Der Austritt aus der Kirche darf einen Caritas-Angestellten den Job kosten, so das Bundesarbeitsgericht. Doch die Sonderstellung gerät in die Kritik. Wieder einmal rücken die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts in den Fokus. Die Kirche wehrt sich.
Essen/Düsseldorf.
Wer bei der Caritas angestellt ist, mehr als 15 Berufsjahre auf dem Buckel hat und älter ist als 40, ist unkündbar – soweit die Richtlinien des katholischen Wohlfahrtsverbandes. Dennoch verlor der 60-jährige Mannheimer Sozialarbeiter H. seinen Job bei der Caritas durch eine außerordentliche Kündigung – weil er aus der Kirche ausgetreten war. Der Sozialarbeiter zog vergeblich vor das Arbeitsgericht. Zweimal wurde seine Klage abgewiesen. Gestern nun bestätigte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die früheren Entscheidungen.
Damit ist zwar der Einzelfall geklärt, doch wieder einmal rücken die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechtes in den Mittelpunkt. Ob Erzieherin, Krankenpfleger, Chefarzt oder Lehrer: Wer bei einem kirchlichen Träger angestellt ist, arbeitet unter ganz anderen Bedingungen als andere Arbeitnehmer. So entscheiden Gremien, die aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen, über Löhne und Arbeitsbedingungen („Dritter Weg“) und nicht die Tarifpartner, oder, wie im Beamtenrecht, nur der Arbeitgeber. Streiks sind unzulässig.
Obendrein greift das kirchliche Arbeitsrecht kräftig ins Privatleben ein. So verlangt der Arbeitgeber eine Übereinstimmung mit den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen. Wer für die katholische Kirche arbeitet, muss auch Mitglied der katholischen Kirche sein. „Kirchenaustritt ist der schwerste Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters“, kommentierte Andreas Meiwes, Diözesan-Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Essen, das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Doch die persönlichen Einschränkungen gehen weit darüber hinaus: Geschiedene dürfen nicht wieder heiraten, das Zusammenleben ohne Trauschein ist tabu ebenso wie homosexuelle Beziehungen.
Durch alle Instanzen
Diese Einmischung in die persönlichen Lebensumstände sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für juristische Auseinandersetzungen durch alle Instanzen. Wie im Fall eines wiederverheirateten Kirchenmusikers, dem das Bistum Essen kündigte. Der Organist setzte sich erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durch. Anders als die deutsche Justiz entschieden 2010 die Richter in Straßburg, die Kündigung habe gegen das Recht auf Privatleben verstoßen.
Der Rauswurf des wiederverheirateten Chefarztes einer katholischen Klinik in Düsseldorf wurde auch in Deutschland für rechtswidrig erklärt. Ohne das Arbeitsrecht infrage zu stellen, mahnten die Richter die Abwägung der Interessen beider Seiten an.
Die Stadt Königswinter leistete ohne Gericht Widerstand: Vor einem Jahr entzog sie der Kirche die Trägerschaft einer katholischen Kita. Grund war die Kündigung der Leiterin, die nach der Trennung von ihrem Mann mit einem neuen Partner zusammenlebt.
Trotz dieser Auseinandersetzungen: Für den Essener Caritasverband ist das kirchliche Arbeitsrecht fest verankert. „Es ist von der Verfassung geschützt. Das hat das Erfurter Gericht nun bestätigt.“
An diesem Schutz rüttelt nun Verdi. Die Gewerkschaft hat vor Kurzem eine Verfassungsbeschwerde eingereicht und will das Streikrecht bei Kirchen durchsetzen.
Auch die Politik debattiert
Auch politische Auseinandersetzungen stehen bevor. So verteidigt die CDU-Landtagsfraktion kirchliche Sonderrechte. „Jeder Arbeitgeber sucht sich Mitarbeiter aus, die zu seinem Betrieb passen“, sagte CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann unserer Zeitung. Dass Kirchen Wert darauf legten, Mitarbeiter zu beschäftigen, die „sich zu den Werten des Christentums bekennen“, sei richtig, heißt es in einem CDU-Antrag im Landtag. Doch nicht nur das Arbeitsrecht steht im Fokus. Teile von SPD, Grünen und Gewerkschaften wollen die Kirchensteuer abschaffen. Und staatliche Zahlungen an die evangelische und katholische Kirche.