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Steuerhinterzieher genießen im Knast hohes Ansehen

Steuerhinterzieher genießen im Knast hohes Ansehen

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Foto: AFP
Auf Privilegien in der Haft hofft Uli Hoeneß wohl vergeblich. Er wäre aber ein Kandidat für offenen Vollzug. Steuerhinterzieher müssen im Knast nicht befürchten, von den Mitgefangenen gepiesackt zu werden. Jög Kachelmann jedenfalls prophezeit dem Bayern-Boss keine schweren Probleme in der Haft.

Essen. 

In Nordrhein-Westfalen wäre Uli Hoeneß, sollte das Urteil rechtskräftig werden, ein sicherer Kandidat für den offenen Vollzug: Aber auch im etwas strengeren Bayern gilt er Juristen als idealer Anwärter für die Haftverbüßung als Freigänger.

„Für den offenen Vollzug spielen Lebensalter, Lebensleistung und die Tatsache, dass er nicht vorbestraft ist, eine entscheidende Rolle“, weiß Wolfgang Küpper-Fahrenberg, langjähriger Strafverteidiger aus Essen. Herbert Paffrath, Leiter der Justizvollzugsanstalt in Essen, prophezeit sogar, dass Hoeneß direkt in den offenen Vollzug kommt.

Star-Chirurg musste nur nachts ins Gefängnis

Am Fall des Mediziners Christoph Broelsch hatte die Öffentlichkeit die Strafvollstreckung eines verurteilten Prominenten gut nachvollziehen können. 2010 hatte das Landgericht Essen den ehemaligen Star-Chirurgen des Essener Universitätsklinikums zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er todkranke Patienten zu einer Organspende genötigt hatte, damit sie von ihm persönlich operiert werden. Danach trat er seine Haftzeit in Bielefeld-Senne an, nachdem er von der U-Haft verschont blieb.

Dort wurde geprüft, ob er für den offenen Vollzug geeignet ist. Nach fünf Monaten endete seine Haftzeit, in der er in der Schreinerei gearbeitet hatte. Er kam nach Düsseldorf in den offenen Vollzug, musste nur noch nachts ins Gefängnis. 2013 setzte die Justiz die Hälfte der Haft zur Bewährung aus.

Entlassung nach zwei Dritteln

Peter Graf, Vater der Tennislegende Steffi Graf, war 1997 zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Davon saß er zwei Jahre ab, zuletzt im offenen Vollzug. „Nach der Hälfte der Zeit herauszukommen ist ungewöhnlich, aber in Einzelfällen möglich“, berichtet Rechtsanwalt Küpper-Fahrenberg. Normal sei, dass Häftlinge nach zwei Dritteln Haftzeit der Rest der Strafe erlassen wird.

In NRW ist es für den offenen Vollzug auch wichtig, dass der Verurteilte nicht in Untersuchungshaft sitzt und seine Schuld einsieht. Das Land steht laut früheren Zahlen mit 28 Prozent Häftlingen im offenen Vollzug an der Spitze der Bundesländer. In Bayern sind es nur rund acht Prozent.

Sollte die bayerische Justiz gerade Hoeneß hinter den Mauern sehen wollen, prophezeien ihm die Experten keine übergroßen Probleme. Schon Wetter-Promi Jörg Kachelmann, der vier Monate in U-Haft saß, twitterte kürzlich, der Bayern-Boss werde „in der Knast-Hierarchie ganz oben sein“. Unter Häftlingen sei es nichts Furchtbares, „den Staat zu vergackeiern“.

Rechtsanwalt Küpper-Fahrenberg bestätigt das: „Steuerhinterzieher haben im Knast ein hohes Ansehen.“ Anders als etwa Kinderschänder hätten sie von den anderen Inhaftierten nichts zu befürchten. Scherzhaft schränkt er ein: „Es sei denn, unter seinen Mithäftlingen sitzen einige Anhänger von 1860 München.“

Sky-Abo nicht erlaubt

Privilegien für Prominente gibt es im Gefängnis nicht, betont JVA-Chef Paffrath. Gefängnis sei natürlich immer schlimm, „allein weil die Tür verschlossen ist“. Aber Probleme, die andere Inhaftierte kennen, dürften auf Hoeneß kaum zutreffen, nimmt Paffrath an: „Seine Außenbeziehung zu anderen Menschen wird ja kaum zerbrechen. Seine Würstchenfabrik und der FC Bayern werden wohl auch nicht untergehen.“

Beim Fußball müsste Hoeneß sich einschränken, wenn in Bayern ähnliche Bedingungen wie in NRW gelten. Denn Abos des TV-Senders Sky, der die Bundesligaspiele live überträgt, gibt es im Essener Knast nicht.