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Europawahl: BSW-Spitzenkandidat De Masi verlangt die „goldene Regel“

Das BSW schickt Fabio De Masi als Spitzenkandidat in die Europawahl. Im Interview fordert er eine Reformierung der Finanzpolitik.

Vor der Europawahl fordert Fabio De Masi eine Veränderung in der Finanzpolitik.
u00a9 IMAGO/Future Image

Europawahl 2024: Interview mit BSW-Spitzenkandidat Fabio De Masi

Zur bevorstehenden Europawahl haben wir einige Fragen an den Spitzenkandidat des Bündnis Sahra Wagenknecht, Fabio De Masi.

Bei der Europawahl am 9. Juni wird ein Neuling auf der Liste stehen: das jüngst gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht. In Brüssel will Fabio De Masi die Europäische Union wieder bürgernäher gestalten.

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Fabio De Masi gilt als Finanzexperte. Der studierte Ökonom hat in der Vergangenheit immer wieder die europäische Geldpolitik kritisiert oder Olaf Scholz beständig für seine möglichen Cum-Ex-Verstrickungen angefochten. Der 44-Jährige saß im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal und hat sich mit seinem Wirken viel Anerkennung erarbeitet. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er im Interview vor der Europawahl eine schnelle Reformierung der europäischen Finanzpolitik fordert.

Europawahl: Der Europäische Markt müsse wieder den Bürgern dienen

Die kommende Europawahl steht im Zeichen des Klimawandels. Angesichts einer unermüdlich voranschreitenden Erderwärmung ist eine klimaneutrale Wirtschaftstransformation überfällig. Eine solche sei mit Blick auf die aktuellen finanziellen Leitlinien der EU aber keinesfalls möglich, meint De Masi.


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„Man setzt jetzt vor allem auf höhere CO2-Abgaben. Aber Preissignale, die Verteuerung des ökologischen Verbrauchs, führen noch nicht zu einer Verhaltensänderung. Die einen können ihr Verhalten nicht ändern, weil zum Beispiel die Schichtarbeiterin auf dem Land auf ihr Auto angewiesen ist, da es keine Busverbindung gibt. Die anderen, die für den größeren Ausstoß verantwortlich sind, die putzen sich die höheren Kosten vom Ärmel, weil sie ein deutlich besseres Einkommen haben. Also muss ich versuchen, die Wirtschaft so zu bauen, dass ich öffentlich investiere und beispielsweise die Bahn attraktiver mache. Ansonsten können Preissignale gar nicht wirken. Es geht also nur durch Investition.“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat BSW, im Interview mit unserer Redaktion

Den Durchschnittsbürger durch Regularien einzuschränken, weil die EU ihrem Auftrag nicht nachkäme, wäre unverantwortlich und falsch. Viel eher sollte man an den EU-Fiskalregeln ansetzen, um die Wirtschaft ernsthaft ausbauen zu können. Die EU-Fiskalregeln regeln die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen der Mitgliedstaaten und bestimmen, wie hoch die Schulden der Länder sein dürfen.

Die starre Begrenzung dieses Schuldenvolumens ist ein Dorn im Auge von De Masi.

„Ich fordere seit Jahren die goldene Regel, dass man im Umfang der Investitionen auch Kredite ermöglicht. Jetzt fordert das der regierende CDU-Bürgermeister von Berlin plötzlich. Herr Pistorius fordert das nur für die militärische Investition, was ich natürlich ablehne. Dann hieße das, wir bauen Panzer, aber unsere Schulen vergammeln oder unsere Züge fahren nicht mehr pünktlich. Eine solche goldene Regel bräuchten wir deswegen auch in der Europäischen Union. (…) Damit es aufhört, dass wir jegliche ökonomische Zukunftsperspektive verlieren.“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat BSW, im Interview mit unserer Redaktion

De Masi: Der Mittelstand könnten durch die Steuerpolitik entlastet werden

Das konkrete Ziel der Union wurde bereits im Jahr 2019 von Ursula von der Leyen formuliert. Bei der Vorstellung des „Green Deals“ proklamierte sie, dass man bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral sein wolle. Ein Vorhaben in Billionenhöhe. Auch hier dürfe man nicht den normalen Bürger belangen und ihm ohne weiteres höher Kosten aufdrücken. Große Tech-Firmen, die für einen deutlich größeren Fußabdruck verantwortlichen seien, müssten zur Verantwortung gezogen werden.

„Deutschland und Frankreich könnten Strafsteuern auf Finanzflüsse von Big Tech Firmen in Steueroasen erheben, um den Mittelstand zu entlasten. Dies würde Druck auf die Steueroasen aufbauen. Wenn Apple also zum Beispiel sein iPhone in Deutschland verkauft, müsste Apple seine in Deutschland erzielten Gewinne auch nach deutschem Steuersatz versteuern, bevor diese nach Irland fließen. Das nennt man Quellensteuer. Da könnten Deutschland und Frankreich gemeinsam voran gehen statt auf Einigkeit von 27 EU Staaten zu setzen, die es wegen der Steueroasen nie geben wird“

Fabio De Masi, Spitzenkandidat BSW, im Interview mit unserer Redaktion

Olaf Scholz hingegen hätte sich mit der internationalen Mindeststeuer gebrüstet, die er als Finanzminister verhandelt hat. Diese sei aber ein teuer erkaufter Erfolg, weil sie so niedrig angesetzt worden sei und so viele Ausnahmen hätte, dass eine große Chance vertan worden sei.


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„Er hat gesagt, wir machen eine internationale Mindeststeuer und wir einigen uns auf ein Niveau, auf welchem die Steueroasen schon sind. Denn da nun würden alle Staaten zustimmen. Da haben wir dann natürlich wenig gewonnen. Selbst die USA wollten höhere Mindeststeuern. Man bekommt da nur eine vernünftige Lösung, wenn man gleichzeitig Druck auf Steueroasen mit Strafsteuern macht. Das wollte Scholz nicht. Ihm war es wichtiger vor der letzten Bundestagswahl einen Erfolg zu verkünden als hart zu verhandeln.“

Darin, dass die aktuelle Finanzpolitik zulasten der Bürger ausgestaltet sei, sieht der BSW-Spitzenkandidat das größte Risiko. „Wenn die Leute zunehmend das Gefühl haben, dass die EU gar nicht ihren Interessen dient, dann lehnen sie Europa irgendwann ab. Obwohl Europa an sich eine großartige Idee ist.“ Damit diese großartige Idee auch als eine solche von den Bürgern getragen wird, solle man bei der Europawahl seine Partei unterstützen.