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Glückwunsch, Sakurai!

Glückwunsch, Sakurai!

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Foto: dpa
Der WAZ-Mann Heiko Sakurai hat den ersten Platz beim Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen errungen. Seit 2000 kommentiert der 42-Jährige das politische Geschehen mit spitzer Feder auf der Seite Zwei der WAZ.

Essen. 

Man kann Angela Merkel beschreiben in tausend Worten und finden, da fehle immer noch was. Denn zu Merkel gehört, dass sie sich nicht so leicht erschließt. Viele sagen, sie sei eine, wenn auch Vertrauen einflößende, Sphinx und regiere deshalb schon so lange. Heiko Sakurai braucht für seinen Leitartikel über die Bundeskanzlerin nur eine einzige Zeichnung, und dann sagt noch der versierteste Porträtist oder der ambitionierteste Leitartikler: Jawohl, das ist sie. Kann kein Wässerchen trüben und meuchelt doch alle ihre männlichen Gegner, und zwar: weil sie es sich redlich verdient haben, damit, Merkel zu unterschätzen. Und auch für Sigmar Gabriel liegen schon bereit: ein Dolch, Gift, ein paar Schlaftabletten, eine Pistole und ihre Einladung: „Herr Gabriel, Sie sehen aus wie mein nächster Mann.“ Der Rest des Films, eines Polit-Thrillers, läuft ausschließlich ab im Hirn des Betrachters. Der empfindet schon mal vorsorglich Mitleid mit dem SPD-Vorsitzenden. Und das alles steckt in nur einem Bild.

Schneidige Interpreten ihrer Zeit

Karikaturisten sind Künstler, also Menschen mit einer Gabe, die man zwar lernend verfeinern, aber eben nicht von Grund auf erlernen kann. Sie sind Chronisten ihrer Zeit und deren durchaus schneidige Interpreten. Ihre Haltung ist stets kritisch, nie bestätigend oder gar schmeichelnd, ihre Anerkennung, wo sie sie denn überhaupt niederzeichnen, kommt durchweg mit einer bitteren Note daher. Ihre Arbeiten sind keine Beruhigung, sondern eine Herausforderung.

Info Für Demokraten sind diese Aufpasser eine Rückversicherung, für die Eliten der Demokratie stellen sie eine immerwährende Beunruhigung dar. Wer allzu weit oben ist, den ziehen sie wieder auf menschenerträgliches Maß herunter. Karikaturisten sind besonders leidenschaftliche, außerordentlich akribische Menschen. Ihr Werkstück lebt von seiner Genauigkeit und Unbestechlichkeit. Und sie sind keine Schwafler und Worthülsendrechsler. Sie kommen auf den Punkt, immer. Sie haben für den Beleg ihrer These immer nur einen Wurf. Karikaturisten sind disziplinierte Menschen.

Je besser ein Karikaturist ist, desto tiefer blickt er der Politik in deren schwarze Seele. Wo diese abwiegelt, da rüttelt er wach. Und weil sie das ständig tut, das Abwiegeln und Ablenken und Beschwichtigen und Verharmlosen („Kultur der Friedfertigkeit“, trotz Afghanistan und den Waffenlieferungen an die diktatorischen Sau­dis), geht dem Karikaturisten nie die Arbeit aus. Wo die Politik verharmlost, da entblößt der Politik-Entzauberer ihre oft niederen, weil allzu egoistischen Motive. Der gewiefte Karikaturist ist ein leidenschaftlicher Enthüller.

Aber Sakurai ist kein Samurai im Zorn. Der Karikaturist kennt keinen Zorn, diese Aufwallung ist ihm wesensfremd, denn der Menschenfreund meint es am Ende stets noch gut mit den Opfern seines scharfsinnigen Strichs.

Seine Geschichten erzählt er aus der Perspektive des Allzumenschlichen, wohinter sich ja auch nur ei­ne weitere Enthüllung verbirgt: Es geht in der Politik oft gar nicht um den wichtigtuerisch behaupteten Kampf von Kulturen, Systemen, Konzepten, sondern um zutiefst persönliche Angelegenheiten, was ja nicht frei ist von liebenswerter Lächerlichkeit. Man schaue sich nur die riesengroßen NSA-Ohren an, mit denen Sakurai den armen Obama rumlaufen lässt. Sakurais Karikaturen erinnern an den alten Frauenwitz, wonach ein Freund seinen Freund fragt, wer denn in dessen Ehe die Macht ausübe. Der Freund antwortet, für die wirklich wichtigen Dinge sei ausschließlich er verantwortlich, namentlich den UN-Sicherheitsrat, die Europäische Kommission, die Bundesregierung und Frau Kraft. Daraufhin der Freund, rechtschaffen beeindruckt von der Machtfülle seines Freundes: Und was bleibt dann noch Deiner Frau? Daraufhin der Freund wiederum: Nun, nicht viel. Rente, Haushaltsgeld, Urlaubskasse.

Also: Sakurai mag nicht bösartig sein, böse aber schon. Seine jüngste Karikaturensammlung, erschienen im ausgelaufenen Jahr, ist kein Streichelzoo. Aber es ist eine augenzwinkernde Gemeinheit, die Sakurai seinen Opfern zuteil werden lässt. Eine beinahe rheinische Gelassenheit strömen sie aus, was auch daran liegen mag, dass Sakurai, der gebürtige Recklinghäuser mit asiatischen Einwanderergenen, jetzt schon eine gefährlich lange Zeit in Köln zubringt.

Viel Arbeit und noch mehr Denken

Seine Zeichnungen, von denen schon die ersten in den Lokalteilen der WAZ erschienen, haben Tiefgang, sie sind künstlerisch wertvoll, taugen zum Klassiker, den man noch nach Jahren wiedererkennt, um sich darüber zu amüsieren. Auf der nach oben offenen Tiefgang-Skala steht die Comedy weiter unten, das Kabarett weiter oben, der Cartoon weiter unten, die Karikatur weiter oben. Zeichnen ist intellektuelles Handwerk, viel Arbeit also und noch mehr Denken. Kaum jemand liest zu seiner Vorbereitung so viel Zeitung wie Sakurai. Das Medium, welches er bereichert, bereichert zuvor ihn selbst. Ein schöner Produktkreislauf.

Sakurais Karikaturen, so sagt es der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger, seien „in ihrer politischen Verdichtung und künstlerischen Umsetzung Glanzstücke“. Dazu können wir unseren Lesern nur gratulieren. Und natürlich unserem schlitzohrigen Tinten-Täter.