Abi, und dann? Private Berufsberater helfen Schulabgängern, ihren Berufsweg zu finden. Ganz billig ist das nicht. Eine Stunde Beratung kann schon mal 200 Euro kosten. Fachverband warnt vor „Schwarzen Schafen“ in der Branche.
Neuss.
Spätestens im Jahr vor dem Schulabschluss treibt Jugendliche und ihre Familien die Frage um: Was kommt danach? Ausbildung oder Studium? Lieber etwas Technisches oder etwas Philosophisches? Zieht es mich nur knapp vor die eigene Haustür oder hinaus in die weite Welt? Es gibt Experten, die solche Fragen sehr ausführlich gegen Honorar beantworten. Professionelle Coaches wie Claus Caspers kennen sich aus im Dschungel der Studien- und Ausbildungsangebote. Sie sagen, dass sie herausfiltern können, was für einen jungen Menschen „das Richtige“ ist, und zwar noch etwas besser und zielgenauer als der Standard-Berater von der Universität oder der Arbeitsagentur.
„Die eigentliche Studienwahl ist nur eines von mehreren Ergebnissen des Beratungsprozesses“, sagt Caspers, der selbst in Führungspositionen, unter anderem bei Sony Ericsson, tätig war. „Im Kern geht es darum herauszufinden, wer der Klient eigentlich ist. Drauf aufbauend die Frage: Mit welchem Ziel mache ich Abitur? Welche Ansprüche stelle ich an meinen ersten Beruf und mein späteres Leben? Wer solche Fragen für sich geklärt hat, der kann nach dem Schulabschluss die ersten logischen Schritte in die richtige Richtung machen.“
Nicht den Weg der Eltern gehen
Der wichtigste Rat des Coaches ist, sich schon mindestens ein bis zwei Jahre vor dem Schulabschluss ernsthaft darüber Gedanken zu machen, wo der berufliche Lebensweg im nächsten Schritt hinführen soll. Entscheidungen von solcher Tragweite sollten nie Hals über Kopf getroffen werden, auch nicht von Verwandten oder Freunden und schon gar nicht aus dem Bauch heraus.
Wer die Dienste eines Beraters wie Caspers in Anspruch nimmt, der wird feststellen, dass die Suche nach dem richtigen Bildungsweg Zeit braucht. Mal eben nur an einem Vormittag mit einem Berater über die eigene Zukunft plaudern und diesem die Entscheidung fällen lassen – das funktioniert nach Caspers’ Einschätzung nicht. Verteilt auf mehrere Wochen dauert die Beratung im Schnitt sechs bis zehn Stunden bei ihm. Kosten: 198 Euro pro Zeitstunde. Der Abiturient fällt am Ende eine eigene Entscheidung. Und diese Entscheidungsfreiheit soll besonders wichtig sein. Caspers: „Oftmals ist es so, dass Eltern ihre eigenen Wünsche und Erwartungen auf den Nachwuchs projizieren. Und häufig ahnen Eltern nicht einmal, wie viele Optionen für die Studienwahl es heutzutage tatsächlich gibt. Wir haben in Deutschland fast 16.000 verschiedene Studienangebote. Der Schulabgänger muss schon seinen eigenen Weg finden, nicht den der Eltern.“
Caspers hilft seinen Klienten dabei, sich selbst zu analysieren. „Man stelle sich ein Zahnrad vor mit einer ganz eigenen Struktur. Nun geht es sozusagen darum, das passende Getriebe für dieses Zahnrad zu finden.“ Das kann eine Ausbildung in einem Meisterbetrieb um die Ecke sein oder ein Hochschulstudium. „Ich empfehle auch, mal den Blick über die Landesgrenzen hinaus zu richten und sich über Studien in den Niederlanden, Österreich und anderen Ländern zu informieren.
Schwarze Schafe in der Branche
Nicht selten zweifeln junge Menschen daran, den Standard, den ihre Eltern erreicht haben, ebenfalls zu erreichen. Doch für diesen Pessimismus gibt es nach Einschätzung von Claus Caspers keinen Grund. „Die beruflichen Perspektiven der heutigen Schulabgänger sind gut. Der demografische Wandel spielt ihnen in die Karten. Sie werden zu exzellent ausgebildeten Menschen, die es sogar in der Hand haben, einmal eine andere Arbeitskultur zu schaffen.“
Die Kosten für solche individuellen Beratungen sind recht hoch, weiß Barbara Knickrehm vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung. „Die Kunden kommen eher aus besser gestellten Familien“, sagt Knickrehm. Sie weiß, dass in der Branche deshalb auch einige Schwarze Schafe unterwegs sind. „Es gibt leider immer noch keine verbindliche Zertifizierung, für die wir uns seit langem einsetzen.“ Manche Beratungsinstitute würden auch an Schulen zweifelhafte Testverfahren anbieten und damit viel Geld verdienen. „Es ist sehr schwierig, ihnen beizukommen.“
Wer einen guten und professionellen Coach sucht, sollte darauf achten, dass es sich nicht um eine einmalige Sitzung handelt. Eine Checkliste, wodurch sich eine gute Beratung auszeichnet, findet sich auf der Internetseite des Verbands unter www.dvb-fachverband.de. Auch nicht so gut aus Sicht der Berufsberaterin: reine Kreuzchentests, über die man sich an das perfekte Studium annähert.
Ob private Anbieter eine bessere Leistung bringen als die Berater in den Arbeitsagenturen oder Hochschulen, könne man nicht pauschal sagen, meint die Expertin Barbara Knickrehm: „Ich würde schauen, wie weit ich mit meinen Fragen komme und dann eventuell eine zweite Meinung einholen.“