Berlin.
Bei der Abgeordnetenhauswahl am heutigen Sonntag in Berlin zeichnet sich eine hohe Beteiligung ab. Die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach sieht als Beleg dafür den hohen Briefwahlanteil. Nach Angaben der Landeswahlleitung hatten bis zum Freitag mit 21,1 Prozent so viele Wahlberechtigte wie noch nie Unterlagen zur Briefwahl angefordert.
Insgesamt sind 2,485 Millionen Berliner zur Wahl berechtigt, über 15 000 mehr als vor fünf Jahren.
Berlin könnte nach der Wahl von der bundesweit ersten rot-grün-roten Koalition unter SPD-Führung regiert werden. Kurz vor dem Urnengang deuteten alle Umfragen auf einen Koalitionswechsel hin. Regierungschef Michael Müller (SPD), der bisher ein rot-schwarzes Bündnis führt, hat gute Chancen, Chef im Roten Rathaus zu bleiben. Zugleich könnte die AfD mit einem zweistelligen Ergebnis ins Parlament einziehen. Die bundesweit erste Piratenfraktion wird dafür wohl rausfliegen.
Zum Wahlkampfabschluss warnten die großen Parteien in der vergangenen Woche noch einmal vor Stimmen für die rechtspopulistische AfD. „Ich mache mir große Sorgen, dass da ein Ungeheuer wieder aufwacht in Deutschland, und das ist das Ungeheuer des Nationalismus“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei der SPD-Kundgebung. „Wir brauchen keine AfD im Abgeordnetenhaus.“
Normalerweise wird in der Hauptstadt eher linksorientiert gewählt, in kaum einem anderen Bundesland sind Linke und Grüne gemeinsam neben der SPD so stark. Neue AfD-Rekorde wie zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern mit über 20 Prozent werden nicht erwartet. Doch die Rechtspopulisten könnten bei den zeitgleichen Wahlen der Bezirksparlamente Stadtratsposten erringen. Damit übernähme die AfD erstmals in Deutschland in größerem Umfang politische Verantwortung.
Den Umfragen zufolge bleibt die SPD mit kräftigen Verlusten stärkste Kraft und könnte 21 bis 24 Prozent erreichen. Um Platz zwei kämpfen CDU und Grüne, die auf 15 bis 19 Prozent kommen. Die Linke dürfte nach dem Debakel von 2011 wieder etwas zulegen – die Umfragen sehen sie aber mit 14 bis 15 Prozent auch fast gleichauf mit der AfD (13 bis 15 Prozent). Die FDP, die 2011 den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hatte, kann mit einer Rückkehr rechnen.
Es ist Müllers erste Wahl als SPD-Spitzenkandidat, nachdem er 2014 Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister abgelöst hatte. Seit Wochen arbeitet der bundesweit kaum bekannte Regierungschef auf eine Koalition von SPD, Grünen und Linken hin. Eigentlich wäre ihm eine rot-grüne Landesregierung lieber, das sagte der 51-Jährige offen. Doch rechnerisch wird es wohl nicht für ein Zweierbündnis reichen.
Die Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition wird kaum möglich sein. Müller will sie aber auch vermeiden, nachdem die Zusammenarbeit mit der Union vor allem in der Flüchtlingskrise schwierig war.