„Weniger Geld, mehr Flüchtlinge – ist Deutschland noch stark genug?“ – das ist das Thema am Donnerstagabend (03. November) in der Talkshow „Maybrit Illner“ im ZDF. Durch den nun mehr schon seit acht Monaten andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind bislang rund eine Million Menschen nach Deutschland geflohen.
Ob zur Wirtschaftskrise auch eine neue Flüchtlingskrise kommt und ob das Bürgergeld zu viele Anreize schaffe, nicht zu arbeiten, diskutiert Moderatorin Maybrit Illner unter anderem mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), dem stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Carsten Linnemann sowie der Geschäftsführerin der Tafel Deutschland e.V., Sirkka Jendis.
Vor allem die Geschäftsführerin der Tafel findet klare Worte für die aktuelle Notsituation und richtet gleichzeitig eine Forderung an die Politik.
Die Tafel als Stimmungsbarometer einer Gesellschaft
Die gemeinnützige Hilfsorganisation Tafel verteilt Lebensmittel, die zum Beispiel von Supermärkten aussortiert werden, an Bedürftige. Geschäftsführerin Sirkka Jendis bezeichnet das auch als „Seismograph der Gesellschaft“. Vor allem aufgrund wachsender Inflation und steigender Preise habe man eine sehr angespannte Situation zurzeit.
„Wir haben seit Anfang des Jahres einen Kundenzuwachs von über 50 Prozent, über zwei Millionen Menschen, die wir unterstützen“, betont die Geschäftsführerin. Mehr als ein Viertel der Tafeln habe bereits schon temporäre Aufnahmestopps verkündet.
„Zu viele armutsbetroffene Menschen“
Konflikte gebe es laut Jendis immer. Aber diese seien vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. „Zum einen gibt es einfach zu viel armutsbetroffene Menschen, es werden mehr, das sind nicht nur ukrainisch Geflüchtete“, bekräftigt die Geschäftsführerin. Auf Grund der Energiekrise und steigenden Lebensmittelpreisen seien es auch Menschen, die sich nicht haben vorstellen können, zu den Tafeln zu gehen.
Zum anderen wurden laut Jendis viele ukrainisch Geflüchtete von den Behörden zu den Tafeln geschickt. „Das suggeriert natürlich, als wären wir ein Teil des sozialstaatlichen Systems. Das sind wir nicht. Wir sind eine zivilgesellschaftliche Ehrenamtsorganisation, wir retten Lebensmittel und geben sie an armutsbetroffene Menschen weiter“, mahnt Jendis. „Wir unterstützen, wir versorgen nicht, das ist Aufgabe des Staates“, stellt die Geschäftsführerin der Tafel klar.
„Sprechen Sie mit uns“: Tafel-Chefin stellt klare Forderung an die Politik
Doch wie können Menschen entlastet werden? Innenministerin, Nancy Faeser, spricht von einem „historischen Entschädigungspaket“ der Bundesregierung, welches dafür da ist „Menschen zu stützen und sozial abzufedern“, so die SPD-Politikerin.
Jendis macht deutlich, dass Menschen auch durch die Erhöhung des Bürgergelds um 53 Euro immer noch zu wenig und keine Rücklagen haben. Die Diskussion um Sanktionen und Vertrauenszeit gehe laut Jendis am Thema vorbei. Die klare Forderung an die Politik lautet deshalb: „Sprechen sie mit uns, wir haben über 16.000 Ehrenamtliche, die tagtäglich die Menschen unterstützen!“
„Wir wundern uns wirklich, warum die Politik nicht mit uns ins Gespräch geht und unseren riesigen Fundus nutzt und zu gemeinsamen Lösungen kommt, denn im Moment ruhen sie sich auf dem Ehrenamt zum Teil aus“, ärgert sich Jendis. Das Ehrenamt sei belastet, man müsse Menschen wegschicken, obwohl man diese eigentlich unterstützen wolle.
Weitere Themen:
Jendis plädiert für eine „soziale Zeitenwende, die auch ein anderes Menschenbild suggeriert als immer diese Aussagen: Und dann wollen sie bleiben, weil sie kriegen so und so viel mehr“. Kein Mensch, der aus einem Krieg flüchte, habe sich das so ausgesucht. Zum Schluss stellt sie klar: „Allerdings muss die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffen und das vermissen wir!“