Neue Therapie – Elektrode im Rücken stoppt den Schmerz
In Deutschland leidet jeder Dritte unter Rückenschmerzen. Am Marienhospital in Schwerte bietet Dr. Hector de Paz eine neue, innovative Therapiemöglichkeit an: mit einer Multifunktionselektrode.
Schwerte.
Wenn Wolfgang Tiedtke aus Schwerte seinen Enkel vom Kindergarten abholt, schaut er genau, wo er ihn in Empfang nimmt. „Dann sehe ich zu, dass ich eine Wand im Rücken habe – dann passiert nichts.“ Denn ansonsten, wenn der dreijährige Tino zu stürmisch auf ihn zuläuft, kann es passieren, dass Tiedtke hinfällt. „Mein Gleichgewichtsgefühl ist fast weg“, sagt er. Dafür jedoch sind die Schmerzen da. Seit Wochen und Monaten, Tag und Nacht. „Unerträglich“, sagt der 64-Jährige, bei dem zwei Bandscheibenvorfälle diagnostiziert wurden. „Drei Mal am Tag nehme ich Schmerzmittel. Ich habe es mal ohne probiert – das ging gar nicht.“
Deshalb liegt er an diesem Donnerstagnachmittag hier, im Schwerter Marienkrankenhaus, und wartet auf den therapeutischen Eingriff von Oberarzt Dr. Hector de Paz. „Ohne Angst macht das natürlich keiner gerne mit“, sagt Tiedtke. „Aber ich freue mich darauf.“ Denn die Chance, dass es ihm nach dieser halbstündigen Behandlung sehr schnell sehr viel besser geht, ist groß: Sie liegt bei rund 80 Prozent.
Der Hoffnungsträger für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen heißt „Multifunktionselektrode“, oder auch Pasha-Elektrode, benannt nach ihrem Erfinder, dem Chirurgen Omar Pasha in Remagen. Auch der 39-jährige Dr. de Paz aus Spanien hat sich auf dieses Verfahren spezialisiert und steht mit 900 Fällen deutschlandweit an zweiter Stelle. Nur in wenigen Bundesländern gibt es Experten, die diese neue Therapiemöglichkeit anwenden, in NRW an vier Standorten.
Seit eineinhalb Jahren nun führt der Oberarzt diese halbstündige Behandlung in Schwerte durch – und ist selbst begeistert von den Erfahrungen: „Dieser enorme Erfolg, der motiviert wirklich“, sagt er. „Die Menschen, die hierhin kommen, sind so verzweifelt, und sie haben danach wieder eine ganz neue Lebensqualität. Und das durch eine Technik, die viel weniger Risiko bedeutet, als eine OP. Denn wer lässt sich schon gerne am Rücken operieren?“
Möglich wird dies durch eine Elektrode, die in örtlicher Betäubung in den Wirbelkanal eingeführt und millimeterweise an den Nerven entlanggeführt wird: Durch ein Magnetfeld, das sich durch Strom an den Nervenzellen bildet, entstehen biochemische Veränderung, die die Schmerzleitung zum Gehirn unterbrechen. Die Folge: Schon nach wenigen Minuten und Stunden, spätestens jedoch nach drei Wochen, sind die Patienten, die sich über Monate und Jahre gequält haben, von ihren Schmerzen befreit.
„Als ich davon hörte, hab ich es mir auch nicht vorstellen können,“ sagt Marie-Luise Sträßer, die früher selbst als Krankenschwester hier gearbeitet hat. Und die, vermutlich aufgrund von Verschleißerscheinungen, vor knapp zwei Jahren nach eigenen Aussagen „wahnsinnige“ Rückenschmerzen bekam. „Das war so schlimm, dass mein Mann teilweise beim Anziehen helfen musste.“ Auch im Haushalt konnte die 74-Jährige nicht mehr alles erledigen, Radfahren wurde undenkbar, Schmerztabletten ihr ständiger Begleiter. Dann hörte Sträßer von der neuen Pasha-Elektrode, die in Schwerte angewendet wurde. „Ich habe gedacht: Versuch es“, blickt sie zurück. „Aber geglaubt habe ich es nicht.“ Ihre Bilanz nach diesem Verfahren vor eineinhalb Jahren: „Ein voller Erfolg“, sagt sie, „es hat wunderbar geklappt. So gut, dass es mir schon fast unheimlich war.“ Denn plötzlich waren auch wieder all die Dinge möglich, auf die sie so lange verzichtet hatte: „Ich war schon richtig deprimiert“, blickt sie zurück. „Aber von einem Moment auf den anderen konnte ich endlich wieder Rad fahren, in den Garten gehen oder in den Urlaub fahren und wandern. Einfach klasse.“ Manchmal passiert es ihr jedoch auch heute noch, dass sie nachts wach wird: „Und dann frage ich mich jedes Mal: Wo sind die Schmerzen?“
Auch Wolfgang Tiedtke hofft, dass er sich diese Frage einmal stellen kann und bei ihm der Eingriff erfolgreich verläuft: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schmerzen ganz zurückgehen“, gibt er zu, „aber ich freue mich über jede Besserung.“ Und darauf, endlich wieder Rad fahren, Treppen steigen oder sich um seinen Kleingarten kümmern zu können. Und ganz bestimmt auch darauf, seinen Enkel vom Kindergarten abzuholen – ohne erst eine Wand hinter sich suchen zu müssen…
Anmerkung der Redaktion:
Auf die Frage, wie es ihm geht, sagte Wolfgang Tiedtke am Freitag, am Tag nach der OP, wörtlich: „Es ist wunderbar geworden. Ehrlicherweise, ich hatte damit gar nicht gerechnet, aber die Schmerzen sind weg. Es ist unglaublich.“