200 Euro für jeden, der eine Arbeit annimmt. Jobcenter setzen bei der Vermittlung von Arbeitslosen auch auf die Zahlung von Geldprämien an die Betroffenen. Was etwa in Dortmund und im Kreis Unna offenbar Praxis ist, wird vom Bundesarbeitsministerium scharf kritisiert.
Dortmund/Essen.
Jobcenter setzen bei der Vermittlung von Arbeitslosen auch auf die Zahlung von Geldprämien an die Betroffenen. Was etwa in Dortmund und im Kreis Unna offenbar Praxis ist, wird vom Bundesarbeitsministerium scharf kritisiert. Pauschalen seien für Arbeitslose, die wieder arbeiteten, nicht vorgesehen, betonte eine Sprecherin gestern gegenüber dieser Zeitung.
Mit einer ungewöhnlichen Flugblatt-Aktion machte jetzt das Dortmunder Jobcenter seine Kunden auf die zusätzlichen Geldleistungen aufmerksam. Auf dem Laufzettel wurde den Arbeitslosen versprochen, wer eine sozialversicherungspflichtige Arbeit annehme, erhalte zusätzliches Geld vom Amt: 200 Euro für jeden. Die Bundesagentur für Arbeit hat den Infozettel gestern aus dem Verkehr ziehen lassen. „Selbstverständlich zahlen wir keine Arbeits-Prämien“, sagte Sprecherin Ilona Mirtschin. Der Flyer sei „unglücklich formuliert“. Förderungen seien nur zum Zweck der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt denkbar, dies könnte Geld für Arbeitskleidung oder eine Autoreparatur sein.
Jobcenter besitzen ein „Vermittlungsbudget“
Frank Neukirchen-Füsers, Chef des Dortmunder Jobcenters, versteht die ganze Aufregung nicht. Man habe lediglich Aufmerksamkeit bei den Kunden erregen wollen. „Wir bieten den Menschen die Leistungen an, die ihnen zustehen“. Und das, unterstreicht er, „ist keine Dortmunder Erfindung und das gibt es auch nicht erst seit gestern“. Allen Jobcentern stünden Mittel aus dem „Vermittlungsbudget“ zur Verfügung. „Wie sie genutzt werden, ist Ermessensspielraum vor Ort.“
Auch in Dortmund seien die Zahlungen als Wiedereinstiegshilfe gedacht. Zum Beispiel für Langzeitarbeitslose, in dessen schmalem Budget der Haarschnitt oder die neue Hose zum Arbeitsantritt nicht drin sind. Wird der Zuschuss gewährt, zahlt das Jobcenter die 200 Euro pauschal aus, fragt aber gegebenenfalls nach Rechnungen. Neukirchen-Füsers verteidigt diese Vorgehensweise: „200 Euro sind ein Klacks gegen die Einsparung von Transferleistungen, wenn wir dadurch Arbeitsverhältnisse erreichen oder stabilisieren“.
1500 Euro Wiedereinstiegsprämie in Unna
Im Jobcenter des Kreises Unna zählen Prämien zum Alltag: In einem Modellversuch erhalten Langzeitarbeitslose eine Wiedereinstiegsprämie von bis zu 1500 Euro, wobei die Hälfte erst nach überstandener Probezeit gezahlt wird. Daneben sind Einstiegshilfen für Kleidung oder die Reparatur des benötigten Autos möglich, bestätigt Sprecherin Katja Pfeifer.
In Berlin sorgt der Flyer aus dem Jobcenter Dortmund allerdings für große Verwunderung. Das Bundesarbeitsministerium ging auf Distanz: „Es gibt eine allgemeine Pflicht, zumutbare Arbeit aufzunehmen – ohne Kopplung an eine Prämie. Eine solche Pauschale für die Arbeitsaufnahme ist nicht vorgesehen“, sagte eine Ministeriums-Sprecherin unserer Zeitung. Den ungewöhnlichen Vorgang klären müsse aber die Bundesagentur für Arbeit.
