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Käßmann ist eine Theologin mit Superstar-Qualitäten

Käßmann – eine Theologin mit Superstar-Qualitäten

Hunderte Fans von Margot Käßmann drängten sich zur Lesung der ehemaligen EKD-Vorsitzenden in Berlin. Bei der ersten Station der Lesereise zum neuen Buch „Sehnsucht nach Leben“ trat der Buchinhalt häufig in den Hintergrund.

Berlin. 

Größer könnte der Kontrast kaum sein: Als Margot Käßmann ihr Buch schrieb, wohnte sie in einem Studentenwohnheim in Amerika. Jeden Morgen habe sie sich an ihren Schreibtisch gesetzt, den Blick auf einen Baum vorm Fenster gerichtet und dabei zugesehen, wie die Sonne aufgeht. Wenn die ehemalige Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland von der Entstehung ihres neuen Buches „Sehnsucht nach Leben“ berichtet, spricht sie von Ruhe, vom In-sich-gekehrt-sein.

Am Dienstag stellte sie ihr Buch in einem großen Berliner Medienkaufhaus vor. Schon Stunden bevor Käßmann das Podium betritt, drängeln sich hunderte Fans der Theologin vor dem Eingang. Es ist laut, eng und warm. Von Ruhe keine Spur. Nur wenige der Besucher halten das neue Buch von Käßmann in der Hand, um das es bei der ersten Lesung eigentlich gehen soll. Nein, sie scheint etwas anderes hierhin zu treiben, die Sehnsucht nach der Person Margot Käßmann.

Populärer denn je

Käßmann ist offenbar eine Theologin, die die Massen bewegt. Ihr Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende als Konsequenz einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss hat ihre Popularität noch gesteigert. Diese Anziehungskraft könne sie sich selbst nicht erklären, sagte Käßmann. Es sei aber „sehr anrührend“ für sie. Auch könne es sein, dass Menschen Sehnsüchte auf sie projizierten, die sie eigentlich gar nicht erfüllen könne.

Sehnsüchte – das Stichwort des Abends. Jeder habe sie, die Sehnsucht nach Liebe, nach Geborgenheit, nach Freiheit und Frieden. „Ich bin überzeugt, dass Sehnsucht eine sehr positive Antriebskraft sein kann“, erklärt Käßmann. Doch sie könne auch ins Negative umschlagen, etwas Destruktives haben. Dann, wenn jemand permanent unzufrieden ist mit seiner Situation und sich immer das wünscht, was er nicht hat.

Die Menschen im Publikum nicken immer wieder, während Käßmann spricht. Sie scheinen dem zu glauben, was die Theologin mit dem regelmäßigen Verweis auf die Bibel sagt. Vielleicht ist es das, was sie an diesem Abend hierhin führt – in Zeiten, in denen Deutschland über die richtige Haltung in der Atompolitik und gegenüber Libyen diskutiert? Einen Menschen, der ihnen eine Antwort gibt. Eine Theologin, auf deren Meinung sie anscheinend vertrauen.

Käßmann befürwortet Flugverbotszone für Libyen

Menschen dürften Fehler haben, sagt Käßmann. Beruhigend findet sie, dass „auch die Gestalten, die Jesus beruft als Jüngerinnen und Jünger keine große Elitetruppe“ gewesen seien. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund: „Petrus war ein Feigling, Maria Magdalena hat einen zweifelhaften Beruf und die anderen waren auch nicht besser.“ Bei „Deutschland sucht den Superstar“ wären sie alle durchgefallen, glaubt die Theologin und lacht im Chor mit ihren Zuhörern. Doch trotzdem sage Gott: „Ich traue euch etwas zu.“

Käßmann hat auch zu aktuellen Themen eine klare Meinung: Eine Flugverbotszone über Libyen befürwortet sie. Nicht jedoch die militärischen Aktionen auf dem Boden. Sie versteht nicht, wie die EU dem „irrsinnig gewordenen Diktator“ Gaddafi Waffen liefern konnte. Und eine Phase des Innehaltens hätte sie einer sofortigen Entscheidung über die Auswirkungen der japanischen Atomkatastrophe für Deutschland vorgezogen.

Weitere Buchprojekte

Sehnsucht nach einer Auszeit scheint Käßmann selbst nicht zu haben. Allein in diesem Jahr hat sie bereits ihre Tagebücher „Zu Gast in Amerika…“ und das Buch „Sehnsucht nach Leben“ veröffentlicht. Am 5. April folgt eine Kinderbibel. Alle drei Bücher seien während des viermonatigen Aufenthaltes an der Emory-Universität in Amerika entstanden. „Das ist vielleicht die Disziplin meiner Mutter“, sagt Käßmann und lacht. Die habe immer gesagt „Du darfst doch keine Zeit verschwenden.“ Und als Ratsvorsitzende der EKD hätte sie überhaupt keine Zeit gehabt, so ein Buch zu schreiben. Im Mai wird Käßmann als Gast-Moderatorin Judith Rakers bei „3 nach 9“ bei Radio Bremen vertreten. Langeweile kommt da nicht auf.

Käßmann gibt sich bei der Lesung offen, gewährt immer wieder Einblicke in ihr Privatleben, in ihre Gefühlswelt. Nur auf die Frage, wie sie den verzögerten Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg findet, möchte sie bis heute keine Antwort geben. „Ich bin nie zurückgetreten, um Vorbild zu sein“, sagt sie. Vielleicht ist sie es genau durch diesen konsequenten Schritt für viele Gäste im Publikum aber geworden.

Margot Käßmann wird mit ihrem neuen Buch „Sehnsucht nach Leben“ auch nach NRW kommen. Am Dienstag, 29. März, ist sie zu Gast in Köln, am 6. April liest sie in der Pauluskirche in Kamen vor.