Er ist einer DER größten Popstars, die dieses Land hat. Mit seinem Song „Chicago“ und dem dazugehörigen Album „Weit weg“ ging Clueso durch die Decke. Danach sollten noch etliche Platten und Hits folgen. Eine Erfolgsgeschichte made in Erfurt.
Ab dem 26. April ist Clueso in der Vox-Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ zu sehen. Wir haben mit dem Mann, der eigentlich Thomas Hübner heißt, über seine Teilnahme, seine Heimat und das Alter gesprochen.
Als wir Clueso am Telefon erwischen, wirkt der Sänger leicht heiser.
„Mich hat es, glaube ich, erwischt, so coronamäßig. Und meinen Bruder auch, aber mit Ibu geht es jetzt so einigermaßen. Alles cool. Ich hoffe, ich laber keine Scheiße“ (lacht).“
Ohje, na gut, dass es bis zu den Sommerfestivals noch etwas hin ist. Wie viele Kreuze hast du gemacht, als klar war, dass es wieder losgeht?
„Richtig viele, weil es ja auch immer so eine Euphorie war. Yeah, es geht los, ach doch nicht. Yeah, es geht los … Am Ende bekamst du ja in Deutschland kaum noch eine Halle. Wir haben jetzt riesige Hallen gebucht, und ich hoffe, dass hinten nicht alles leer bleibt (lacht).
Aber man merkt schon, dass die Leute gerade zwei Mal überlegen, ob sie kommen oder nicht.“
Ihr habt ‚Sing meinen Song‘ in Südafrika gedreht. Hattest du vor der Reise ein mulmiges Gefühl?
Da hatte ich wenig Angst. Ich dachte immer nur, wie krass das ist. So eine riesige Produktion, die ganze Arbeit, ich habe mich wirklich reingekniet, die Songs zu ver-cluesen und die transportieren einfach acht rohe Eier nach Südafrika.
Ich habe mich die Wochen davor aus jeder Party zurückgezogen. Wir alle haben das getan. Und als wir uns dann gesund am Flughafen getroffen haben, war das schon echt fett.
Wie lange hat man Zeit, sich vorzubereiten? Du hattest ja vermutlich auch nicht jede Discografie im Kopf.
Es gab vorab so ein, zwei Sitzungen, da kann man viel reden und mit dem Team überlegen, was passen könnte. Dann hört man sich das an, sucht sich selbst Songs aus. Ich wusste bei einigen Songs sehr schnell, wie ich beispielweise den Refrain singen werde. Bei anderen nicht so.
„Anlauf nehmen“ von Elif zum Beispiel, das ist sehr persönlich geschrieben, da wusste ich: Da muss ich ran, meinen eigenen Text schreiben. Du musst wissen, im letzten Jahr ist mein Opi verstorben, der wie ein Freund für mich war, und dann hatte ich die Idee, „Anlauf nehmen“ als Tipp von Opa zu nehmen. Seine Kindheit, meine Kindheit und in der dritten Strophe seinen Tod zu verarbeiten. Plötzlich war es fett.
Dann war mir klar: Geh einfach rein, mach deinen Song. Den anderen gibt’s schon. Und hoffentlich ist keiner sauer.
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„Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ 2022: Sie sind dabei
- 26.04. Folge 1: Clueso
- 03.05. Folge 2: „SDP“
- 10.05. Folge 3: ELIF
- 17.05. Folge 4: Kelvin Jones
- 24.05. Folge 5: LOTTE
- 31.05. Folge 6: Floor Jansen
- 07.06. Folge 7: Johannes Oerding
- 14.06. Folge 8: Duette
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Hattest du echt die Sorge, dass dir jemand deine Interpretation übel nimmt?
Jein. Ich habe es so – „eingebildet“ gesagt – fett gemacht, dass ich dachte: Es interessiert mich nicht, was die anderen sagen. Dann sitzt man aber da und Floor Jansen verrät, dass der Song, den ich von ihr singe, ihr Lieblingssong ist und sie eine krasse Geschichte mit ihm hat. Ich habe ihn aber so umgebaut, dass von dem Song nichts mehr übrig geblieben ist. Nicht mal der Refrain. Da hatte ich schon Schiss.
Ich persönlich finde es bei ‚Sing meinen Song‘ jedes Mal faszinierend, dass die Leute zum Teil völlig ausrasten. Und das in jede Richtung. Ist euch das auch so gegangen?
