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Bernhard Lorentz – der Überzeugungstäter

Bernhard Lorentz – der Überzeugungstäter

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Mercator Projekt Zentrum Berlin eröffnet Foto: Steffen Kugler
Nach über sechs Jahren verlässt Bernhard Lorentz (42) die Stiftung Mercator mit Sitz in Essen. Zum 30. Juni legt er sein Amt als Vorsitzender der Geschäftsführung auf eigenen Wunsch nieder. Lorentz wird Gastwissenschaftler an der renommierten Stanford Universität in Kalifornien. Ein Portrait.

Essen. 

Nicht mehr lange, dann wird Bernhard Lorentz das Schmuddelwetter im Ruhrgebiet mit der ewigen Sonne Kaliforniens tauschen, wird statt von seinem Arbeitsplatz auf die Essener Huyssenallee zu schauen, den historischen Campus der renommierten Stanford Universität genießen – schöne Aussichten für den 42-jährigen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stiftung Mercator. Und wohl nur auf den ersten Blick ein riskanter Wechsel.

Lorentz legt die Geschäftsführung nieder und wird die Stiftung auf eigenen Wunsch zum 30. Juni verlassen. Schon am darauf folgenden Montag wird er in Stanford beginnen. Als „Visiting Scholar“, also als Gastwissenschaftler, wird er am „Center for Philantropy and Civil Society“ (PACS) in Stanford, einer Denkschmiede für den Stiftungsbereich, lehren, forschen und seine langjährige Erfahrung einbringen. Leicht hat er sich die Entscheidung nicht gemacht, denn eine Rückkehr zu Mercator ist nicht geplant.

Verlockendes Angebot

„In den letzten Jahren war ich immer wieder in Stanford, ich habe dort viel gelernt und viele Ideen gesammelt,“ sagt Lorentz. Irgendwann machte ihm Paul Brest, Co-Direktor am PACS, ein großartiges Angebot: Wenn er einmal die Lust verspüre, ein Jahr lang in Stanford zu forschen, daran zu arbeiten, welche Rolle Stiftungen in Europa haben sollen, dann soll er doch einfach rüberkommen.

Es war eine Verlockung, der er zunächst lange widerstand. „Ein halbes Jahr lang lag der Brief auf meinem Schreibtisch“, erzählt Lorentz. Immer wieder habe er ihn beiseite geschoben, zu groß und drängend waren die anstehenden Aufgaben bei Mercator, vieles wollte er noch anschieben. Zu den Gründen, Lorentz über den großen Teich zu locken, sagt Paul Brest heute: „Wir schätzen seine akademische und praktische Erfahrung im Bereich strategischer Philantropie ebenso wie seinen unternehmerischen Spirit. Unter seiner Führung ist Mercator zu einer der erfolgreichsten Stiftungen in Deutschland geworden. Mit seiner Arbeit hat Bernhard Lorentz so zur Etablierung einer neuen wirkungsorientierten Stiftungsarbeit beigetragen.“

Stiftungsszene aufgemischt

Auf die Wirkung seiner Arbeit hat es Bernhard Lorentz stets abgesehen. Arbeiten Stiftungen gemeinhin als stille Geldgeber im Hintergrund, hat der umtriebige Stiftungsmanager die deutsche Stifterszene aufgemischt wie wohl keiner vor ihm. Daher waren seine raumgreifende Art, seine unbändige Energie und vorwärtsstürmenden Ideen in der honorigen Stiftungsszene nicht immer unumstritten. Mit seiner Überzeugung, dass Stiftungen etwas bewegen und aktiv in die politische Debatte eingreifen sollen, hat er aber nie hinterm Berg gehalten. „Ideen beflügeln“, das Mercator-Motto passt auch zu seinem Wesen, Lorentz ist im besten Sinne ein Überzeugungstäter.