Die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg nimmt die Kollegen in Dortmund in Schutz – unterstreicht aber gleichzeitig, dass der umstrittene Flyer eingezogen worden sei. „Das Dortmunder Jobcenter wollte nur in leicht verständlicher Sprache auf Leistungen aufmerksam machen, die üblicherweise gewährt werden. Es geht nur um Angebote aus dem normalen Vermittlungs-Budget der Jobcenter, also um solche, die der Annahme und der Aufnahme einer Beschäftigung dienen“, sagte Agentur-Sprecherin Ilona Mirtschin. Das Vermittlungs-Budget ermögliche allerdings auch „die Pauschalisierung von Leistungen“, so Mirtschin.
„Das System hat versagt“
Manuela Anacker, Referentin beim Sozialverband VdK in NRW sagte, es wäre ein „Versagen des Systems der Arbeitsvermittlung“, wenn einzelne Jobcenter tatsächlich pauschal Prämien an Arbeitsuchende zahlten. Solche Jobcenter bewegten sich am Rande der Legalität. Der Flyer aus Dortmund suggeriere unter anderem, dass Arbeitslose faul seien. Das Problem seien aber nicht die Arbeitslosen, sondern die Vermittlung. Die gezielte Förderung werde inzwischen vernachlässigt.
In benachbarten Jobcentern im Ruhrgebiet löst der Dortmunder Flyer ungläubiges Erstaunen aus. Die Jobcenter Bochum, Essen, Gelsenkirchen und Duisburg stellen einhellig klar: „Pauschale Prämien für Arbeitslose, die einen Job akzeptieren, gibt es bei uns nicht.“
„Diese Prämie ist bei uns unvorstellbar. Natürlich fördern wir Jobsuchende, aber es handelt sich in jedem Fall um individuelle, zeitlich befristete Förderungen aus unserem Vermittlungs-Budget.“, sagt Birgit Mölders, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters Duisburg. „Wir übernehmen gegebenenfalls Bewerbungskosten oder auch Fahrtkosten zur Arbeit, es kann auch um die Finanzierung eines Lkw- oder Stapler-Führerscheines gehen, wenn klar ist, dass ein Bewerber damit einen Arbeitsplatz bekommt.“
Arbeitgeber erhalten viel höhere „Prämien“ als Arbeitnehmer
Auch in Gelsenkirchen, eine Stadt mit Rekord-Arbeitslosigkeit, hält das Jobcenter nichts von Bargeld-Prämien als Motivationshilfe für Arbeitslose. Sprecherin Susanne Auth weist auf die Möglichkeit der Jobcenter hin, befristet ein so genanntes Einstiegsgeld zu zahlen. Dieses erhielten Menschen, denen beim Wieder-Einstieg in den Arbeitsmarkt besonders geholfen werden müsse, zum Beispiel Langzeitarbeitslose oder Alleinerziehende. „Alle Jobcenter arbeiten mit diesem Einstiegsgeld“, sagt Auth. Es sei zum Beispiel ein Anreiz, wenn das zu erwartende Gehalt ungefähr in der Höhe der Leistungen liegt, die der Arbeitslose ohnehin bekäme.
Das Einstiegsgeld, unterstreicht die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, ist auf maximal 24 Monate befristet.Aber auch hier ist der Flyer aus dem Dortmunder Jobcenter missverständlich, klingt nach pauschaler Prämie. Denn es heißt dort: „Jede Aufnahme einer ungelernten Tätigkeit wird mit Einstiegsgeld gefördert. Sie erhalten 280,50 Euro Einstiegsgeld — bei Arbeitsaufnahme bis Oktober 2012 drei Monate…“
Mit teils drastisch höheren Summen, als das Jobcenter den Langzeitarbeitlosen bietet, werden übrigens Arbeitgeber motiviert, Jobcenter-Kunden einzustellen. Bis zu 50 Prozent des Lohns (für maximal sechs Monate) zahlt das Jobcenter Arbeitgebern als „Eingliederungshilfe“, sogar bis zu 75 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts als „Beschäftigungszuschuss“ für besondere Gruppen.