Bürgergeld soll Hartz 4 zum 01. Januar 2023 ersetzen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten fördern und einen höheren Regelsatz für Beziehende bereithalten – im Schnitt 53 Euro mehr.
Kritik zur neuen Sozialreform kommt unter anderem vom Bundesrechnungshof und der Arche. Beide warnen vor einem missbräuchlichen Umgang.
Bürgergeld: „Das ist ein Desaster“
Das Jobcenter zahlt zum Januar 2023 höhere Sätze. Laut Schätzungen des „Berichts aus Berlin“ würde ein Single mit Miet- und Heizkostenzuschuss 1.180 Euro im Monat zur Verfügung haben. Im Gegensatz dazu verdiene der Alleinstehende mit einer Arbeit in Vollzeit und mit Mindestlohn 1.480 Euro. 300 Euro mehr. Allerdings müssen Heiz- und Fahrtkosten auch noch bezahlt werden.
„Wenn man die Energiekosten mitrechnet, ist es vollkommen egal, ob ich mit Mindestlohn arbeite oder ob ich mit dem Bürgergeld arbeite, das kann und darf nicht sein“, mahnt Wolfgang Büscher, Sprecher der Arche Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Arche engagiert sich vor allem für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Im Endeffekt gebe es keinen Unterschied mehr zwischen Bürgergeld und Niedriglohnsektor. „Das ist ein Desaster“, betont Büscher.
Deswegen müsse man die Leute, die arbeiten können, dafür begeistern. Büscher spricht beim Bürgergeld von einer „Verteilung mit der Gießkanne“. Und jeder, der keine Lust habe, bekomme alles automatisch bezahlt. Vielmehr müsse man in junge Familien, in alleinerziehende Mütter und vor allem in Kinder investieren.
Bürgergeld: Wie geht es besser?
Doch wie sieht diese Investition aus? Wie könnte man ein Bürgergeld, auch für Kinder, gerechter machen? Der Sprecher der Arche hat konkrete Vorschläge: „Man könnte eine App installieren, von der man einfach bestimmte Dinge abbuchen kann. Zum Beispiel die Mitgliedschaft im Sportverein.“ Für Kinder sei es wichtig, auch mal in den Urlaub zu fahren oder ins Theater oder ins Kino gehen zu können.
Wenn man das alles mit dem Bürgergeld nicht machen könne, lebe man im Prinzip in einer Parallelgesellschaft. „Und es sollte nicht das Ziel sein, dass man die Parallelgesellschaft fördert“, schlägt Büscher Alarm.
„Wir haben in Deutschland nur eine einzige Ressource und das sind Kinder. In Kinder müssen wir stärker investieren und nicht in die Menschen, die keine Lust haben“, betont der Arche Sprecher.
Bürgergeld: „Staat wird sich das nicht leisten können“
Auch der Bundesrechnungshof kritisiert, dass das Bürgergeld keine Anreize biete, um zu arbeiten. Es sei zu lasch, zu ungerecht. „Da sind schon viele so clever und gehen dafür nicht arbeiten und das wiederum schadet vielen Branchen“, meint Büscher.
„Auf Dauer wird sich das kein Staat leisten können, dass wir alle finanzieren, die eigentlich arbeiten gehen könnten und deswegen muss man es in die Kinder investieren“, betont der Arche-Sprecher. Wenn man ein starkes Land haben wolle, dann müsse man auch starke Kinder haben, starke Menschen, die etwas leisten.
Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende Mittelstandsunion, ist für höhere Regelsätze auch angesichts der Inflation. Aber sie teilt auch die Befürchtungen des Bundesrechnungshofes. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“, betont die CDU-Politikerin. Jemand, der zukünftig nicht arbeiten wolle, werde nicht mehr sanktioniert.
Doch Sanktionen gibt es auch beim Bürgergeld. Zwar meistens erst nach der sechsmonatigen Vertrauenszeit – aber danach können bei einer Pflichtverletzung die Leistungen um bis zu 30 Prozent gekürzt werden.
Lohnt sich Arbeiten noch?
Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht: „So könnte beispielsweise ein Ehepaar mit zwei Kindern trotz 150.000 Euro Spar- und Barvermögen (…), zwei Kraftfahrzeugen und selbst genutzten Wohneigentums (jeder Größe) das Bürgergeld erhalten.“
Büscher bezieht dazu klar Stellung: „Wenn ein Staat sich das leisten kann, soll er das machen, aber ich weiß, dass er das nicht kann, deswegen ist sowas sinnlos.“ Es sei aber gut, dass Sparguthaben in schwierigen, wirtschaftlichen Situationen nicht direkt ausgegeben werden müssen.
Man müsse von Situation zu Situation abwägen. Aber: „Wenn man den Leuten das Geld in den Hintern schiebt, dann werden Leute sagen, dafür gehe ich nicht arbeiten“, warnt Büscher.
Kritik dazu kommt von Maurice Höfgen, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag:
„Es geht nicht um Menschen, die zum Beispiel krank sind und nicht arbeiten können. Es geht um Menschen, die einfach keine Lust haben, und das sind schon viele zigtausende“, verteidigt sich Büscher. Die, die eigentlich arbeiten können, müsse man dazu animieren, dass sie es auch tun. Und wenn diese vermehrt Job-Angebote ablehnen und dafür keine Repressalien bekommen, hält Büscher das für eine „tragische Geschichte“.
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„Wir müssen die Kinder in Deutschland so stark machen, dass sie später sagen, ich will eine Ausbildung machen, ich will was lernen, ich will studieren. Dass sie später ein selbstbestimmtes Leben führen und Steuern bezahlen können.“ Laut Büscher gehe es darum, dass der Staat auf Dauer nicht alle finanzieren könne – das hätte nichts mit Ausspielen zu tun.