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Hamas-Terror: Warum wird Israel angegriffen? Der neue Krieg kurz erklärt

Der Versuch einer Erklärung: Darum gibt es Krieg zwischen Israel und der Hamas. Wo liegen die Wurzeln für den neuen Terror.

Krieg in Israel
u00a9 IMAGO / Saeed Qaq, IMAGO / ZUMA Press

Netanjahu: Wir werden die Verstecke der Hamas "in Trümmer legen"

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas aus dem Gazastreifen auf Israel hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu alle Palästinenser zum Verlassen von Gaza aufgefordert. Die israelische Armee werde die Verstecke der Hamas in Gaza in "Trümmer" legen, sagte Netanjahu in einer Fernsehansprache.

Der Überraschungsangriff der Hamas auf Israel am Samstag hatte verheerende Folgen. Hunderte Tote, viele Menschen wurden entführt und befinden sich in der Gewalt der Terroristen.

Es gibt es einen neuen Krieg in der Region. Dabei reicht der Grundkonflikt schon 100 Jahre zurück – und ist festgefahren. Wir versuchen zu erklären, was man wissen muss, um das zu verstehen.

Warum wird Israel von der Hamas angriffen?

Die historischen Wurzeln: Als Reaktion auf den verfestigten Antisemitismus in Europa entstand Ende des 19. Jahrhunderts eine internationale zionistische Bewegung. Das Ziel: die Gründung eines jüdischen Staates. Nach dem Ersten Weltkrieg siedelten Zionisten vermehrt in das „Heilige Land“ über, das damals den Namen Palästina trug. Diese Einwanderungswelle nahm nach der Machtübernahme der Nazis zu. Es kam zu ersten Konflikten mit der palästinensischen Bevölkerung.

Eskalation nach der Staatsgründung 1948: Nach dem Zweiten Weltkrieg suchten auch viele Holocaust-Überlebende eine neue Heimat. Die Vereinten Nationen erarbeiteten einen Teilungsplan, der einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah. Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle kommen. Doch die arabische Seite lehnte diesen UN-Plan ab. Am 14. Mai 1948 verkündete Israel durch Ministerpräsident David Ben-Gurion seine Unabhängigkeit – einen Tag später erklärten die arabischen Nachbarstaaten Israel den Krieg.

Der Überlebenskampf Israels: Diese Kriegserklärung war der Auftakt des jahrzehntelangen Kampfes um das Existenzrecht Israels. Das Land musste sich in mehreren Kriegen gegen die feindseligen Nachbarstaaten behaupten. Dabei gelang es Israel, neue Gebiete zu besetzen. Hunderttausende Palästinenser wurden vertrieben. Das Staatsgebiet erweiterte sich immer weiter, so kam auch unter anderem das Westjordanland dazu.

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Friedensprozess: Hoffnung auf Frieden gab es durch Abkommen, die von den US-Präsidenten Jimmy Cartner und Bill Clinton vermittelt wurden. 1978 war es das Camp-David-Abkommen, die Grundlage für den israelisch-ägyptischen Friedensvertrag. Im Jahr 1993 das Oslo Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unter Jassir Arafat. Doch seit Mitte der 1990er-Jahre steckt der Friedensprozess fest, eine Zweistaatenlösung ist in weite Ferne gerückt.

Angst vor islamistischen Terror – und Unterdrückung auf der anderen Seite

Terror-Angst: Seit den 1970er-Jahren setzen palästinensische Terroristen auf Gewalt, Anschläge und Geiselnahmen – auch im Ausland. In Deutschland bleibt das Olympia-Attentat von 1972 auf israelische Sportler in schmerzlicher Erinnerung. Ebenso wie die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ 1977 durch vier palästinensische Terroristen, die mit der RAF kooperierten. Die israelische Zivilbevölkerung muss sich mit einem Zustand der dauerhaften Angst vor Terror und Raketenbeschuss arrangieren.

Die Perspektive der Palästinenser: Die Palästinenser fühlen sich durch den Staat Israel in ihren Rechten beschnitten, diskriminiert und gedemütigt. Die Armut ist groß. Ein Drittel der rund 14 Millionen Palästinenser lebt in Flüchtlingslagern. Im Gaza-Streifen, in dem es eine Arbeitslosenquote um die 50 Prozent gibt, kann die Bevölkerung nur mit internationalen Hilfen überleben. Sie kommen insbesondere aus der EU. Durch illegalen und international verurteilten Siedlungsbau nehmen Juden immer mehr Raum im Westjordanland und auch in Ost-Jerusalem ein. Die nationalkonservativen Regierungen der letzten Jahre, insbesondere unter Benjamin Netanjahu, fördern den Siedlungsbau jedoch. Eine 500 Kilometer lange Sperranlange im Westjordanland wurde errichtet. Sie zerstückelt die palästinensischen Gebiete, auch durch zahlreiche Checkpoints und für Palästinenser gesperrte Straßen. Auch die unfaire Versorgung mit Trinkwasser erregt die Gemüter der Palästineser.

Die Hamas will keinen Frieden

Das ist die Hamas: Nach dem Tod von Arafat 2004 kam es zum Bruch der Palästinenserbewegung zwischen der radikal-islamistischen Hamas und der weltlichen Fatah-Partei. Die Hamas wird vom Iran und Katar finanziert und beherrscht den Gazastreifen. Die Fatah hat die Kontrolle über die Palästinenser-Gebiete im Westjordanland. Die Hamas gilt als Terror-Organisation, die mehrere bewaffnete Flügel hat, wie unter anderem die Kassam-Brigaden. Laut Manifest der Hamas ist die vollständige Zerstörung des Staates Israel das oberste Ziel. Der Name Hamas bedeutet übersetzt „Eifer“.


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Wieso gerade jetzt der Angriff? Eine Spekulation ist, dass der Anschlag symbolisch zum 50-jährigen Jubiläum des Jom-Kippur-Krieg durchgeführt. Dieser wurde im Oktober 1973 von Ägypten, Syrien und anderen Staaten gegen Israel geführt. Möglicherweise spielt auch die brisante innenpolitische Lage in Israel eine Rolle. Eine Justizreform spaltet das Land in zwei Lager. Hat die Hamas die Verteidigungsfähigkeit des Staates aktuell als besonders schwach eingeschätzt? Auffällig ist jedenfalls, dass die sonst wachsamen Sicherheitsbehörden völlig überrumpelt wurden von den Angriffen. Terrorexperte Peter R. Neumann hält aber gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ eine andere Erklärung für wahrscheinlich: „Es geht der Hamas vor allem darum, die eigene Macht zu erhalten.“ Das Ziel, Israel zu vernichten, werde gar nicht mehr ernsthaft verfolgt. Ebensowenig wird ein Friedensabschluss angestrebt. Es geht der Hamas nach dieser Interpretation also um die eigene Existenzberechtigung als Vertreterin der Palästinenser. Und diese wird legitimiert durch Gewalttaten gegen Juden (mehr dazu hier).