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Bürgergeld: Studien belegen negative Effekte von Sanktionen – Helena Steinhaus kritisiert „mittelalterliche Druckmittel“

Im Bürgergeld können Empfänger sanktioniert werden. Doch bringen Sanktionen überhaupt was? Studien decken die Wirksamkeit auf.

Im Bürgergeld können Empfänger sanktioniert werden. Doch bringen Sanktionen überhaupt was? Studien decken die Wirksamkeit auf.
© IMAGO/Jürgen Heinrich

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Empfänger des neuen Bürgergeldes können ebenso wie im ehemaligen Hartz-4-System sanktioniert werden. Bei Pflichtverletzungen können die Leistungen bis maximal 30 Prozent gekürzt werden. Doch haben Sanktionen überhaupt eine Wirkung?

Laut einer kürzlich erschienen britischen Studie nicht. Sanktionen würden die Eingliederung in den Arbeitsmarkt verlangsamen und Empfänger wahrscheinlich dazu zwingen, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen – dadurch könnten diese einen hohen finanziellen Verlust erleiden. „Die britische Studie ist ein wichtiger Beitrag im Kampf um eine menschenwürdige Grundsicherung und findet hoffentlich politisches Gehör“, meint Helena Steinhaus, Gründerin und Vorsitzende von „Sanktionsfrei“.

Bürgergeld: Sanktionen „wirken einschüchternd und demotivierend“

Zu gleichen Ergebnissen kommt auch eine deutsche Studie, die im September 2022 veröffentlicht wurde. Die von „Sanktionsfrei“ beauftragte Studie des Berliner Instituts für Empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung kommt zu dem Fazit: „Sanktionen haben negative Auswirkungen sowohl auf die persönliche, als auch auf die finanzielle Situation und das Arbeitsverhalten“, so Steinhaus gegenüber dieser Redaktion.

Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband befindet sich schon lange im Kampf gegen Sanktionen. Die Studie aus Großbritannien lasse sich auch auf Deutschland anwenden: „Sanktionen haben keinerlei positive verhaltensändernde Wirkung. Sanktionen strafen, aber sie bringen Menschen nicht in Arbeit“, betont eine Sprecherin.

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Und: „Sanktionen sind Ausdruck lange überholter schwarzer Ruhrstockpädagogik und haben in einem modernen Hilfesystem nichts verloren“, so der Paritätische auf Anfrage. Auch Helena Steinhaus vergleicht Sanktionen mit „mittelalterlichen Druckmitteln“, die in einer modernen Demokratie nichts verloren hätten.

Wer als Bürgergeld-Empfänger seine Pflichten verletzt, kann sanktioniert werden – gestaffelt von 10 bis 30 Prozent. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) werden bei nur rund fünf Prozent der Kunden Leistungen gekürzt. Jedoch sind es laut Steinhaus „Kürzungen des Lebensunterhalts unter das Existenzminimum“. Weiter betont die Vorsitzende des Vereins: „Theoretisch sollen sie ‚zur Arbeitsaufnahme motivieren‘, aber faktisch stürzen sie die Betroffenen in existenzielle Not, wirken einschüchternd und demotivierend.“

Bürgergeld: Geht es ohne Sanktionen?

Das Bürgergeld verspricht viele Vorteile: Höhere Regelsätze, höheres Schonvermögen und bessere Möglichkeiten in Aus- und Weiterbildungen. Doch Sanktionen spiegeln laut Paritätischem Wohlfahrtsverband „die menschenverachtende Grundhaltung, die das System Hartz 4 von Anfang an durchzogen hat“. Bürgergeld sei nichts mehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Der Verband fordert deshalb eine Erhöhung der Bürgergeld-Regelsätze und eine völlige Abschaffung von Sanktionen.

Doch geht eine Förderung ganz ohne Leistungskürzung? „Nur ohne Sanktionen gelingt Unterstützung“, betont Steinhaus. Das habe die Corona-Zeit, in der Sanktionen drei Monate lang ausgesetzt waren, bewiesen. „Weder hat sich dadurch irgendein Fehlverhalten gehäuft, noch ist der Arbeitsmarkt zusammengebrochen.“ Es brauche Vertrauen statt Druck. So müsse man dafür sorgen, dass Jobcenter als „Orte von Schutz und Hilfe wahrgenommen werden“. Denn: „Menschen sollten gerne dorthin gehen; nicht aus Zwang“, so Steinhaus.


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Auch der Paritätische spricht sich für eine „passgenaue, auch sozialarbeiterische Betreuung und Beratung“ aus. Mit psychologisch und sozialpädagogisch geschulten Mitarbeitenden könne man laut Steinhaus individuell auf die Betroffenen eingehen. Außerdem brauche es Lösungsangebote. Das heißt: Betroffene müssten bei Kinderbetreuung, Carearbeit oder auch im Alltag unterstützt werden. Denn: „Kinder und Krankheit sind die größten Armutsrisiken“, betont die Vorsitzende von „Sanktionsfrei“.