Reicht das Bürgergeld überhaupt zum Leben aus? Seit seiner Einführung Anfang des Jahres wird über diese Frage heftig diskutiert. Die Hoffnungen waren groß, dass der Hartz-IV-Ablöser etwas gegen die Armut in Deutschland ausrichten könnte.
Bei vielen Sozialverbänden ist aber mittlerweile Ernüchterung eingetreten. Das Bürgergeld sei „keine echte Unterstützung“, findet etwa Joachim Rock vom Paritätischen Bundesverband. Darin verbirgt sich seiner Ansicht nach aber noch eine ganz andere Gefahr. Werden SIE jetzt zum ungeahnten Nutznießer der Situation?
Bürgergeld: Experte haut auf den Tisch
Nach Ansicht des Experten hatte sich die Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung schon lange angebahnt. „Mit der Hartz-Gesetzgebung sollte der größte Niedriglohnsektor Europas geschaffen werden“, erklärt er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Armut von heute ist auch der ‚Erfolg‘ dieser Politik von gestern.“
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Noch immer sei der Mindestlohn in Deutschland unter der Empfehlung der Europäischen Union, führt Rock weiter aus. Diese liegt bei 60 Prozent des mittleren Lohns – umgerechnet also etwa 13,50 Euro die Stunde. Zu Erinnerung: Der gesetzliche Mindestlohn liegt in Deutschland derzeit bei 12 Euro die Stunde und soll bis 2025 gestaffelt auf 12,82 Euro erhöht werden.
Bürgergeld: „Das reicht nicht“
Selbst die EU-Untergrenze sei nach der Ansicht des Experten aber zu wenig. „Das reicht nicht, erst recht nicht für eine auskömmliche Rente.“ Derzeit kommt natürlich auch noch die Krisenlage mit einem ordentlichen Reallohnverlust dazu – erst recht bei geringeren Einkommen. „Die Sozialleistungen gleichen das nicht aus“, sagt Rock.
„Kindergeld etwa wird vollständig mit dem Bürgergeld verrechnet. Das Bürgergeld ist selbst viel zu niedrig kalkuliert, es müsste zumindest bei 725 Euro plus Unterkunft, Strom und Heizung liegen.“
Joachim Rock (Paritätischer Bundesverband)
Den größten Fehler der Ampel-Koalition sieht der Experte darin, dass es ihr bisher nicht gelungen ist, das Geld in Deutschland ausreichend umzuverteilen. „Das reichste Zehntel besitzt 60 Prozent der Vermögen, die ärmsten 60 Prozent haben fast kein Vermögen, aber vielfach Schulden.“ Hinzu kommt, dass die politischen Entscheidungen in der häufig zulasten der Armen gingen. Sie fühlten sich „zurecht unterrepräsentiert“, sagt Rock. Nutznießer davon: Vor allem das extrem rechte politische Spektrum.
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„Die AfD profitiert davon, obwohl sie selbst eine Politik für die Reichsten propagiert, Ungleichheiten forciert und Spaltungen produziert“, so Rock. (mit epd)