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Angela Merkel und die Flüchtlinge: Diese Entscheidung ändert alles

Angela Merkel und die Flüchtlinge: Diese Entscheidung ändert alles

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Foto: dpa

Der Morgen ist völlig ahnungslos und unbedarft. Das ist immer so. Niemand weiß am Morgen, ob der Rest des Tages vielleicht als Schicksalsdatum in die Geschichte eingehen wird.

Das war am 4. September 2015 nicht anders. Auch Angela Merkel wird nicht geahnt haben, dass sie am Abend dieses Tages die wichtigste Entscheidung ihrer politischen Karriere treffen würde – eine Entscheidung, die alles danach verändert.

Angela Merkel: Für viele wird sie zur Heldin – für andere zur Hassfigur

Angela Merkel wird an diesem Tag für sehr viele Menschen zur Heldin. Für sehr viele wird sie aber auch zur Hassfigur.

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Das ZDF-Doku-Drama „Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge“ zeichnet den Tag nach. Originalbilder und nachgestellte Szenen wechseln sich ab, Zeitzeugen kommen zu Wort. Angela Merkel selbst nicht – Heike Reichenwallner stellt Merkel in fernsehfilmartigen Szenen dar: Merkel verdrückt ein Brötchen zwischen zwei Terminen, Merkel winkt, Merkel schüttelt Hände.

Reichenwaller trägt das gleiche blaue Merkel-Jackett wie die Kanzlerin an jenem Tag, sie hat eine ähnliche Frisur und Mimik. Aber sie klingt nicht wie Merkel, und eine Kopie ist sie keinesfalls – eher eine Annäherung.

ZDF-Doku-Drama über Angela Merkel: „Käffchen?“

Die ZDF-Produktion setzt bei den Spielfilmszenen auf Detailgenauigkeit, das ist zu spüren. Auch wenn bis auf Heike Reichenwaller einige der Schauspieler arg hölzern wirken, fast laienhaft.

Ganz ohne Fantasie sind manche der Dialoge offenbar auch nicht zu schreiben. Wie etwa solche im Kanzleramt.

„Dass die Morgenrunde damit beginnt, dass Frau Baumann die Kanzlerin fragt „Käffchen?“, das ist absolut authentisch“, versichert Marc Brost. Der langjährige Politik-Redakteur ist einer der beiden Drehbuchautoren des ZDF-Films und hat nach eigenen Angaben viele, oft vertrauliche Gespräche mit Beteiligten geführt.

„Wenn es Dialoge sind oder Telefongespräche, dann geht es nur noch darum, was gesprochen wurde – da können Sie nicht den genauen Wortlaut rekonstruieren“, sagt er. „Für uns ging es darum, dass wir exakt sind, was den Inhalt angeht, exakt, was den Zeitpunkt angeht und exakt, was die Form angeht. Also: aggressiv oder passiv, wütend oder ruhig.“

Angela Merkel und die Flüchtlinge

Oder auch mal schelmisch, etwa wenn Angela Merkel über Horst Seehofer witzelt. Oder Viktor Orbán. Der ungarische Präsident spielt eine zentrale Rolle in dem Drama – obwohl man ihn nicht einmal sieht. Tausende Menschen, die vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen sind, stranden 2015 in Ungarn, nachdem sie Balkanroute hinter sich gebracht haben. Orbán erklärt das ganze zu einem „deutschen Problem“.

Unter unhaltbaren Zuständen harren die Flüchtlinge in der Gegend um den Bahnhof aus. Die Bilder von damals sind noch präsent: Männer, Frauen, Kinder harren seit Tagen in der Spätsommerhitze aus, schlafen auf dem Boden. Bald gibt es Streit um Wasser und Nahrung.

Tausende Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland

Soziologe Gerald Knaus, der im Film immer wieder zu Wort kommt, sagt: „Das war die Strategie von Viktor Orbán: Die Menschen so schlecht zu behandeln, dass sie weiterziehen mussten.“

Irgendwann brechen die Dämme: Weil mit dem Zug nichts geht, machen sich plötzlich zigtausende Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg von Ungarn in Richtung Österreich – und in Richtung Deutschland. Initiator ist der syrische Flüchtling Mohammad Zatareih, der selbst im Film auch zu Wort kommt.

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Am Abend des 4. September bekommt Angela Merkel einen Anruf – am Ende des Telefonats ist sie gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Am anderen Ende der Leitung ist der damalige österreichische Kanzler Werner Faymann.

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Angela Merkel

  • 1954 in Hamburg geboren
  • Merkel wächst in der DDR auf
  • 1990 Eintritt in die CDU
  • 1998 bis 2000: CDU-Generalsekretärin
  • 2005 wird Angela Merkel Bundeskanzlerin

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Schicksalhafter Anruf

Der fürchtet, dass Viktor Orbán den Flüchtlingstrek mit Gewalt stoppen lassen könnte – und plant, einmalig einige Tausend der Flüchtlinge aufzunehmen. Er will Angela Merkel als Verbündete für diesen Schritt.

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Das Problem: Damit wäre das Dublin-Abkommen, das die europäische Verteilung von Flüchtlingen regelt, außer Kraft gesetzt. Andererseits gibt es Befürchtungen, dass die ungarischen Militärs auch vor Waffengewalt nicht zurückschrecken.

Die Stimmung hier im Land: Die Menschen sind hoffnungsfroh, die breite Masse will helfen: „Refugees welcome“ ist das Motto dieser Tage. Der damalige Innenminister Thomas de Maizière sagt es im ZDF-Film so: „In diesen Tagen über Begrenzung, über Grenzschließungen, über Zurückweisungen zu reden, war ganz gegen die Stimmung.“

AfD im Aufwind

Der Film ist in Teilen gut gemacht, er ist sehenwert: Er führt abseits abstrakter Diskussionen noch einmal ganz nah die Situation vor Augen, die zu dem Dilemma und letztlich der Entscheidung von Angela Merkel führte. Es ging um Menschen. Die Botschaft ist gerade jetzt wichtig, nach dem erschreckenden Erfolg der AfD in Sachsen und Brandenburg – und vor den Landtagswahlen in Thüringen.

Was dem Film fehlt: Er setzt sich wenig mit den Folgen auseinander. Die Entscheidung von Angela Merkel ist eine große humanitäre Geste gewesen.

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Angela Merkel: „Wir schaffen das“

Nur die Fehler, die die Bundesregierung nach dem 4. September gemacht hat, spielen keine große Rolle im Film. Es gab unfassbare Mängel bei der Registrierung von Flüchtlingen. Städte und Gemeinden fühlten sich allein gelassen, sahen sich plötzlich Aufgaben gegenüber, die kaum zu bewältigen schienen.

Und dann war da auch irgendwann das Unvermögen von Angela Merkel, ihre Handlungen nachvollziehbar und auf Augenhöhe zu erklären.

Ihr optimistischer Aufruf „Wir schaffen das“, den sie wenige Tage vor dem 4. September und danach immer wieder als Erklärungsansatz bemüht hat, ist irgendwann zur zynischen Schimpfparole rechter Wutbürger verkommen. All das klammert der Film weitgehend aus. (mit dpa)

„Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge“, 4. September um 20.15 Uhr im ZDF