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James Comey: Trumps Angriffe auf Deutschland sind verstörend

James Comey: Trumps Angriffe auf Deutschland sind verstörend

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James Comey / ehm. FBI Foto: Reto Klar
James Comey wurde von Donald Trump als FBI-Chef gefeuert. Ein Interview über Rache, Moral und den Umgang Europas mit dem Präsidenten.

Berlin. 

Der Mann, den US-Präsident Donald Trump als „schlechtesten FBI-Chef aller Zeiten“ bezeichnete und einen „Lügner“ nannte, empfängt im zweiten Stockwerk eines Berliner Hotels mit einem breiten Lächeln und einem festen Händedruck. James Comey (57) wirkt ein Jahr nach seinem beispiellosen Rauswurf locker, fast befreit. Sein Buch „Größer als das Amt“, das im April erschienen ist und die Bestsellerlisten stürmte, sollte keine Abrechnung mit Donald Trump werden, betont er. Und doch reden alle nur darüber.

Können Sie ein Jahr nach Ihrem Rauswurf irgendetwas Positives über US-Präsident Donald Trump sagen?

James Comey:

Ja, sogar zwei Dinge. Er verfügt über eine enorme Energie. Trump ist gerade 72 Jahre alt geworden – aber selbst, wenn er jünger wäre, wäre das beachtlich. Zudem hat er einen Weg gefunden, um auf durchaus interessante und wirkungsvolle Weise zu kommunizieren. Dazu nutzt er die sozialen Medien, vor allem Twitter. Das ist nicht immer gut, keine Frage. Dennoch beeindruckt mich beides.

Sie haben behauptet, Trump sei „moralisch ungeeignet“, um US-Präsident zu sein. Aber muss man ihn nicht dafür loben, dass er den Atom-Gipfel mit Nordkorea möglich gemacht hat?

Comey:

Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wie bei jedem anderen Präsidenten möchte ich erst sehen, was am Ende dabei herauskommt. Es gibt viele Risiken – die Dinge können sich dadurch verschlechtern oder verbessern. Zumindest aber sollte man offen genug sein, um zu sehen, welchen Plan Trump hat und ob er ihn ausführen kann.

Offen sein gegenüber Donald Trump – können Sie das denn überhaupt?

Comey:

Es ist tatsächlich schwierig für mich. Dennoch versuche ich, nicht voreingenommen zu sein, wie das in Amerika häufig der Fall ist. Es gibt die Neigung, gegen alles zu sein, was der Präsident tut. Ich glaube nicht, dass das gesund ist. Auch wenn ich selbst schwierige Erfahrungen mit ihm gemacht habe, möchte ich, dass er Erfolg hat. Das sollte auch jeder dem führenden Politiker seines Landes wünschen.

Gerade löst Trump heftige Proteste mit seiner Flüchtlingspolitik an der mexikanischen Grenze aus. Sogar seine Frau Melania kritisiert ihn dafür, dass er dort Kinder von ihren Eltern trennt. Erwarten Sie, dass er nachgibt?

Comey:

Es ist möglich, weil über Parteigrenzen hinaus Einigkeit darüber herrscht, dass die Trennung der Kinder von ihren Eltern schrecklich und unmoralisch ist. Ich kann auch nicht erkennen, welchen strategischen Vorteil Trump in seiner Flüchtlingspolitik sieht. Möglicherweise denkt er, er kann die Kinder für etwas eintauschen – zum Beispiel für die Finanzierung seiner Grenzmauer. Eine rational handelnde Person würde das nicht tun, aber Trump …

… ist nicht rational?

Comey:

In vielen Situationen sicher nicht. Jemand, der rational handelt, würde erkennen, dass er Werte aufs Spiel setzt, wenn man Kinder auf diese Weise behandelt, und würde sie nie als Verhandlungsmasse nutzen. Aber es ist möglich, dass diese Kinder für Trump ein Druckmittel sind.

Es gibt Anhänger des Präsidenten, denen das gefällt.

Comey:

Ja, denen gefällt es besonders, wenn er mit harten Worten über Einwanderung spricht. Er hat seinen Wählern versprochen, die illegale Einwanderung an der Grenze zu stoppen. Stattdessen nimmt sie zu, seit er im Amt ist. Ich könnte mir deshalb vorstellen, dass sein Handeln mit seinen Wahlversprechen verbunden ist.

Wie beschreiben Sie Ihr heutiges Verhältnis zu Trump?

Comey:

Verhältnis? Wir haben keines. Wir haben nach dem Rauswurf nie wieder miteinander gesprochen. Aber manchmal wacht er morgens auf und twittert über mich.

Er bezeichnet Sie dann als „schlechtesten FBI-Chef aller Zeiten“ und als „Schleimer“. Wollten Sie sich mit Ihrem Buch für ihren Rauswurf rächen?

Comey:

Es sollte kein Trump-Buch werden. Aber ich konnte kein Buch über politische Führung schreiben, ohne dass er darin vorkommt. Denn er ist in vielen Bereichen das Gegenteil von dem, was ich als Vorbild einer ethisch fundierten Führung sehe. Mir war die Gefahr bewusst, dass es für viele am Ende nur um Trump geht. Tatsächlich kommt er nur in drei von 14 Kapiteln vor.

