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Kastanienzeit

Kastanienzeit

Im letzten Frühjahr haben wir zwei große Beutel mit Kastanien in den Kompost geworfen. Sie waren übrig vom vergangenen Herbst, weil die Rehe im Gehege keine Kastanien mehr fressen wollten. Sie waren ihrer schlichtweg überdrüssig geworden, was aber zu erwarten gewesen war: Wer frisst schon gern in einem fort Kastanien, die Kinder kübelweise durchs Gatter kippen? – Jetzt ist wieder Kastanienzeit. Was nicht in Rehmägen landet, wird verbastelt. Auf dem Tisch im Wohnzimmer liegt eine Kette aus den Nussfrüchten, es ist nett anzusehen, wie sie kunstvoll auf Bastband gezogen wurden. Daneben allerlei Figuren: Wäre man ehrlich, hätte man mit den Kreaturen Mitleid, unförmig wie sie gewachsen sind – etwa mit der Giraffe, die wegen ihrer ungleich langen Beine und einem viel zu schweren Hals kaum Standvermögen hat. Gäbe es einen Kastanienlöwen, er hätte leichtes Spiel mit seiner Beute, geht es einem durch den Kopf. Doch dann denkt man an seine eigene Kastanienzeit, greift vorsichtig nach der Wackel-Giraffe und richtet ihr ein weiteres Mal Hals und Beine…