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Kopiert Wagenknecht die AfD? “Als wolle man das BSW unterdrücken”

Populismus-Experte Marcel Lewandowsky nimmt sich die Sprache von Sahra Wagenknecht und ihrer neuen Partei BSW vor.

Sahra Wagenknecht und ihre neue Partei BSW.
© IMAGO/Future Image

Scholz: "Der rechte Populismus bedroht unsere Zukunft"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Stellung zum Rechtsruck in Deutschland genommen. Scholz sagte, der Rechtspopulismus bedrohe die Demokratie, den Zusammenhalt und die Zukunft. Gleichzeitig beruhige ihn, dass die Rechtspopulisten in der Minderheit seien.

Populismus-Experte Dr. Marcel Lewandowsky spricht mit unserer Redaktion über den Populismus von BSW und AfD. Im ersten Teil des Gesprächs dreht es sich viel um die Rhetorik von Sahra Wagenknecht und warum der Rechtspopulismus in Europa seit Jahren im Aufwind ist.

+++ Passend zum Thema: Europawahl: Sahra Wagenknecht auf 180 wegen ZDF – „Bodenlose Frechheit“ +++

Im Mai erschien von Marcel Lewandowsky das Sachbuch „Was Populisten wollen. Wie sie die Gesellschaften herausfordern – und wie man ihnen begegnen sollte“ bei Kiepenheuer & Witsch. Das Buch hat 336 Seiten und 20 Euro als Paperback bzw. 16,99 Euro als E-Book.

Interview mit Populismus-Experte Lewandowsky: „Vertreten nicht die reale Mehrheit des Volkes“

Ein Populist zu sein, ist für manche gar nicht negativ besetzt. Es sei doch gut, wenn man auf die Stimme des Volkes hört und dessen Interessen vertritt. Was entgegnen Sie darauf? 

Marcel Lewandowsky: Den Populisten hängt etwas Clowneskes an. Als würden sie gefällige Politik machen, die letzten Endes nicht wirklich gefährlich ist. Diese Auffassung gibt es tatsächlich bei vielen Menschen. Populismus bedeutet aber nicht, die reale Mehrheit des Volkes zu vertreten. Es bedeutet zu suggerieren, die Mehrheit habe eine bestimmte Ansicht, nur man selbst vertrete sie und alle anderen Parteien und die bösen Eliten wollen diese unterdrücken. Darin steckt etwas, was über Kreuz liegt mit der Demokratie.  

"Was Populisten wollen" von Marcel Lewandowsky.
„Was Populisten wollen“ von Marcel Lewandowsky. Foto: Kiepenheuer & Witsch

Hängt Populismus eng zusammen mit der Mediendemokratie und den Sozialen Medien?  

Die Populisten profitieren oft von den Medien, weil sie interessante Gesprächspartner sind und weil sie skandalisieren und polarisieren. Studien belegen: Wenn die Populisten im Fernsehen präsent sind, dann spielt ihnen das in die Hände! Deshalb muss man anders mit ihnen sprechen als mit anderen Politikern, wenn man sie ins TV einlädt. 

Auf der anderen Seite müssen die Populisten immer damit rechnen, in den Medien bloßgestellt und kritisiert zu werden. Daher sind eigene Medienhäuser, wie etwa früher bei Silvio Berlusconi, oder Aktivitäten in sozialen Netzwerken für Populisten Möglichkeiten, ungefiltert zu sprechen und zudem durch viele Likes und Kommentare von Unterstützern, teilweise auch von Bots, zu suggerieren, dass sich dort die schweigende Mehrheit versammelt. 

Wagenknecht und die BSW-Partei: Ideologischer Mix

Frau Wagenknecht beklagt sich in den Sozialen Netzwerken, neuerdings auch auf im Schwurbler-Netzwerk Telegram darüber, zu Europawahl-Talkshows bei ARD und ZDF nicht eingeladen zu werden. Der Aufstieg des BSW solle verhindert werden. Ist das 1:1 die Sprache der AfD? 

Das ist die Rhetorik, die Populisten fahren – egal, ob es rechte oder andere Populisten sind. Die Rhetorik, dass da oben eine Elite ist, die einen unterdrücken will, wird immer wieder hervorgeholt. Das BSW ist momentan eine Umfragepartei. Sie sitzt bisher nirgendwo als Fraktion in den Parlamenten. Es ist völlig logisch, dass zu den Formaten von ARD und ZDF nicht eingeladen wird. Aber es wird von Frau Wagenknecht in dieses Framing gepackt, als wäre es erneut ein Nachweis dafür, dass man als Partei unterdrückt werden solle. 

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Anti-Woke, Interessen der Deutschen zuerst, beispielsweise in der Asylpolitik, Ablehnung der militärischen Unterstützung der Ukraine: Wo ist der Unterschied zwischen AfD und BSW bei so vielen ähnlichen Positionen? 

Die AfD ist eine klassische rechtspopulistische Partei, deren Kernthema Migration ist. In der AfD gibt es Gruppen und Netzwerke, die man faschistisch bezeichnen muss. So etwas gibt es im Bündnis Sahra Wagenknecht nicht. Das BSW setzt auf einen Mix, den ich als linken Nationalismus bezeichnen würde. Auf der einen Seite ist das eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die eher in die klassische linke Richtung geht. Auf der anderen Seite werden nationale Interessen in den Mittelpunkt genommen – was auch immer die sein mögen, etwa mit Blick auf Russland. Das Anti-Woke als Feindbild ist nicht auf die radikale Rechte begrenzt. Das wird auch von konservativen Parteien und von eher autoritär ausgerichteten linken Parteien wie etwa dem BSW benutzt.  


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Aufstieg des Rechtspopulismus nach der Flüchtlingskrise 2015

Wieso ist der Populismus von rechts erfolgreicher? 

Der linke Populismus hatte mal in Südeuropa relativ starke Konjunktur. In Mittelost- und Westeuropa ist der rechte Populismus erfolgreicher. Populisten profitieren von der Wahrnehmung von Krisen. Der Diskurs um die Geflüchteten nach der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 hat einen Beitrag dazu geleistet, dass die Rechtspopulisten ein Momentum bekommen haben. Der Vormarsch gelang auch deshalb, weil die anderen Parteien des Mainstreams eine sehr kritische Rhetorik gegenüber Geflüchteten übernommen haben. Die Rechtspopulisten waren mit ihren Positionen dann keine Außenseiter mehr, sondern im Mainstream angekommen – aber das Original.