Angela Merkel steht zwar hoch im Kurs, doch nach der verlorenen Wahl in Niedersachsen sorgen sich die Christdemokraten um das Profil der Partei. Ein zentrales Thema für Merkel wird Gerechtigkeit sein. Deshalb auch will ihr Umweltminister den Anstieg des Strompreises bremsen, deshalb ist die Rente auf der Tagesordnung.
Berlin.
Wenn Patrick Sensburg eine Schülergruppe aus dem Sauerland in Berlin zu Besuch hat, stellt er gern die Testfrage: „Wofür steht die CDU?“ Die Antwort lautet meist „Merkel“, manche rufen noch „Kohl“. Dann wiederholt der CDU-Abgeordnete die Frage, die auch seine Partei erneut umtreibt.
Eine Konsequenz aus der verlorenen Wahl in Niedersachsen ist, dass die Christdemokraten sich nicht allein auf die Popularität der Kanzlerin stützen dürfen, sondern mehr Profil zeigen müssen, gerade in Abgrenzung zur FDP. „Jeder macht seinen Walkampf und vertritt seine Positionen“, betont Unions-Fraktionschef Volker Kauder.
Das sind keine unschuldigen Sätze, gerade vor dem Koalitionsgipfel am Donnerstag in Berlin. Die CDU will im Wahlkampf für eine Frauenquote, für eine Lohnuntergrenze aber auch für gleiche Löhne für Männer und Frauen eintreten. Da bestehen die größten Gegensätze zur FDP, weniger mit SPD und Grünen. Es soll kein CDU-Anhänger – wie in Niedersachsen – auf die Idee kommen, aus taktischen Gründen die Liberalen zu wählen.
Die Grünen – Gegner oder Partner?
Ein zentrales Thema für Merkel wird Gerechtigkeit sein. Deshalb auch will ihr Umweltminister den Anstieg des Strompreises bremsen, deshalb ist die Rente auf der Tagesordnung der Koalitionäre am Donnerstag. Wobei die Union intern darüber streitet, ob sie die Erziehungszeiten für Frauen stärker als bisher berücksichtigen soll oder ob Arbeitsministerin Ursula von der Leyen eine Zuschussrente für Niedrigverdiener durchsetzen kann. Beides ist offen und steht in Konflikt zu einem weiteren, dritten Ziel: Die Konsolidierung des Haushalts und der Sparkurs von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Wieder andere Politiker wie Patrick Sensburg mahnen, sich mit einer harten Linie in der inneren Sicherheit zu profilieren, einem ureigenen Feld der CDU; auch dies letztlich in einem kalkulierten Konflikt mit dem Koalitionspartner.
Zum inhaltlichen Zwiespalt kommt noch ein strategischer dazu. Merkels Hauptgegner seien die Grünen, behauptet ein Minister. Über das schwarz-gelbe Lager hinaus will man – besser als in Niedersachsen – neue Schichten ansprechen. Bei Generalsekretär Hermann Gröhe hat Merkel ein Programmpapier zum Thema „Nachhaltiges Wachstum“ in Auftrag gegeben. Paradox daran ist, dass man die Grünen bekämpft und sie insgeheim als Alternative zur FDP in Betracht zieht, unverhohlen bei CSU-Chef Horst Seehofer, verstohlen in der CDU. Ein alter Haudegen wie Heiner Geißler, der kein Amt mehr hat, ist offener: „Schwarz-Gelb ist ein totgerittenes Pferd.“ Widerspruch schallt ihm nicht entgegen.
Seehofer koppelt sich von Merkels Wahlkampf ab
Über das größte Problem wird in der CDU-Führung leiser diskutiert: Die Schwäche in den Ländern. Mit der FDP zusammen regiert sie nur noch in Sachsen und Hessen. Im Saarland, in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist sie auf die SPD angewiesen. In NRW und Baden-Württemberg müssen sich gleich zwei große Landesverbände neu sortieren. Wenn die CDU dort die Anhänger nicht optimal mobilisiert, ist Merkels Wiederwahl akut gefährdet.
Die Schwesterpartei beugt schon vor. CSU-Chef Horst Seehofer will die bayrische Landtagswahl vorziehen, auch wenn es nur eine Woche früher als im Bund sein sollte. Er will sich von Merkels Wahlkampf abkoppeln.
Seehofers Skepsis ist verständlich. Zuletzt wollte die Kette der schlechten Nachrichten einfach nicht abreißen: Im September gab die Landeschefin in Brandenburg, Saskia Ludwig, auf. Einen Monat später folgte ihre Bremer Kollegin Rita Mohr-Lüllmann. Sie klagte über ein „Klima der Missgunst“. Nach eigenen Worten „ohne Groll“ trat Anfang Januar in Schleswig-Holstein Parteichef Jost de Jager den Rückzug aus der Politik an.
Radikaler Neuanfang
Und wiewohl die Wahlniederlage in Niedersachsen am 20. Januar knapp ausfiel, steht die Partei auch dort vor einem radikalen Neuanfang. Dem abgewählten Ministerpräsident David McAllister werden Ambitionen in Berlin nachgesagt. Und gleich drei Hoffnungsträger verpassten den Einzug in den Landtag: Die Minister Bernd Althusmann, Aygül Özkan und Uwe Schünemann. Althusmann ist der letzte Kultusminister der CDU.