Natürlich kommt auch Hillary Clinton in Ihrem Buch vor. Denken Sie manchmal daran, dass Ihre Ermittlungen in der E-Mail-Affäre kurz vor der Wahl die Demokratin die Präsidentschaft gekostet und Trump den Weg ins Weiße Haus geebnet haben?

Comey: Ich weiß nicht, welche Auswirkungen unsere Ermittlungen für den Ausgang der Wahlen hatten. Schon bei dem Gedanken, dass das so gewesen sein könnte, wird mir übel. Das alles war ein Alptraum. Im Rückblick muss ich aber sagen: Ich würde es heute wahrscheinlich nicht anders machen. Und auch das habe ich in dem Buch versucht, zu erklären.

Hatten Sie nicht einmal gesagt, Sie würden nie ein Buch schreiben?

Comey:

Ja, das stimmt. Das wollte ich auch nie. Ich dachte immer, Bücher schreiben nur Leute, die damit ihr Ego aufbessern wollen. Am Ende war es meine Frau, die mich auf die Idee gebracht hat. Sie gehört zu den Menschen, die immer versuchen, einer schwierigen Situation etwas Gutes abzugewinnen. Nach dem Rauswurf hat sie mich gefragt, was dieses Gute wohl für mich sein könnte. Ich wollte dann ein Buch über politische Führung schreiben, aber sie hat mich davon überzeugt, dass das langweilig wäre. Eine Biografie sollte es aber auch nicht werden. Am Ende ist es wohl eine Mischung geworden.

Trump twittert übrigens nicht nur über Sie. Deutschland und Angela Merkel sind auch oft Thema. Manchmal scheint es, als sei Trump von Deutschland regelrecht besessen: Von der Autoindustrie, dem Verteidigungshaushalt, der Flüchtlingspolitik. Warum tut er sich mit Deutschland so schwer?

Comey:

Für mich ist es ziemlich verstörend, zu hören, was er über Deutschland sagt und welche Unwahrheiten er dabei verbreitet. Gerade erst, was die Asylpolitik der Regierung betrifft. Ich hoffe, die Menschen verstehen, dass die Beziehungen zwischen unseren Ländern mehr sind als Donald Trump. Und sie werden die Amtszeit eines Politikers überdauern.

Die Europäer haben es auch nicht leicht mit Donald Trump. Der Zollstreit ist ein großes Thema. Sollten die Europäer da hart bleiben oder nachgeben?

Comey:

Ich habe da leider keinen Rat. Fakt ist: Trump kreist um sich selbst. Das merkt man alleine schon, wenn man ihm zuhört, zusieht oder seine Tweets liest. Man kann nicht vorhersagen, wie er reagiert – und auf was er reagiert.

Sie haben Trump erlebt. Was muss man tun, um ihn zu überzeugen?

Comey:

Die Europäer sollten sich im Zollstreit treu bleiben und längerfristig denken. Wer mit US-Präsident Donald Trump zu tun hat, sollte die Werte im Blick haben, für die er steht. Wer auf kurzfristige Gewinne und Lob aus ist, schadet am Ende nur sich selbst.

Sie vergleichen Trump mit einem Waldbrand. Warum?

Comey: Ich habe nach einer Metapher gesucht, die beides beinhaltet: die Gefahr und den Schaden – und die Chance, die sich daraus bietet. Nach einem Waldbrand wachsen irgendwann Pflanzen, die vorher nicht da waren. So wird das auch bei Trump sein. Der Fortschritt in unserem Land ist ungebrochen. Auch wenn es immer wieder Rückschritte gibt, habe ich das Gefühl, dass schon wieder etwas vorangeht.

Am Ende wird Trump also die Demokratie stärken?

Comey:

Ja. Und er wird es am Ende noch nicht mal merken. Die Mehrheit der Amerikaner wird ihre politischen Differenzen hinter sich lassen und feststellen, dass es Wichtigeres gibt. Es geht um den Rechtsstaat und unsere Freiheiten. Was uns eint, sind die Ideen, die wir teilen. Was gerade politisch geschieht, macht deutlich, was uns verbindet.

Sie waren viele Jahre FBI-Chef und könnten es wissen: Hat der russische Präsident Wladimir Putin gegen den US-Präsidenten etwas in der Hand?

Comey:

Ich weiß nicht, ob er etwas in der Hand hat oder nicht. Aber – und ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal so sagen werden – ich kann es nicht ausschließen.

Sollte gegen Trump ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden?

Comey:

Das hängt in erster Linie von den Fakten ab, denn es gibt Regeln dafür. Ich hoffe aber, dass es nicht soweit kommt. Mir wäre es lieber, das amerikanische Volk entscheidet bei einer Wahl selbst, ob es einen solchen Präsidenten will oder nicht. Ein Amtsenthebungsverfahren würde den Prozess zwar abkürzen. Es würde unser Land aber noch mehr spalten. Am Ende brauchen die Wunden dann viel länger, um zu heilen.

Apropos Präsidentschaftswahlen: Werden Sie selbst kandidieren?

Comey:

Das kann ich eindeutig ausschließen. Das werde ich nie tun.

So wie Sie auch nie ein Buch schreiben wollten?

Comey:

Politische Ämter sind nichts für mich. Es gibt viele Wege, einen Beitrag zu leisten. Ich werde ab August an einer Universität unterrichten, wie man auf ethische Weise Führung übernehmen kann. Wir können uns keinen Präsidenten leisten, der dauernd lügt.