2012 setzte er gleich zwei Großprojekte auf die Schiene: Mit 17 Millionen Euro wurde in Berlin gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ein Forschungsinstitut für internationale Klimapolitik installiert, das von dem bekannten Klimaökonom Ottmar Edenhofer geleitet wird und das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum ergründen soll. Rund 14 Millionen Euro investierte die Stiftung in die „Agora Energiewende“. In der Berliner Denkfabrik sollen alle wichtigen Beteiligten der Energiewende, vom Minister über den Manager bis zum Techniker, über Fortschritte des Jahrhundertprojekts beraten und miteinander abstimmen.

Steile Stiftungskarriere

Die Energiewende sei eine historische Chance für Deutschland, sagte er einmal. Lorentz sieht die Stiftung als Dienstleister und zugleich als Antreiber des Riesenprojekts – ein Beleg dafür, wie ausgesprochen politisch er Stiftungsarbeit versteht, die auch zum sozialen Wandel beitragen soll. „Der Energiewender“ hat ihn das Magazin „Cicero“ deshalb einmal genannt.

Lorentz hat eine steile Stiftungskarriere hinter sich. Vor seinem Start bei Mercator 2008 war er Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, dann bekam er die Chance, die Hertie School of Governance aufzubauen und leitete das Berliner Büro der Stiftung. Seit 2007 lehrt er als Gastdozent am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Freien Universität Berlin Stiftungsmanagement und Stiftungsstrategie und wurde 2011 zum Honorarprofessor bestellt.

„Mein Herz hat gebrannt“

Jetzt sah er den Punkt gekommen, wo die Phase des Aufbaus bei Mercator erfolgreich abgeschlossen war. „Wir haben stabile Strukturen geschaffen, ein hervorragendes Team gebildet und vieles bewegt.“ Dankbar sei er der Stifterfamilie und seinen Mitarbeitern, „dass ich in den sechseinhalb Jahren meiner Tätigkeit an der Spitze der Stiftung rund 300 Millionen Euro investieren durfte“. Winfried Kneip, Wolfgang Rohe und Michael Schwarz werden nun die Geschäftsführung übernehmen – man könnte etwas spitzfindig anmerken, dass gleich drei kompetente Nachfolger nötig scheinen, um einen Lorentz zu ersetzen.

Für die Arbeit „hat mein Herz gebrannt“, bekennt Lorentz. Jetzt möchte er an den „nächsten großen Fragen arbeiten“. Vielleicht weniger getrieben von den Anforderungen des Alltags, sondern eher aus der akademischen Vogelperspektive. Lorentz: „Ich gebe zu, es ist auch nach harten Jahren eine bewusste Entscheidung – auch für meine Familie.“ Seine Frau und seine drei Töchter im Alter von fünf, sieben und neun Jahren werden es ihm danken. Zurücklehnen wird sich Bernhard Lorentz aber auch in der kalifornischen Sonne sicher nicht.

Die Stiftung Mercator:

Die Stiftung Mercator mit Sitz in Essen gehört zu den großen deutschen Stiftungen. 2012 unterstützte sie 123 Projekte mit insgesamt 60,5 Millionen Euro. Sie startet und finanziert Projekte für bessere Bildungsmöglichkeiten an Schulen und Hochschulen. Die Stiftung fördert in der Region zum Beispiel Projekte für benachteiligte Jugendliche, ausgewählte Forschungsvorhaben an den Ruhrgebiets-Universitäten sowie die kulturwissenschaftlichen Erforschung der Folgen des Klimawandels.

Der Geist der Förderung folgt dem Gedanken der Weltoffenheit und Toleranz durch interkulturelle Begegnungen und dem Austausch von Wissen und Kultur. Die Stiftungsarbeit untergliedert sich in die drei übergeordneten Themenbereiche Integration, Klimawandel und Kulturelle Bildung. Seit Bernhard Lorentz 2008 die Leitung der Stiftung übernahm, stiegen die jährlichen Fördermittel von zehn auf gut 60 Millionen Euro. Die Stiftung wurde 1996 von der Duisburger Handelsfamilie Schmidt gegründet.