Davor hatte ich am meisten Angst. Ich wollte auch nicht im Fernsehen heulen. Das ist ja nicht ‚Heul meinen Song‘. Es kann aber echt passieren, dass es einen aus den Latschen haut. Du siehst ja im TV nicht alles. Du siehst nur den kleinen Ausschnitt, dass jemand einen Song singt und der andere heult. Da steckt aber eine Chronologie hinter. Du erzählst deine Geschichte zu dem Song und wirst plötzlich auf der Bühne gespiegelt. Ich für meinen Teil habe sehr würdevoll geweint (lacht).
In welchem Moment?
Bei „Gewinner“. Das Lied wurde auf der Beerdigung von meinem Opa gespielt, meine Familie hatte sich gewünscht, dass der Song im Hintergrund läuft. Da hat es mich zerrissen, mein Bruder hat damals meine Hand gehalten und fast zerdrückt, sodass ich mich gefragt habe, wie ich das Lied in Zukunft überhaupt noch live spielen kann.
Lotte hat dann den Song performt und das Ding einfach nur auf E-Gitarre runtergebrochen. Sie hat anderthalb Minuten nur E-Gitarre gespielt, bis sie mit dem Singen angefangen hat. Da war ich echt im Arsch.
Waren Künstler dabei, die du vielleicht im Vorfeld gar nicht auf dem Schirm hattest, dich dann aber beeindruckt haben?
Ja. SDP. Ich kenne die beiden zwar, das sind Freunde von mir. Aber ich kenne nicht das ganze Repertoire und darf auch ehrlich sagen, dass es nicht ganz meine Mucke ist. Dann lernst du die beiden in der Sendung aber noch mal ganz anders kennen. Dag zum Beispiel ist so ein liebevoller Typ. Dem stehen die Emotionen auf der Stirn. Ich habe mich in der Sendung wirklich auf jeden SDP-Song gefreut, weil sie einfach so liebevoll mit den Sachen umgegangen sind.
Gibt es Pläne, mit deinen ‚Sing meinen Song‘-Kollegen weiter zusammenzuarbeiten?
Ja, da sind wirklich Freundschaften entstanden. Wir werden versuchen, uns in Berlin zu treffen. Vielleicht fliegen wir sogar nach Schweden und besuchen Floor Jansen. Kelvin Jones und ich haben direkt vor Ort noch einen Song geschrieben. Mit Johannes habe ich am letzten Tag noch ein Ding auf dem Piano eingespielt, das hat er mir jetzt geschickt. Elif und ich haben einen Song, der am 22. April rauskommt. „Mond“ heißt der. Da wird auf jeden Fall noch was passieren.
Du warst der älteste der Runde. Vor 16 Jahren gelang dir mit „Chicago“ der Durchbruch. Wo ist die Zeit geblieben?
Was??? Das ist echt heftig. Aber das hat mein Opa auch immer gesagt: Ich bin doch derselbe Typ, irgendwas zwischen 14 und 94. Das ist das Leben, aber man checkt es nicht.
Siehst du dich denn als arrivierten Künstler?
Nein und ja (lacht). Manchmal gibt es Momente, in denen Freunde mich damit beruhigen. Nach dem Motto: ‚Du bist so lange dabei, mach dir noch nicht so einen Kopf.‘ Aber auch jetzt mit den Tickets … Mein Publikum hat ja auch ein ähnliches Alter wie ich. Die überlegen sich, ob sie nicht lieber in den Urlaub an die Ostsee fahren, als noch ein Konzertticket zu kaufen, bei dem man nicht weiß, ob der Auftritt stattfindet. Was ich damit sagen will: Manchmal vergesse ich das, manchmal beruhigt es mich aber, dass es mich überhaupt noch gibt.
Du wohnst in deiner Heimat Erfurt. Was macht die Stadt für dich aus?
Absolutes, hundertprozentiges Zuhause-Gefühl. Früher wollte ich nur raus hier. Und jetzt genieße ich, dass ich hier zu Hause bin. Ich kenne hier alles, meine Wohngegend ist wie eine Clique. Ich sehe gerade jetzt aus dem Fenster heraus die WG, die sehr oft Party macht und inzwischen auch darauf klarkommt, dass ich Gegenüber wohne (lacht).
Ich liebe es hier wirklich.
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Wo trifft man dich, wenn du in Erfurt unterwegs bist?
Ich bin gelegentlich in einer Bar, in der mein Vater würfelt. Das ist hier eine ganz bekannte Kneipe, die ‚Arche‘. Da bin ich manchmal zu Gast, trinke ein Radler und hänge bei den alten Herren ab. Ansonsten gibt es hier so viele kleine Cafés … Ich gehe immer nach der Sonne. Mittags ist zum Beispiel am Domplatz Sonne oder am Fischmarkt. Ich würde am liebsten eine App rausbringen, wann in welchem Café das Jahr über Sonne ist.