofahrer, die in der Nähe sind, könnten über Handy oder Navi über den Falschfahrer informiert werden“, erklärt Dirk Kemper vom Institur für Straßenwesen an der RWTH Aachen. „Über eine Smartphone-App wüssten Autofahrer innerhalb von drei Sekunden von der Gefahr“, sagt Andreas Lewandowski (TU Dortmund). Die Kosten sollen angeblich nicht viel höher sein als das Aufstellen der neongelben Warnschilder. Detektoren könnten auch ein Blinklicht auslösen, das an der Fahrbahn steht. Erfolgsaussichten: noch unklar.
Navigationssysteme könnten Fahrer viele besser vor Falschfahrern warnen. Die Merkehrs-Meldungen gelangen ohnehin über den „Traffic Message Channel“ (TMC) ins Gerät. „Man müsste die Warnung einfach deutlich anzeigen. Das ist eine Aufgabe der Navi-Hersteller“, erklärt Jürgen Berlitz vom ADAC. Erfolgsaussichten: noch unklar, aber praktikabel.
Autohersteller arbeiten daran, die Warnsysteme in den Fahrzeugen zu optimieren. Das kann eine automatische Verkehrszeichen-Erkennung sein, die eine Warnung auslöst. Denkbar ist auch ein Datenaustausch zwischen zwei Fahrzeugen (Car-to-car-Kommunikation). Dann würden die Fahrzeuge selbst erkennen, wenn etwas „falsch“ läuft. Erfolgsaussichten: theoretisch gut, aber die Technik ist noch Zukunftsmusik. Außerdem dauert es Jahrzehnte, bis alle Fahrzeuge über solche Funktionen verfügen.
Laut ADAC ist kein „Allheilmittel“ gegen Falschfahrer in Sicht. Weil es Geisterfahrer praktisch überall gibt, müssten sämtliche 4000 Autobahnauffahrten in Deutschland umgerüstet werden. Das mache die Sache extrem teuer. Außerdem entstehen Falschfahrten auch durch falsche Manöver in Baustellen und auf Rastplätzen, es geht also nicht nur um die Auffahrten.
Selbstmörder dürften sich durch die genannten Maßnahmen ohnehin nicht beeinflussen lassen. Weil viele Falschfahrten unter Alkoholeinfluss entstehen, sind strenge Kontrollen auch eine Strategie gegen Geisterfahrer. Schließlich gibt es noch ein Risiko, das von den Navigationsgeräten ausgeht. Der Spruch „Wenn möglich, bitte wenden“, könnte manchen Fahrer auf Autobahnen zu gefährlichen Manövern animieren. „In unseren Studien haben wir festgestellt, dass sich manche Fahrer sehr an die Anweisungen des Navis halten. Das kann gefährlich werden“, erklärt Dirk Kemper von der RWTH Aachen.