Ein Interview mit Marietta Slomka im ZDF-„heute journal“ ist für viele Politiker ein Minenfeld. Beharrlich, streng und kritisch fragt Slomka nach. So wurde auch Stiko-Chef Professor Thomas Mertens am Donnerstagabend von ihr regelrecht gegrillt.
Hintergrund ist die aktuelle und umstrittene Empfehlung der Ständigen Impfkommission für Corona-Impfungen für Fünf- bis Elfjährige mit Vorerkrankungen – also nicht für alle Kinder in dieser Altersgruppe.
heute journal (ZDF): Slomka zerlegt den Stiko-Chef – „Offenkundig überfordert“
Schon Slomkas erste Frage hat es in sich: „Nach ihrer Empfehlung, in Anführungsstrichen, sind die Eltern so schlau als wie zuvor. Warum nicht eindeutiger – in die ein oder andere Richtung?“
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Corona-Lage in Deutschland (10. Dezember):
- 7-Tage-Inzidenz: 413,7
- Corona-Tote insgesamt: 104.996
- Corona-Patienten auf Intensivstationen: 4.900
- Anteil der vollständig Geimpften: 69,3 Prozent
- Anteil der Booster-Geimpften: 20 Prozent
Quellen: RKI, DIVI-Intensivregister
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Mertens verwies auf die aktuelle Datenlage. Diese würde eine eindeutige Empfehlung für die Impfung aktuell nicht hergeben. „Auf der anderen Seite wollen wir den Eltern, die unbedingt die Impfung wünschen, aus was immer für Gründen, dies nicht verwehren.“ Daher wäre es in der Summe eine „ganz vernünftige Empfehlung“.
heute journal (ZDF): Mertens gerät ins Schwimmen – Slomkas Fragen werden immer schärfer
Slomka zeigte sich verwundert darüber, dass Mertens auf fehlende Daten verwies. Die EMA, die Europäische Arzneimittel-Agentur, habe die Kinder-Impfungen doch bereits zugelassen, und in den USA seien seit Ende Oktober schon über fünf Millionen Kinder geimpft worden. „Das sind ja unheimlich viele Daten eigentlich, die Sie haben. Haben Sie da Daten über Schäden, über schwere Komplikationen, die Sie zögern lassen?“, hakte die ZDF-Frau nach.
Mertens kam ins Schwimmen. „Es seien nicht sehr viele Zweitimpfungen in den USA durchgeführt worden“, behauptete er, woraufhin ihn Slomka korrigierte. Nach Angaben von US-Behörden haben dort bereits eine Million Kinder eine Zweitimpfung erhalten. Dennoch blieb der Stiko-Vorsitzende dabei, dass die Zahl der Impfungen allein „nicht hilfreich“ sei, sondern es gehe um die Auswertung von Daten und Studien, die sich daraus ergeben. Die würden derzeit nicht vorliegen.
Slomka fragt Mertens: Sind Sie für eine Durchseuchung bei Kindern?
Slomka ging ihn nun härter an: Ob er es denn richtig finde, dass bei Kindern eine Durchseuchung stattfinden wird, denn das werde passieren ohne Impfungen. „Sind Sie für eine sogenannte natürliche Immunität?“, will sie wissen. „Entweder Impfung oder Infektion…“
Ja, das werde so passieren, bestätigte Mertens. Doch das ändere an der aktuellen Situation nichts, blieb der Stiko-Chef bei seiner Linie. Er verwies darauf, dass die Impfungen von Kindern möglich seien, es aber ein „erheblicher Unterschied“ sei, ob die Stiko die Impfungen ausdrücklich empfehle oder ob sie auf Wunsch der Eltern lediglich möglich sind.
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Damit ließ Slomka Mertens aber nicht durchkommen. Sie erinnerte an ein Interview mit ihm mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, bei dem der Professor sagte, dass er sein Kind derzeit nicht impfen lassen würde. Damit habe er doch „eine ausdrückliche Empfehlung gegeben“. Mertens habe als Stiko-Chef „enormen Einfluss“ auf Ärzte und Eltern. Er verweise auf mögliche Impfschäden, die irgendwann auftreten könnten, lasse aber außer Acht, dass auch Covid-Langzeitfolgen möglich seien.
Slomka im heute journal (ZDF): „Stiko offenkundig personell überfordert“
Nun kam Slomka immer mehr in Fahrt: „Das Problem ist, dass Sie auch beim Boostern eher zögerlich waren und auch bei der Empfehlung für die Schwangeren, die ein erhöhtes Risiko haben für schwere Verläufe, auch mit einschließlich Fehlgeburten und ähnlichen“, so die Nachrichtenfrau. Ob Mertens das Gefühl habe, dass es angemessen sei, dass die Stiko eine solche Verantwortung habe, „obwohl sie offenkundig ja personell, wie Sie selber sagen, als Stiko eigentlich überfordert sind?“
„Sie stellen viele Fragen, lassen aber wenig Antworten zu“, versuchte sich Mertens, äußerlich ruhig, aus dem Schwitzkasten zu befreien. Die generelle Kritik an Verzögerungen durch die Stiko sei nicht korrekt, wenn man sich die Publikationen von Studien anschaue, verteidigte er sich. Die Stiko habe die Empfehlungen immer dann angepasst, wenn die entsprechenden Daten vorlagen. In Bezug auf die Aussage gegenüber der FAZ sei das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen.
heute journal (ZDF): Mediziner ärgern sich über den Auftritt von Mertens
Bei vielen Zuschauern hinterließ Mertens aber im Interview mit Marietta Slomka keinen souveränen Eindruck.
Der Mediziner Marc Hanefeld ärgerte sich: „Was Herr Mertens für Schaden in der Öffentlichkeit anrichtet, ist kaum aufzufangen. Selten ist eine wissenschaftliche Institution in kürzester Zeit so beschädigt worden.“
Ebenso sein Kollege Dr. Christian Kröner: „Mertens bestreitet gerade im heute journal die Zahl der zweitgeimpften Kinder in den USA: Die Daten sind 4 Tage alt. Sind Mertens nicht bekannt. Slomka zerlegt ihn faktisch. Danke dafür @heutejournal.“
Hier kannst du das Interview im „heute journal“ in der ZDF-Mediathek sehen.