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„Ich bin kein schlechter Mensch“

„Ich bin kein schlechter Mensch“

Berlin. 

Er schläft schlecht, schwitzt die ganze Nacht lang, wälzt sich hin und her, immer und immer kreisen die Gedanken um „meinen Fehler“, wie Uli Hoeneß sagt. Jeden Morgen sei er „völlig fertig“, manchmal bereits eine Stunde nach dem Aufstehen. Man könnte Mitleid mit dem Mann haben. Erbarmen mit einem Steuersünder. Das sollen wir wohl auch. Es ist der Zweck eines Interviews mit der „Zeit“.

Zehn Tage lang hatte der Bayern-Manager geschwiegen, nur im Hintergrund geredet und seine Juristen sprechen lassen. Gegen mediale Exzesse wollte er sich gar anwaltlich zur Wehr setzen. „Sie können sich vorstellen, dass mir vieles auf der Zunge liegt, aber ich muss erst mit den Behörden meine Hausaufgaben machen“, sagte er nur.

Nun hat er genug Abstand gewonnen und eine Strategie gefunden, die ihm einige ohnehin öffentlich nahe gelegt hatten: Ein Geständnis, diesmal nicht fürs Finanzamt – die Selbstanzeige ist geleistet -, aber für die Öffentlichkeit.

Für seine Beichte guckte er sich die „Zeit“ aus, ein hochseriöses Wochenblatt. Ein Ausgestoßener ist er, so empfindet er es. „Ich gehöre nicht mehr dazu.“ Der 61-Jährige Steuerbetrüger fühlt sich „auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert“. Dabei ist doch er nur einer wie wir, ein Mensch. Nicht fehlerlos. Wer mag da noch den ersten Stein werfen, wenn er seine „große Torheit“ beichtet, den „Riesenfehler“, den „Riesenmist“? Alles, was er macht, hat offenbar XXL-Format. Als Manager, als Wohltäter. Als Steuerbetrüger.

Wo soll man anfangen, mit dem „ganzen Mist“, den er so gern der Kanzlerin im „persönlichen Gespräch“ erklären würde. Fangen wir vielleicht mit dem 20. März an, morgens um sieben. Es klingelt in seinem Haus, hoch oben am Tegernsee. Im Badenmantel geht Hoeneß zur Tür. Da steht die Staatsanwaltschaft, „da begann die Hölle für mich“.

In Wahrheit fing sie viel früher an, spätestens 2001. Da begann er an der Börse zu spekulieren, Tag und Nacht. Früher waren es mal 50 000 Dollar. Nun wird es heftiger. „Richtig gezockt“ habe er. „Das war der Kick, das pure Adrenalin.“ Da spricht ein Süchtiger, auf Nachfrage stellt er klar, er sei nicht krank, „zumindest heute nicht mehr“, jahrelang „war ich wohl nah dran“. Dann kam der „Ausstieg“.

Der frühere Adidas-Chef Dreyfuss hilft ihm, wohlgemerkt: nicht seine Sucht zu beenden, sondern weiter zu machen. Als die Blase an der Börse platzt und er Geld verliert, war ich „richtig klamm“. Da bietet der Freund ein Konto an, „zum Zocken, für nichts anderes“. Dieses Schweizer Konto war „ganz allein Uli Hoeneß“.

Kein unschuldiger Passus. Er ist kühl kalkuliert. Er will den Verein, sein Lebenswerk schützen. Es ist nicht das Konto Bayern München. Überhaupt, wenn es rechtlich heikel wird, bleibt er vage. Was heißt es zum Beispiel, dass er seinen Fehler „so gut wie möglich korrigieren will“? Lässt er den Gedanken an sich heran, dass am Ende eine Haftstrafe stehen könnte? „Ich kann diesen Gedanken nicht zulassen.“

Viele erinnern in diesen Tagen allzu bereitwillig daran, wie oft er anderen Menschen geholfen hat. Ein Herz hat er. Ein Riesenherz möchte man in der Hoeneß-Diktion hinzufügen. „Ich habe Riesenmist gebaut“, gesteht er, aber: „Ich bin kein schlechter Mensch.“

Es ist seine Strategie zur Absolution.